In sechs Tagen durch sechs europäische Städte – unsere Vortragstour zu regulatorischer Kooperation in CETA und TTIP war auf jeden Fall sehr intensiv. Gemeinsam mit der zivilgesellschaftlichen Handelsexpertin Sharon Treat aus den USA und der kanadischen Aktivistin und Vorsitzenden der größten kanadischen Bürgerrechtsewegung Council of Canadians Maude Barlow habe ich spannende Veranstaltungen und kontroverse Diskussionen zu den umstrittenen Freihandelsabkommen erlebt. Es war unser gemeinsamer Anspruch, den transatlantischen Austausch über unsere Kritik an den Abkommen zu intensivieren und unseren Widerstand zu internationalisieren. Ich kann nur sagen – das hat funktioniert! Nach unserer Tour steht für uns mehr denn je fest: Wir werden uns weiter dafür einsetzen, diese demokratiegefährdenden Abkommen zu verhindern.
Erste Station: Rom
Bevor wir mit LobbyControl zur Tour dazugestoßen sind, war Sharon Treat bereits zu Debatten und Vorträgen nach Rom gereist. Sie erlebte eine lebendige Widerstandsbewegung in Italiens Hauptstadt, und sie war überrascht über die Offenheit gegenüber ihrem Vortrag an einer italienischen Wirtschaftshochschule.
Berlin calling
In Berlin stieß ich dann zur Tour dazu. Gemeinsam mit den amerikanischen und kanadischen Kolleginnen ging es in den Bundestag zu Gesprächen mit aufgeschlossenen Teilen der Grünen und der SPD. Sie waren nicht nur an regulatorischer Kooperation in TTIP interessiert, sondern vor allem auch an der Bedeutung des entsprechenden Kapitels im CETA-Abkommen mit Kanada. Hierzu hatten wir bereits vergangenes Jahr eine Analyse geliefert. Zudem gab es Fragen zu den Erfahrungen mit Regulierungszusammenarbeit beim nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA. Wir haben deutlich gemacht, dass sowohl die in CETA als auch die in TTIP geplante regulatorische Kooperation demokratiegefährdend ist.
Dabei fiel uns wieder einmal auf, was für ein gelungener Werbeslogan doch das Wort „regulatorische Kooperation“ ist. Denn wer kann schon dagegen sein zu kooperieren? Doch hinter diesem Begriff verbirgt sich eben die Institutionalisierung von Lobby- und US-Einfluss auf die EU-Gesetzgebung und damit verbunden zahlreiche Mittel, um Verbraucher- und Umweltgesetzgebung abzuschwächen beziehungsweise zu verhindern.
[button]Unser Erklärvideo fasst die wichtigsten Punkte zu regulatorischer Kooperation in 2 Minuten zusammen.[/button]
Zunehmende Kritik an TTIP in Osteuropa
Am nächsten Morgen ging es weiter mit Sharon Treat nach Warschau. In der Hauptstadt Polens gibt es mittlerweile einige TTIP-kritische zivilgesellschaftliche Gruppen, darunter das Institute of Global Responsibility. Sie waren schockiert über unsere Ausführungen zu regulatorischer Kooperation und äußerst dankbar dafür, über den neuen Verhandlungsvorschlag der EU-Kommission detailliert informiert zu werden.
Die Sorgen in Warschau betrafen vor allem auch die Frage, welche Auswirkungen TTIP und CETA auf die in Polen so wichtige Landwirtschaft haben könnte.
Besuch im Land der EU-Handelskommissarin
Mittwoch morgen flogen wir in aller Frühe nach Stockholm, um dort um 10 Uhr im schwedischen Parlament zu sprechen. Anwesend waren Abgeordnete der schwedischen Grünen und der Linkspartei sowie zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen, wie Friends of the Earth Schweden. Die Grünen sind in Schweden Teil der rot-grünen Regierung. Anders als viele andere EU-Mitgliedstaaten gehört Schweden bislang zu den deutlichsten Unterstützern von TTIP und CETA. Die positive Bewertung von Freihandelsabkommen ist im Land von EU-Handelskommissarin Malmström kulturell fest verankert. Deshalb war unser Bericht im Parlament doppelt wichtig, denn wir haben denjenigen Argumente geliefert, die für eine Kritik an TTIP und CETA offen sind. Dies gilt zum Glück auch für Teile der schwedischen Regierung.
Aufbruchstimmung beim Treffen TTIP-kritischer Kommunen in Barcelona
Gleich am Nachmittag sind wir nach Barcelona weiter geflogen, um dort am nächsten Morgen an der ersten europäischen Versammlung TTIP-kritischer Kommunen teilzunehmen. Sharon Treat überbrachte ein Grußwort der US-amerikanischen Zivilgesellschaft, was mit viel Beifall aufgenommen wurde. Zahlreiche Kommunen, darunter Barcelona, Madrid, Birmingham, Köln und Wien waren zugegen und wurden erneut dafür sensibilisiert, dass auch sie regulatorische Kooperation betreffen könnte. Es ist bemerkenswert, dass sich die BürgermeisterInnen europäischer Städte zusammenschließen, weil sie fürchten, über TTIP und CETA vor Schiedsgerichten verklagt zu werden. Hier bildet sich ein demokratiefördernder Widerstand von unten.
Slowenien: Kritische Stimmen gegen Reformagenda der EU-Kommission
Nach der Versammlung brachen wir auf zu unserer letzten Station auf der Tour: Ljubljana. Dort erwartete uns am folgenden Morgen eine TTIP-kritische Versammlung aus Ministerialbeamten und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Gerade die slowenische Regierung erhofft sich bislang wenig Vorteile durch TTIP und CETA und hat sich auch schon öffentlich dazu geäußert. Dies gilt insbesondere für die umstrittenen Schiedsgerichte und die vorgeschlagene Scheinreform der EU-Kommission. In einer Erklärung des slowenischen Handelsministers hieß es dazu, dass Slowenien unter den derzeitigen Umständen im Rat nicht für CETA stimmen könne. Gerade meine Ausführungen zum Lobbyeinfluss auf die TTIP-Verhandlungen wurden genauestens zur Kenntnis genommen. Denn darin wurde deutlich, dass sich in der Vorbereitungsphase der TTIP-Verhandlungen kein einziger Lobbyakteur aus Slowenien mit der EU-Kommission getroffen hatte.
Vor der Speakers‘ Tour ist nach der Speakers‘ Tour
Während der Tour haben wir viele Gespräche zu TTIP und CETA geführt. Mit vielen unserer Gesprächspartner werden wir erneut ins Gespräch gehen. Es bleibt ein Gefühl der Hoffnung. Wir werden uns gemeinsam – und zwar in Europa, in den USA und in Kanada – wehren gegen Freihandelsabkommen, die unsere demokratischen Institutionen schwächen. Und wir sind dabei nicht allein. In ganz Europa gibt es kritische Stimmen zu den umstrittenen Abkommen, die immer lauter werden.
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