In Deutschland können Unternehmen, Verbände und Einzelpersonen Geld in beliebiger Höhe an Parteien spenden. Das verschafft Lobbyisten großen Einfluss – und schadet so der Demokratie. Es muss gelten „ein Mensch, eine Stimme“, denn Demokratie darf nicht vom Geldbeutel abhängen.
Wir brauchen dringend einen Deckel für Parteispenden, echte Transparenz und starke Kontrollbehörden! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für Ihre Unterschrift unter unseren Appell, denn aktuell läuft die Debatte zur Reform des Parteiengesetzes. Jetzt Appell unterschreiben!
Sehr geehrter Herr Mützenich,
sehr geehrte Frau Dröge, sehr geehrte Frau Haßelmann,
sehr geehrter Herr Dürr,
sehr geehrter Herr Merz,
nutzen Sie die Chance, unsere Demokratie zu stärken, indem Sie die Parteienfinanzierung wirksam neu regeln. Ich fordere Sie darum auf:
1) Begrenzen Sie die Einflussmöglichkeiten von reichen Personen, Unternehmen und Verbänden: Beschließen Sie eine jährliche Obergrenze von 50.000 Euro pro Geldgeber:in für Parteispenden und Sponsoring.
2) Schaffen Sie Transparenz für alle Formen von Zuwendungen an die Parteien. Spenden und Sponsoring sollten ab 2.000 Euro namentlich veröffentlicht werden und ab 10.000 Euro zeitnah.
3) Führen Sie eine wirklich unabhängige und angemessen ausgestattete Kontrollinstitution ein, die Verdachtsfällen aktiv nachgeht und die Durchsetzung der Gesetze gewährleistet.
Mit freundlichen Grüßen
Hintergrund
Inwiefern gefährdet die aktuelle Parteienfinanzierung unsere Demokratie?
Die bestehenden Regeln für Parteispenden und Sponsoring laufen wichtigen demokratischen Grundsätzen zuwider. In unserer Demokratie sollten alle Wählerinnen und Wähler die gleiche Stimme haben und damit politischen Einfluss ausüben können. Doch in Deutschland können Unternehmen, Verbände und Einzelpersonen in unbegrenzter Höhe Geld an politische Parteien spenden, was ihren Interessen besonderes Gewicht verschafft.
So wirken hohe Spenden erwiesenermaßen als „Türöffner“, mit denen sich privilegierte Zugänge in die Politik verschafft werden können. Ein persönliches Treffen zwischen CDU-Parteichef Friedrich Merz und einem Vorstandsmitglied der Deutschen Vermögensberatung AG, um einen Spendenscheck von 100.000 Euro zu übergeben, ist beispielsweise ein guter Termin um eigene Anliegen vorzubringen.1
Im schlimmsten Fall können einzelne Großspenden Parteien sogar finanziell abhängig machen. Wenn sie beispielsweise auf Kommunal- oder Landesebene den Großteil eines Wahlbudgets ausmachen, wie es bei der Berliner CDU im Wahlkampf 2021 der Fall war.2
Zwar ist es wichtig und verfassungsmäßig vorgesehen, dass sich Parteien auch aus privaten Quellen finanzieren und nicht vollständig vom Staat abhängig sind. Jedoch darf dieses System nicht zu Abhängigkeiten von privaten Geldgebern führen und denjenigen, die über mehr Finanzmittel verfügen, ein höheres politisches Gewicht zukommen lassen.
Warum braucht es eine Obergrenze für Zuwendungen an Parteien?
Laut Bundesverfassungsgericht ist die Freiheit einer Partei nur sichergestellt, wenn sie weder von Wirtschaftsunternehmen oder großen Verbänden noch vollständig vom Staat finanziell abhängig ist.3 Während es bei staatlichen Mitteln bei der Parteienfinanzierung klare Obergrenzen gibt, fehlen diese gänzlich für private Zuwendungen. Um das gegenwärtige System grundrechtskonform zu machen, braucht es also eine Deckelung für solche Zuwendungen an Parteien; ganz gleich ob es sich um Parteispenden oder Sponsoring handelt.
