Ein Nachtrag interessanter Medienberichte:
Atom-Betreiber halten Anteile an TÜV-Süd. TÜV kontrolliert Atomkraftwerke ++ US-Richter hält Aktien der Öl-Industrie – und Stoppt das Ölbohr-Moratorium ++ Alkoholbranche und Bundesministerium werben gemeinsam für Eigenverantwortung von Schwangeren ++ Schwarzer Freitag für Transparenz in Brüssel – Gericht erschwert Transparenz ++ Industrie sponsort Wettbewerb der EU-Kommission an Schulen ++
Atom-Betreiber besitzen Anteile an TÜV-Süd AG. TÜV-Süd AG überprüft Atomkraftwerke.
Das Politmagazin Kontraste hat in seiner letzten Sendung am 15.07. über die Verbindung von TÜV Süd und der Atomindustrie berichtet. Demnach sind unter anderem die Energiekonzerne E.ON,Vattenfall und EnBW Mitglieder im TÜV Süd e.V., der über zwei Drittel der Aktien der TÜV-Süd AG besitzt.
Die Verbindung ist brisant, weil der TÜV Süd für die „Prüfung“ der Atomkraftwerke zuständig ist und dessen Unabhängigkeit hier in Frage gestellt werde kann. Der Bericht ist auf der Webseite des RBB. einsehbar.
US-Richter kassiert Öl-Bohr-Stopp. Er besitzt Aktien der Ölindustrie
Der Stopp von Erkundungsbohrungen im Golf von Mexiko wird von einem Bundesrichter für ungültig erklärt – doch der ist nicht ganz frei von Interessenskonflikten.
Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verhängte Barack Obama am 27. Mai ein sechsmonatiges Moratorium der Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko. Einen Monat später, am 22. Juni, wurde der Beschluss der Regierung in New Orleans als „nicht ausreichend begründet“ bezeichnet und für unwirksam erklärt. Damit wurde einer Klage mehrerer Ölbohrunternehmen statt gegeben, die mit den „irreparablen wirtschaftlichen Schäden“ für diese Unternehmen begründet wurde.
Schäden hätte auch der vorsitzende Richter Martin Feldman gehabt. Der in den meisten Bundesstaaten der USA verpflichtende „Financial Disclosure Report“ belegt für 2008 die finanzielle Beteiligung Feldmans an 16 Unternehmen, die direkt oder indirekt von einem Stopp der Ölbohrungen und Einschränkungen der Aktivitäten der Ölindustrie im Allgemeinen betroffen wären. Darunter u.a. Hercules Offshore, ATP Oil & Gas und Halliburton – alle drei Firmen nehmen selbst Bohrungen im Golf von Mexiko vor und wären von dem Moratorium direkt betroffen. (Quelle: judicalwatch.org) Zwar ist keines der Klage führenden Unternehmen selber Teil von Feldmans Portfolio, dennoch bleibt ein klarer Interessenkonflikt.
Einen aus ihrer Sicht wohl sehr hübschen „Coup“ haben Teile der Alkohollobby gelandet, wie der Tagesspiegel am 7.Juli berichtete: Sowohl der Deutsche Brauerbund als auch der Alkohol-Großproduzent Pernod-Ricard führen derzeit öffentlichkeitswirksame Kampagnen durch, mit denen Mütter davon abgehalten werden sollen, während der Schwangerschaft Alkohol zu trinken – Alkoholgenuss in der Schwangerschaft kann zu schweren Behinderungen des Kindes führen. Dabei dürfen sich die beiden Akteure der Alkoholbranche mit höchsten Würden schmücken: „Testimonial“ für die Kampagne von Pernod-Ricard ist unter anderem die frisch gebackene Bundespräsidentengattin Bettina Wulff, Familienministerin Christina Schröder ist Schirmherrin für die Kampagne des Brauerbundes. Nicht nur, dass es nicht eben glaubwürdig ist, wenn die Alkoholbranche selbst für Eigenverantwortung beim Alkoholgenuss wirbt – bei der Vorstellung der Kampagne des Brauerbundes hat dieser auch ganz direkt deutlich gemacht, was sich die Alkohollobby mit diesem Einsatz erkaufen will: „Wir sehen keine Notwendigkeit in weiteren Verboten, sondern in der Stärkung der Aufklärung“, wie Wolfgang Burgard, Präsident des Deutschen Brauerbunds, verkünden durfte – Seit‘ an Seit‘ mit der Familienministerin. Klartext: Gerne machen wir ein paar schicke PR-Aktionen für mehr Eigenverantwortung beim Alkoholgenuss – aber bitte haltet uns dafür weitere gesetzliche Regelungen wie Kennzeichnungspflichten auf Bierflaschen vom Leib.
