Die Zeitung „Malta Today“ hat gestern den Ermittlungsbericht der EU-Antibetrugsbehörde OLAF zum Lobbyskandal rund um den zurückgetretenen EU-Gesundheitskommissar John Dalli veröffentlicht. EU-Kommission und OLAF haben ihn bisher geheim gehalten. Allerdings fehlen wohl immer noch zwei Seiten.
Auf den ersten Blick liefert der Bericht neue Merk- und Fragwürdigkeiten. Unsere Partnerorganisation Corporate Europe Observatory hat ihn in einer ersten Einschätzung als „mangelhaft“ und „nicht beweiskräftig“ eingestuft. Die EU-Institutionen und vor allem Kommissionspräsident Barroso müssen diesen dubiosen Fall und ihre eigenen Verwicklungen endlich lückenlos aufklären.Wir werden uns den Bericht die nächsten Tage genauer ansehen, nur zwei brisante Punkte vorweg:
- Michel Petite, ehemaliger Generaldirektor des juristischen Dienstes, hat dem schwedischen Snus-Hersteller Swedish Match geholfen, seine Beschwerde an die EU-Kommission zu übermitteln. Mit dieser Beschwerde setzte der Konzern die Kommission davon in Kenntnis, dass der Lobbyist Silvio Zammit 60 Millionen Euro im Austausch dafür gefordert hatte, die Tabakrichtlinie in seinem Sinne zu beeinflussen. Petite stellte offenbar den Kontakt zur Generalsekretärin der EU-Kommission, Catherine Day, her. Es ist dergleiche Michel Petite, der auch Philip Morris in Zuge der Tabakproduktrichtlinie beriet und Lobbyarbeit für den Konzern bei seiner früheren Abteilung betrieb. Zum Hintergrund: Swedish Match und Philip Morris arbeiten bei der Vermarktung des Tabakprodukts Snus zusammen. Ende Dezember wurde Michel Petite von der EU-Kommission erneut in das Ethik-Komitee berufen, das die Kommission bei Seitenwechseln von Kommissaren berät. Dagegen läuft gerade eine Beschwerde von uns beim EU-Ombudsmann. Die neuen Enthüllungen verdeutlichen einmal mehr, dass Barroso Petite aus dem Ethik-Komitee entlassen sollte.
- Gayle Kimberley, die Swedish Match als Lobbyistin engagierte, um Kontakt zu John Dalli aufzunehmen, ist offenbar von der Zeugin zur Verdächtigen geworden. Die Aufklärung ihrer genauen Rolle dürfte noch interessant werden. Jüngst war bekannt geworden, dass sie zugegeben habe, ein Treffen mit Dalli nur erfunden zu haben. Ein Swedish Match-Lobbyist hat zudem gesagt, OLAF hätte darum gebeten, dass Swedish Match bei dieser falschen Version bleiben solle. Ein unglaublicher Vorgang, der ebenfalls noch nicht aufgeklärt ist.
Weitere Hintergründe in unseren letzten Berichten:
Dalligate-Skandal weitet sich aus (5. April)
Tabaklobbyist in EU-Ethikkomitee: Ombudsmann folgt LobbyControl-Beschwerde (19. März)
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