Denn durch Parteispenden und Sponsoring in beliebiger Höhe können Parteien leicht in Abhängigkeiten und Interessenskonflikte geraten. Gerade auf Landes- oder kommunaler Ebene können Zuwendungen stark ins Gewicht fallen. 2021 spendete beispielsweise der Immobilienunternehmer Christoph Gröner 820.000 Euro an die Berliner CDU. Ein solcher Betrag von einem einzelnen Spender macht schnell einen substantiellen Teil des gesamten Wahlkampfbudgets auf Landesebene aus.
Darum ist es nicht verwunderlich, dass es in 20 von 27 EU-Mitgliedsstaaten bereits eine Obergrenze für Parteispenden gibt.4 Es gäbe genug Vorbilder, an denen sich eine Regelung für Deutschland orientieren könnte.
Warum braucht es mehr Transparenz bei den Parteifinanzen?
Um Parteienfinanzierung wirksam zu deckeln, muss Transparenz darüber bestehen, wie viel Geld an eine Partei fließt. Ebenso muss nachvollziehbar sein, wer eine Partei finanziert – das bestätigt auch das Bundesverfassungsgericht. Leider ist diese Transparenz gegenwärtig in Deutschland nicht gegeben. Über die Gelder, die von Unternehmen, Verbänden und Privatpersonen an Parteien fließen, erfahren wir viel zu wenig, viel zu spät, und bei großen Teilen wissen wir überhaupt nichts über die Herkunft.
So gibt es aktuell für Partei-Sponsoring, das immer mehr Unternehmen praktizieren, keinerlei Offenlegungspflichten. Beim Partei-Sponsoring kauft sich ein Unternehmen oder ein Verband beispielsweise einen Stand auf dem Parteitag oder einen Platz auf einer Werbewand. Dafür bezahlen sie dann deutlich mehr als marktüblich wäre – und unterstützen so die Partei. Der Vorteil: Keine Offenlegungspflichten und das Ganze lässt sich im Gegensatz zu normalen Spenden sogar besser von der Steuer absetzen.
So bleiben die Summen und Geldgeber:innen gänzlich unbekannt.
Und auch Spenden bleiben meist anonym. 2021 wurden bei zwei Drittel der Spenden von Unternehmen und Verbänden die Namen der Spender:innen nicht genannt. Denn erst bei Spenden an Parteien ab 10.000 Euro erfahren wir überhaupt die Identität der Spender:innen – leider oft erst eineinhalb bis zwei Jahre nach Spendeneingang im Rechenschaftsbericht der Partei. Also viel zu spät, um von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden und beispielsweise noch in die Wahlentscheidung mit einfließen zu können.
Nur wenn die Geldflüsse an Parteien wirklich transparent sind, lässt sich nachvollziehen, ob sie möglicherweise Interessenskonflikten oder Abhängigkeiten unterliegen. Deshalb braucht es schärfere Offenlegungspflichten für alle Formen der Zuwendung an Parteien.
Warum braucht es eine bessere Kontrollinstanz?
Deckelung und Transparenzpflicht helfen nichts, wenn es keine wirksame Kontrolle und Sanktionen gibt. Derzeit liegt diese Verantwortung bei der Bundestagsverwaltung. Doch diese hat weder die Mittel noch die Befugnisse, Verstöße gegen das Parteiengesetz wirksam zu verfolgen oder unrichtige Angaben zu überprüfen.
Anschauliches Beispiel war die Spende von Immobilienunternehmer Christoph Gröner an die Berliner CDU , die im Verdacht steht eine illegale Einflussspende zu sein. Obwohl Gröner und auch der Berliner CDU-Chef Kai Wegner in öffentlichen Interviews zugaben, dass die Spende mit Forderungen verknüpft war, was sie zu einer illegalen Einflussspende machen würde, hat die Bundestagsverwaltung kaum Möglichkeiten diesen Verdacht zu beweisen.
Denn die Bundestagsverwaltung kann diese Aussagen nicht verwenden, wenn die Beteiligten im Gespräch mit ihr alles revidieren. Gleichzeitig fehlen ihr aber die Möglichkeiten, handfestere Beweise einzuholen, zum Beispiel schriftliche Kommunikation. Eine Einflussspende kann also im gegenwärtigen System, selbst wenn alle Beteiligten öffentlich darüber sprechen, kaum wirklich verfolgt werden.
