Die intransparenten Nebentätigkeiten des Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs für die britische Spionagefirma Hakluyt & Company zeigen die Probleme und Lücken der aktuellen Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete auf. Auch das Meldeverfahren bei der Bundestagsverwaltung muss auf den Prüfstand.
Darum geht es: Vorträge bei einem Privat-Nachrichtendienst
Auf Fuchs‘ Bundestagsseite war jahrelang zu lesen, dass er Vorträge für die britische Hakluyt Society gehalten hatte. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und Stern wurde deutlich, dass es sich in Wahrheit nicht um die gemeinnützige geografisch-historische Gesellschaft, sondern einen privaten Nachrichtendienst mit ähnlichem Namen, Hakluyt & Company, handelte. Hakluyt & Company wurde 1995 von ehemaligen Mitgliedern des britischen Geheimdienstes gegründet. Die Firma beschafft für Unternehmen (unveröffentlichte) Informationen, z.B. über andere Unternehmen, über Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen, aber über auch über Regierungsvorhaben (siehe Lobbypedia-Profil von Hakluyt & Company).
Die Verwechslung der umstrittenen Firma mit dem gemeinnützigen Hakluyt Society nahm ihren Ausgang in einer unvollständigen Meldung von Fuchs, der 2008 den ersten Vortrag dort nur mit „Hakluyt London“ bei der Bundestagsverwaltung meldete. Wie daraus „Hakluyt Society“ wurde, ist bis heute ungeklärt. Der ganze Vorgang wirft weder ein gutes Licht auf Michael Fuchs noch die Bundestagsverwaltung und das Meldeverfahren für Nebentätigkeiten. Den bisherigen Erkenntnisstand dazu haben wir bereits letzte Woche aufgeschrieben. Heute wollen wir den Blick auf die Folgerungen für das Meldeverfahren und die Verhaltensregeln für Abgeordnete richten.
1) Die Bundestagsverwaltung muss mehr Auskünfte geben
Die für die Veröffentlichung der Abgeordneten-Nebentätigkeiten zuständige Bundestagsverwaltung gab uns gegenüber an, dass in Fällen „in denen die zuständigen Mitarbeiter sich nicht sicher sind, ob sie die Angaben des Abgeordneten zutreffend umgesetzt haben, […] eine Klärung herbeigeführt [wird].“ Häufig werde dem Abgeordneten ein Entwurf seiner aktuellen veröffentlichungspflichtigen Angaben übermittelt. „Eine standardmäßige Übermittlung solch eines Entwurfs bei jeder Anzeige findet aufgrund der Vielzahl von Anzeigen aber nicht statt.“
Leider macht die Bundestagsverwaltung jedoch keine Angaben darüber, ob sie im konkreten Fall einen Entwurf der Angaben an Fuchs übermittelt hat oder nicht. Zu konkreten Fällen äußere man sich grundsätzlich nicht. Zwar verweist die Verwaltung auf ihr Schreiben an Fuchs und dass dieses gerne veröffentlicht werden könne. Aber damit bleibt die Öffentlichkeit letztlich immer vom betreffenden Abgeordneten abhängig, ob solche Schreiben freigegeben werden. Wir haben bei Herrn Fuchs darum gebeten, dass er uns den bislang unveröffentlichen Anhang zu dem Schreiben der Bundestagsverwaltung zur Verfügung stellt. Darin hat die Bundestagsverwaltung alle Meldungen von Fuchs zusammengestellt, die Hakluyt & Company betreffen. Viel Hoffnung auf Transparenz haben wir aber nicht. Der Sternjournalist Hans-Martin Tillack hat bereits berichtet, dass Fuchs ihm keine Einsicht in seine Meldungen der Vorträge bei Hakluyt geben will.
Als Kontrollinstanz hat die Bundestagsverwaltung aus unserer Sicht die Verpflichtung, auch zu konkreten Fällen Rede und Antwort zu stehen. Es kann nicht sein, dass transparenz-unwillige Abgeordnete die Aufklärung von fehlerhaften Nebeneinkünfte-Angaben einfach blockieren können.
2) Das Meldeverfahren verbessern
Letztlich lässt sich nicht mehr nachvollziehen, ob Fuchs einen Entwurf seiner veröffentlichungspflichtigen Angaben übermittelt bekommen hat. Denn die Verwaltung gibt selbst an, dass das nicht standardmäßig geschehe. Eine solche standardmäßige Übermittlung wäre daher aus unserer Sicht sinnvoll. Es sollte technisch machbar sein, dass bei jeder Freischaltung einer neuen Nebentätigkeit auf der Bundestagswebseite der betreffende Abgeordnete eine E-Mail mit den Daten bekommt und diese dann nochmal überprüfen kann bzw. müsste. Damit wäre klar, wer letztlich die Verantwortung für die Korrektheit der Angaben trägt.
