Seit Wochen ist die SPD in Marburg wegen einer Wahlkampfspende in Aufruhr. Angefangen hat alles mit einer vermeintlich einfachen Anfrage der Oberhessischen Presse (OP): sie fragte im Januar, wie der Kommunalwahlkampf Anfang 2011 finanziert wurde.
Das Thema wurde zusätzlich interessant, weil der Vorstandsvorsitzender der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG), Reinfried Pohl, der Stadt Marburg 4 Mio. € spenden wollte. In der Debatte über die Spende tauchte die Frage auf, ob auch die SPD Spenden aus dem DVAG-Umfeld erhalten hat. Die SPD in Marburg beantwortete die Frage nicht.
Anfang März konfrontierte die OP die Marburger SPD mit den Angaben eines Informanten, dass die SPD Ende 2010 15.000 € und Anfang 2011 vom gleichen Spender 40.000 € erhalten habe, also zur Zeit des Wahlkampfes. Der Fraktionsvorsitzende und ehemalige Parteivorsitzende der Marburger SPD, Steffen Rink, bestätigte nach einigem Hin und Her den Erhalt einer Spende über 15.000 €. Er weigerte sich aber, den Namen des Spenders zu nennen.
Lücken im Parteiengesetz
Bis heute ist der Spender nicht eindeutig geklärt – wegen einer Lücke im Parteiengesetz. Ist eine Spende höher als 10.000 € wird diese mit dem Spendernamen in den Rechenschaftsberichten der Parteien genannt. Was fehlt, ist jedoch der genaue Empfänger. Ob es sich dabei um einen Ortsverein in Niedersachsen, einen Unterbezirk in NRW oder die Bundespartei handelt, bleibt unbekannt. Die gezielte Förderung einzelner Abgeordneter und deren Wahlbezirke oder kommunale Landschaftspflege durch einzelne Firmen oder Verbände bleiben deshalb im Dunkeln.
Auf Anfrage der Oberhessischen Presse erklärten andere Großspender an die SPD mit Summen über 15.000 €, dass sie entweder an die Bundespartei oder die jeweiligen Landesparteien gespendet hätten. Wenn diese Angaben stimmen, bliebe tatsächlich die DVAG oder ihre Tochter Allfinanz als Spender übrig. Aber die SPD verweigert weiter die Auskunft.
Rolle der DVAG
Der Fall Marburg verdeutlicht exemplarisch die Bedeutung dieser Transparenzlücke. Zum einen handelt es sich bei 15.000 € für einen Kommunalwahlkampf nicht um eine Kleinigkeit. Zum anderen spielt Reinfried Pohl, der Vorstandsvorsitzende der DVAG und einer der möglichen Spender, in Marburg eine fragwürdige Rolle. Pohl tritt seit Jahren als Gönner und Investor in Marburg in Erscheinung und war zuletzt mit der Spende über 4 Mio. € an die Stadt Marburg aufgefallen. Laut Taz gehört „ihm inzwischen fast ein ganzes Viertel“ in der Stadt.
Eine Spende der DVAG an die Marburger SPD wäre auch interessant, weil das Unternehmen bundesweit vor allem durch Großspenden an CDU und FDP auffällt. 2010 spendete die DVAG inklusive ihrer Tochterunternehmen allein an die CDU 491.000 €. Die SPD hingegen erhielt erstmals 2009 eine Spende der DVAG in Höhe von 15.000 € und lag 2010 mit insgesamt 85.000 € deutlich hinter CDU und FDP. Es ist offensichtlich, dass sich die DVAG die Wahrung ihrer Interessen eher von Union und FDP erwartet. Damit wird das mögliche Problem für die Marburger SPD aber nicht kleiner, sondern eher größer. Wenn die Spende von der DVAG stammen sollte, kann man davon ausgehen, dass sie nicht wegen des politischen Programms der SPD geflossen ist. Sondern weil die SPD in Marburg die dominierende Kraft ist und den Oberbürgermeister stellt. Gerade weil sich hier die Frage nach kommunaler Landschaftspflege stellt, wäre Transparenz wichtig.
Reaktion der SPD Marburg: keine Auskunft
Wir haben bei der SPD in Marburg und auf Bundesebene sowie bei der DVAG unter anderem nachgefragt, ob es 2010 eine Spende von 15.000 € gegeben hat. Die SPD wollte diese Frage nicht beantworten und riet uns die DVAG zu fragen. Doch auch die DVAG wollte uns die Frage nicht beantworten und verwies ihrerseits auf die SPD.
Gegenüber den Medien berief sich die Marburger SPD bei ihrer Weigerung auf die Persönlichkeitsrechte Spenders. Allerdings wird der Name des Spenders ja in den Rechenschaftsberichten als Spender an die SPD aufgeführt. Es ist nur nicht klar, welche der Spenden über 15.000 € an die Marburger SPD ging. Unserer Einschätzung nach geht es also nicht um die Persönlichkeitsrechte des Spenders oder der Spenderin, sondern um die Offenheit der Marburger SPD. Auf unsere Nachfrage wollte sich die SPD Marburg aber nicht dazu äußern, auf welche rechtliche Grundlage sie sich bei ihrer Informationsverweigerung genau beruft.
Was tun!
Der Umgang mit den Parteispenden in Marburg macht deutlich, wie dringend mehr Transparenz geschaffen werden muss. Deswegen haben wir einen offenen Brief an Siegmar Gabriel und die Marburger SPD geschickt und sie aufgefordert, sich aktiv für mehr Transparenz einzusetzen und den Namen des Spenders zu nennen.
Weitere Informationen
- Ausführlicher Artikel zum Thema Parteispenden in der Lobbypedia.
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