Wir bezweifeln allerdings, dass es damit getan wäre, die Befugnisse und Mittel der Bundestagsverwaltung auszuweiten. Denn die Bundestagsverwaltung ist nicht wirklich unabhängig vom politischen Betrieb, sondern den jeweiligen Bundestagspräsident:innen und damit Parteipolitiker:innen unterstellt.
Wir fordern deshalb eine unabhängige Kontrollinstanz nach dem Vorbild der „Hohen Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben“ in Frankreich.
Was steht dazu im aktuellen Koalitionsvertrag?
Die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Partei-Sponsoring offenlegen zu wollen, die Schwelle für namentliche Nennung der Spender:innen von 10.000 Euro auf 7.500 Euro zu senken und für Einzelspenden ab 35.000 Euro zeitnah die Veröffentlichung zu verlangen statt wie bisher für Einzelspenden ab 50.000 Euro.
Abgesehen davon, dass diese Maßnahmen keine wirksamen Veränderungen der aktuellen Situation brächten, wurde von diesen Ankündigungen bisher auch noch nichts umgesetzt.
Die Ampel-Vorschläge bleiben weit hinter dem zurück, was nötig wäre, um unsere Demokratie zu schützen: Sowohl eine Obergrenze, also ein Parteispendendeckel, als auch wirkliche Transparenz und wirksame Kontrolle fehlen vollständig in den Plänen der Ampel-Koalition.
Die Versprechungen bleiben ebenso weit hinter dem zurück, was internationale Institutionen, wie Europarat5, die Vereinten Nationen6 und die Europäische Kommission7 von Deutschland fordern.
Warum können wir gerade jetzt Verbesserungen erreichen?
Die Regierung muss bis Ende des Jahres aufgrund von Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes zur staatlichen Parteienfinanzierung8 und zur Finanzierung von politischen Stiftungen9 das System der Parteifinanzierung fundamental überarbeiten. Und zwar um einiges mehr als es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist – die perfekte Gelegenheit also, endlich die lange währenden Probleme zu lösen!
Gerade für die Kontrolle der Finanzierung von politischen Stiftungen braucht es eine unabhängige Kontrollinstanz, denn weder die Bundestagsverwaltung noch die Ministerien können diese Rolle übernehmen, ohne dass es Probleme bei Gewaltenteilung oder Interessenskonflikte gibt. Wenn also sowieso eine neue Kontrollinstanz geschaffen werden muss, kann diese auch mit der Kontrolle der Parteifinanzen beauftragt werden!
Nichts von alledem ist zeitaufwändig oder kompliziert. All unsere Forderungen werden in verschiedenen anderen europäischen Ländern bereits erfolgreich und problemlos umgesetzt. Es gibt daher keinen Grund, warum Deutschland nicht zeitnah nachziehen könnte. Es ist an der Zeit, die private Parteienfinanzierung demokratischer zu gestalten: mit Obergrenze, Transparenzregeln und unabhängiger Kontrollinstanz.
Fußnoten
1) https://www.spiegel.de/politik/deutschland/
ein-finanzvertrieb-spendet-viel-geld-an-parteien-
per-scheck-a-3cca67a6-fb15-4062-9901-e5bcc730b5f2
2) https://www.lobbycontrol.de/pressemitteilung/
pressekommentar-zum-verdacht-einer-illegalen-
parteispende-an-die-berliner-cdu-108865/
3) Siehe BVerfG 20, 56, 69
4) Lobbyreport 2021, S. 44, seitdem hat Österreich ebenfalls eine Obergrenze eingeführt
5) https://rm.coe.int/CoERMPublicCommon
SearchServices/DisplayDCTMContent
?documentId=09000016806c635e
6) https://www.unodc.org/documents/treaties/
UNCAC/CountryVisitFinalReport
/2020_11_06_Germany_Final_Country_Report.pdf
7) https://commission.europa.eu/system/files/2023-07/16_1_52572_coun_chap_germany_en.pdf
8) https://www.bundesverfassungsgericht.de/
SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/01/
fs20230124_2bvf000218.html
9) https://www.bundesverfassungsgericht.de/
SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/bvg23-022.html