Noch besser wäre eine generelle Umstellung des Meldeverfahrens für Nebentätigkeiten. Mit einem datenbankgestütztem Eingabeformular im Intranet des Bundestages, könnten die Abgeordneten bzw. deren Mitarbeiter die Angaben selbst eintragen. Die Bundestagsverwaltung würde die Einträge dann lediglich nach einer kurzen Prüfung freischalten.
3) Kunden von Vorträgen müssen offen gelegt werden
Doch jenseits der technischen Aspekte der Veröffentlichung von Nebentätigkeiten, wirft der Fall Fuchs auch einige politische Fragen auf. Schließlich geht es bei der Veröffentlichung von Nebentätigkeiten nicht darum, Abgeordnete zu gängeln, sondern darum, Interessenkonflikte und potentielle Abhängigkeiten von politischen Interessengruppen abschätzen und beurteilen zu können. Transparenz ermöglicht politisch-demokratische Kontrolle.
Wir wissen nun zwar, bei welcher Firma Fuchs seine Vorträge gehalten hat. Aber unbekannt bleibt – und das entspricht den geltenden Regeln – für wen eigentlich. Da H&C im Auftrag von Kunden arbeitet, kann davon ausgegangen werden, dass die Firma die Vorträge von Fuchs für ihre Kunden organisiert hat – und damit ähnlich einer Redneragentur als Vermittler auftrat. In der Diskussion um Steinbrücks Vorträge wurde bereits deutlich, dass das Dazwischenschalten von Agenturen das Transparenzziel unterminiert. Momentan prüft die Bundestagsverwaltung daher, wie die faktischen Auftraggeber veröffentlicht werden können. Der Fall Fuchs unterstreicht die Relevanz dieser Regelreform. Ohne Kenntnisse über die tatsächlichen Auftraggeber können Interessenkonflikte nicht eingeschätzt werden. Als Grundsatz sollte das Recht der Bürgerinnen und Bürger gelten, erkennen zu können, woher die Nebeneinkünfte ihrer Abgeordneten stammen und welche Unternehmen oder Organisationen von der bezahlten Tätigkeit der Mandatsträger profitieren.
4) Transparenzlücken für Berater und Anwälte schließen
Die Vorträge von Fuchs werfen aber noch eine weitere Frage auf: Was genau hat Fuchs eigentlich für H&C bzw. deren Kunden gemacht? Handelte es sich tatsächlich um Vorträge zu allgemeinen politischen oder wirtschaftlichen Fragestellungen oder muss die Tätigkeit eher als Beratungsdienstleistung gewertet werden? Aber auch in diesem Punkt sind die Transparenzregeln lückenhaft. Denn auch bei Abgeordneten, die nebenbei als Anwälte oder Unternehmensberater arbeiten, erfährt die Öffentlichkeit nichts über Geschäftspartner und Auftraggeber. Diese Lücken müssen bei der anstehenden Reform der Verhaltensregeln endlich beseitigt werden. Zumindest die Branche, aus der ein Mandant oder Klient stammt, sollte angezeigt werden. Bislang sperren sich allerdings Union und FDP dagegen, das Thema überhaupt anzugehen.
Wenn sich diese umfassende Transparenz nicht durchsetzen lässt, bleiben die Verhaltensregeln Stückwerk. Dann gewinnt die Frage von Schranken für Nebentätigkeiten an Bedeutung. LobbyControl setzt sich bereits länger dafür ein, dass direkte Lobbytätigkeiten für Abgeordnete verboten werden. Eventuell müssten wir auch darüber diskutieren, ob bezahlte Nebentätigkeiten unterbunden werden können, die erkennbar darauf abzielen, politische Insider-Informationen von Abgeordneten zu gewinnen. Denn diese Art von Nebentätigkeiten führt zu problematischen Ungleichgewichten: wer Abgeordnete dafür bezahlt, erhält strategische Vorteile bei der Durchsetzung eigener Interessen – das ist demokratietheoretisch problematisch, aber auch wirtschaftspolitisch.
Die Überarbeitung der Verhaltensregeln bleibt auch nach der angekündigten Erweiterung der Stufen für die Höhe der Nebeneinkünfte ein wichtiges Thema. Wir werden den politischen Prozess genau verfolgen und uns für umfassende Transparenzregeln stark machen.
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