Ein Bündnis aus Vertreter/innen von Transparency International, der Ärztekammer Berlin, der Charité Universitätsmedizin und weiteren Organisationen(s. Textende) sammelt aktuell Unterschriften gegen die Verheimlichung von klinischen Studiendaten. Der Hintergrund: Immer wieder werden Arzneimittel zugelassen, obwohl diese ein hohes Gefährdungspotential aufweisen – oder ganz einfach nicht richtig wirksam sind. Ein Grund dafür sind die Studien, auf die die Kontrollbehörden zurückgreifen. Nicht selten sind diese nämlich durch den Hersteller des Präparates finanziert und es gibt nur eingeschränkten Zugang zu den Daten für eine unabhängige Überprüfung.
Umstrittene EU-Verordnung zu Medikamententests
Die Initiative nennt sich „Berliner Erklärung 2012“ und richtet sich an das Europäische Parlament. Derzeit wird dort über eine EU-Verordnung diskutiert, mit der die Kommission die Regulierung von Arzneimitteltests an Menschen vereinfachen will („Clinical Trials Regulation“ – Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln). Die neue Verordnung ist sehr umstritten. Kritiker bemängeln Intransparenz, Interessenkonflikte und vor allem mangelnden Verbraucherschutz. Eine Entscheidung soll im April fallen.
Die Petition hat den Umgang mit den Ergebnissen klinischer Tests im Auge. Um ein Beispiel zu geben: Der Nutzen des 1999 zugelassenen Grippemittels Tamiflu wird von Ärzt/innen und Forscher/innen stark in Zweifel gezogen – unter anderem durch die US-Prüfbehörde FDA und die Cochrane Collaboration. Dennoch hortet die Bundesregierung – ebenso wie die Regierungen vieler anderer Länder – große Mengen davon für künftige Pandemien (in Deutschland zu einem Schätzwert von 300 Millionen Euro).
Studiendaten unter Verschluss
Für eine unabhängige Überprüfung der Wirksamkeit des Medikaments gibt es keinen Zugang zu den vollständigen Daten. Der Hersteller Roche hält sechzig Prozent der vorhandenen Studienunterlagen zu diesem Medikament unter Verschluss – gut möglich, dass darunter Unterlagen sind, die die mangelnde Wirksamkeit des Medikaments oder schwere Nebenwirkungen belegen.
Die Initiator/innen der Petition fordern daher allem voran: Das EU-Parlament soll im Rahmen der neuen Verordnung für einen ungehinderten Zugang zu den gesamten klinischen Studiendaten sorgen und damit eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung von Arzneimittelstudien ermöglichen. Daneben wird auch eine Korrektur der nationalen und internationalen Pandemiepläne in Bezug auf Tamiflu gefordert.
EU-Parlament muss nachbessern
Nur durch einen solchen unabhängigen Zugang kann verhindert werden, was heute im Umgang mit klinischen Studien gang und gebe ist: Die selektive Publikation von Studien durch die Industrie. Negative Ergebnisse werden systematisch verschleiert, nur Ergebnisse mit positivem Resultat publiziert. Oftmals bedient man sich professioneller Schreibbüros, die im Auftrag der Hersteller Artikel liefern, auf die dann die Namen von medizinischen Meinungsführern gesetzt werden. Die Berliner Erklärung fordert auch eine Sanktionierung dieses Verhaltens als Wissenschaftsbetrug.
Träger der Petition sind Vertreter/innen von Transparency International, der Ärztekammer Berlin, der Charité Universitätsmedizin, der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, der Deutschen Gesellschaft für Public Health, die pharmakritische Nichtregierungsorganisation BUKO Pharma und insgesamt vierzig Erstunterzeichner /innen (die in der Petition zu sehen sind).
Die Petition findet sich zum Unterschreiben auf der Plattform change.org.
Titelbild: CC BY-SA 3.0, FtWashGuy
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