Am Montag lief bei Report München (ARD) ein Beitrag von Günter Ederer, der anlässlich des Live Earth-Konzerts die Klimaschutzkampagne von Al Gore und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen wie Germanwatch kritisiert. Günter Ederer (bekannt auch für seine Märchen-Filme zum Sozialstaat, teilweise gefördert durch die Arbeitgeber-Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) lässt dabei zweimal Fred Singer zu Wort kommen. Dieser gehört zu den bekanntesten sogenannten „Klimaskeptikern“ (Klimawandelskeptiker wäre eigentlich genauer) und hat enge Verbindungen zur Ölindustrie.
Die Studie „Smoke, Mirrors & Hot Air“ der amerikanischen Wissenschaftlerorganisation „Union of Concerned Scientists“ listet die Verbindungen von Fred Singer zu elf Institute und Organisationen auf, die Gelder vom Ölkonzern ExxonMobil bekommen, um die Debatte über den Klimawandel zu beeinflussen. Singer war für die meisten Organisationen als Berater, Autor oder als sogenannter Fellow tätig, z.B. als Senior Fellow für die Heritage Foundation oder als Adjunct Fellow für Frontiers of Freedom. Diese Organisation wurde von 1998 bis 2006 mit mehr als 1 Mio. US$ gefördert (genau 1.182.000 US$), die Heritage Foundation mit 565.000 US$ (Quelle: Auswertung von ExxonMobil-Daten durch Greenpeace USA, pdf)
Das von Singer selbst gegründete Science and Environmental Policy Project (SEPP) wurde ebenfalls von ExxonMobil gefördert, aber nur mit kleineren Summen von 1998 bis 2005 mit 20.000 US$ (laut „Smoke, Mirrors & Hot Air“). Aber die Verbindungen reichen über die finanzielle Unterstützung hinaus: 1998 gründete ExxonMobil zusammen mit Chevron (Öl), der Southern Company (Energieversorger) und dem American Petroleum Institute (API) das „Global Climate Science Team“ (GCST). Das Team entwickelte eine Strategie, wie über durch die Infragestellung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel Klimaschutzmaßnahmen wie das Kyoto-Protokoll untergraben werden sollten. Mitglied in dem Team war die Vizepräsidentin von SEPP, Candace Crandall – zugleich die Frau von Fred Singer (internes Memo des American Petroleum Institute, Appendix C der Studie „Smoke, Mirrors & Hot Air“).
Die UCS-Studie bezeichnet die Strategie von ExxonMobil, scheinbar unabhängige Denkfabriken und Institute zu fördern, als „information laundering“ (Informationswäsche) und vergleicht sie mit den Versuchen der Tabakindustrie, die Gesundheitsgefahren des Rauchens und des Passivrauchens abzustreiten. Interessanterweise war Fred Singer bzw. SEPP auch an Studien bzw. Kampagnen beteiligt, die mit finanzieller Unterstützung der Tabakindustrie die amerikanische Umweltbehörde EPA in Frage stellen sollten.
Von all diesen Verbindungen erfahren die Zuschauerinnen und Zuschauer bei Report München nichts – obwohl Ederer seinen Experten Fred Singer ausführlich vorstellt:
„Im Brüsseler Europaparlament treffen wir einen der Hauptkritiker der Klimakatastrophenszenarien. Prof. Fred Singer. Einige seiner wissenschaftlichen Positionen: Dekan der Umweltwissenschaften der Universität Virginia, erster Direktor des Nationalen US-Wettersatelliten Services, Chef- Wissenschaftler amerikanischer Ministerien und Sachverständiger des Kongresses. In Brüssel spricht er vor britischen Abgeordneten. Er kommt gerade von einem Treffen mit der niederländischen Regierung. Im April war er vom Vatikan in Rom als Sachverständiger geladen. Im Juni in Berlin urteilte er über Al Gore`s Film: […]“
Ederer ist offensichtlich nur daran interessiert, Fred Singer als gefragten und anerkannten Experten zu schildern, und lässt alles andere unter den Tisch fallen. Den Zuschauerinnen und Zuschauern wird ein einseitiges Bild von Singer vorgespiegelt. Das ist umso erstaunlicher, weil der Beitrag von Ederer an anderer Stelle explizit die (teilweise) Finanzierung von Germanwatch durch die Münchner Rück-Stiftung thematisiert. Umso mehr wäre es seine Pflicht gewesen, auch auf die Verflechtungen von Herrn Singer hinzuweisen.
Dass Ederer über Singers Hintergrund und seine Verbindungen Bescheid wissen dürfte, zeigt auch das Bildmaterial des Beitrags. Fred Singers Aussage zum Film von Al Gore ist in Berlin in den Räumen des Instituts für Unternehmerische Freiheit aufgezeichnet – dort war er am 30. Mai zu einer Klimatagung des Europäischen Instituts für Klima & Energie (EIKE), des Instituts für Unternehmerische Freiheit (IUF) und von CFACT eingeladen. EIKE ist übrigens eine Neugründung, von der es bis jetzt weder eine Adresse noch Angaben über Mitarbeiter oder Finanzierung gibt. Bekannt sind nur die beiden Vorstandsmitglieder Wolfgang Müller vom IUF und Holger Thuß von CFACT Europe. IUF ist eine marktliberale Denkfabrik in Berlin, die sich weigert offenzulegen, von welchen Unternehmen sie Geld bekommt. CFACT war in dem oben erwähnten „Global Climate Science Team“ vertreten und erhielt von 1998 bis 2006 insgesamt 567.000 US$ von ExxonMobil.
ARD und Report München sollten deshalb zumindest eine Klarstellung auf der Webseite des Beitrags von Report München veröffentlichen. Außerdem sollten sie sicherstellen, dass weitere Beiträge von Günter Ederer journalistischen Standards entsprechen.
Inhaltliche Kritik an dem Beitrag gab es auch von Germanwatch. Die Organisation hat eine Stellungnahme vorgelegt, die wissenschaftliche Belege für die eigenen Aussagen zum Klimawandel liefert und Report München eine unsaubere Argumentationsweise vorwirft. Die Stellungnahme wendet sich auch gegen einen Artikel der Autoren Dirk Maxeiner und Michael Miersch in der Zeitung „Die Welt“, der ebenfalls die „Klimaexpedition“ von Germanwatch angriff.
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