Schwarzer Freitag für die Transparenz in Brüssel
Der Europäische Gerichtshof hat mit einem Urteil Ende Juni den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen europäischen Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger erheblich erschwert, wie der EU-Observer berichtet. Schon bisher war es ein äußerst komplizierter Vorgang, beispielsweise die Namen von Teilnehmern gemeinsamer Sitzungen von Lobbyisten mit Kommissionsmitarbeitern bei der Kommission zu erfragen. Dabei sollte die entsprechende Verordnung von Mai 2001 gerade jedem Unionsbürger mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat ein Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rats und der Kommission ermöglichen und damit mehr Transparenz über die Arbeit der Brüsseler Bürokratie geben. Der Gerichtshof hat nun beschlossen, dass Antragsteller einen guten Grund angeben müssen, warum sie die Namen oder andere Informationen möchten. Andernfalls wird der Datenschutz höher gewertet als das öffentliche Interesse. Absurd, handelt es sich doch nicht um private Handlungen, sondern um die Arbeit der öffentlichen Verwaltung.
Industrie sponsort Wettbewerb der EU-Kommission
Die „Europäische Beobachtungsstelle für Marken- und Produktpiraterie“, ein Organ der EU-Kommission, veranstaltete dieses Jahr einen Wettbewerb, der nach Eigendarstellung „Jugendliche zwischen 10 und 15 Jahren für das Thema Produktpiraterie sensibilisieren sollte“. Schulen aus ganz Europa waren dazu aufgerufen, „eigene Ideen“ zum Thema in Bild- oder Videoform einzusenden.
Ganz offensichtlich ging es bei besagtem Wettbewerb weniger um eine ausgewogene Betrachtung des komplexen Themas, über dessen Beurteilung noch lange kein gesellschaftlicher Konsens erzielt wurde, sondern vielmehr um eine kostengünstige Werbemaßnahme verschiedener Medienfirmen. Auf einem Gewinnerbild wird zum Beispiel die Festnahme einer Raubkopie durch antropomorphe CDs dargestellt. Die Informationsmaterialien, die zusätzlich zur Einladung zum Wettbewerb auf der Seite der Beobachtungsstelle zur Verfügung gestellt werden, sind ausnahmslos unkritisch gegenüber derzeitigen Copyright-Gesetzen und stellen sie wie in diesem Comic (pdf) als einzige Grundlage für Einnahmen von Künstlern dar. Dass diese und andere Darstellungen der beteiligten Firmen – wie u.a. Disney – durchaus kontrovers diskutiert werden, bleibt ausgeblendet.
Dies ist bedauernswert, wäre doch gerade ein Wettbewerb im schulischen Kontext eine gute Möglichkeit, zu einer sachlichen gesellschaftlichen Debatte um das Copyright beizutragen. So scheint sich das Organ der Europäischen Kommission jedoch eher dazu entschlossen haben, die Ansichten der Industrie zu bündeln und an Kinder und Jugendliche weiter zu geben. Als Preise gab es Computerausrüstungen für die Schulen und Spielkonsolen zu gewinnen…
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