Lobbyregister

EU ist zufrieden mit Transparenzregister – Wir nicht!

Diese Woche ist der erste Jahresbericht zur Evaluation des gemeinsamen Transparenzregisters von Kommission und Parlament erschienen. Der zuständige EU-Kommissar Maroš Šef?ovi? zeigte sich zufrieden mit dem ersten Jahr. Auch wir sehen ein paar Fortschritte gegenüber dem früheren Lobbyregister der Kommission. Messen wir Sefcoviv jedoch an seinen zur „Eröffnung“ des Registers gemachten Versprechungen,  ist das Ergebnis […]
von 29. November 2012

Bildschirmfoto-Transparency-RegisterDiese Woche ist der erste Jahresbericht zur Evaluation des gemeinsamen Transparenzregisters von Kommission und Parlament erschienen. Der zuständige EU-Kommissar Maroš Šef?ovi? zeigte sich zufrieden mit dem ersten Jahr. Auch wir sehen ein paar Fortschritte gegenüber dem früheren Lobbyregister der Kommission. Messen wir Sefcoviv jedoch an seinen zur „Eröffnung“ des Registers gemachten Versprechungen,  ist das Ergebnis bisher enttäuschend: Damals verpflichtete er sich auf das Ziel eines „de-facto verpflichtenden“ Registers mit umfassenden und zuverlässigen Informationen über Lobbyarbeit in der EU.

Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell klar: Das Register ist weder „de facto“ verpflichtend, noch hat sich die Zuverlässigkeit der dort präsentierten Informationen entscheidend verbessert.

Viele einflussreiche Unternehmen und Anwaltskanzleien bleiben dem Register fern

Für ein „de-facto-verpflichtendes“ Register fehlen viel zu viele mächtige Lobbyakteure in der EU. Beispielsweise haben sich deutsche Konzerne mit ihren Lobbybüros in Brüssel nach wie vor nicht eingetragen. Dazu gehören die Deutsche Bank, ThyssenKrupp oder die Metro Group. Auch internationale Konzerne mit einem Lobbybüro in Brüssel wie Apple oder Monsanto sind nach wie vor nicht registriert. Von der Deutschen Bank ist bekannt, dass sie äußerst aktiv die Interessen des Instituts „repräsentiert“, wie Ansgar Tietmeyer, Büroleiter der Brüsseler Niederlassung des Geldinstituts, es in einem Gespräch mit der ZEIT im Februar dieses Jahres nannte. Wieso die Deutsche Bank sich da eintragen solle, fragte Tietmeyer den Zeit-Journalisten. Der Eintrag sei schließlich freiwillig. Aber natürlich beobachte man das Register. Nebenbei erwähnte er noch, dass er in den parlamentarischen „Intergroups“ – interfraktionellen Gruppen, in denen sich Abgeordnete und Industrievertreter/innen regelmäßig treffen und austauschen, aktiv ist.  Die Kangaroo Group oder das Parliamentary Financial Services Forum sind beispielsweise solche Gruppen.

Auch Anwaltskanzleien bleiben dem Register weiterhin fern. Bisher finden sich im Register 43 eingetragene Anwaltskanzleien. Eine realistische Zahl stellt das in den Augen von LobbyControl nicht dar. Anwaltskanzleien spielen in der Brüsseler Lobbyszene eine wichtige Rolle. Mit ihrer juristischen Expertise haben sie es leichter als andere Akteure, in oft verwirrenden und kleinteiligen Debatten den Überblick zu behalten. Sie können ausformulierte Änderungsanträge im Namen ihrer Kunden an Abgeordnete geben, die diese dann ins Parlament einbringen.

Wenn sie doch eingetragen sind, sind in vielen Fällen die Angaben zu Kunden völlig unzureichend, wie etwa bei White & Case.  Immerhin, das gemeinsame Sekretariat von Kommission und Parlament betrachtet dies eindeutig als einen Regelverstoß und hat deshalb bereits zwei Kanzleien aus dem Register entfernt, unter anderem White & Case. Die Angestellten der Kanzlei dürfen nun keine Dauerzugangspässe für das Parlamentsgebäude mehr besitzen.  Dass es mit dem neuen Register nun einen solchen Sanktionsmechanismus gibt, ist ein echter Fortschritt. Jedoch lässt sich auch ohne Parlamentsausweis hervorragend Lobbyarbeit in Brüssel betreiben.

Daten nach wie vor fehlerhaft und unvollständig

Auch was die versprochenen umfassenden und zuverlässigen Daten betrifft, ist das Register bisher eine Enttäuschung. Zwar wurden einige Skurrilitäten wie etwa das Lobbybudget in Höhe von 35 Millionen Euro des US-Unternehmens Panavision inzwischen bereinigt. Dieses Budget hatte den amerikanischen Kameraausstatter ohne Lobbyniederlassung in Brüssel flugs zum Unternehmen mit den höchsten Lobbyausgaben gemacht. Das war wohl eher ein Versehen. Aber es gibt zahlreiche weitere Beispiele für unzureichende Daten. Dazu gehören die fehlenden Nennungen von Kunden durch Anwaltskanzleien und auch Lobbyagenturen, keine Angaben, auf welchen Themengebieten Lobbyarbeit betrieben wird, oder die Angabe offensichtlich zu geringer Lobbyausgaben. Ein Beispiel, über das sich CEO im September 2012 beim Sekretariat beschwert hat, ist „EuropaBio„. Diese einflussreiche Lobbyplattform schätzte bei einem Gesamtbudget von 1,3 Millionen Euro ihre Lobbykosten auf weniger als 50.000 Euro. Infolge der  Beschwerde hat EuropaBio ihre Kosten für Lobbyarbeit nun immerhin auf 200.000 bis 250.000 Euro erhöht.

Dalli-Skandal zeigt, dass das Register bisher nicht ernst genommen wird

Der Skandal um den ehemaligen Gesundheitskommissar John Dalli zeigt,  dass ein Register, in dem sich viele relevante Akteure gar nicht wiederfinden, nutzlos ist. Und es zeigt, wie wenig ein Register seinen Zweck erfüllt, wenn die Kommissare es nicht ernst nehmen und sich trotzdem unbeschwert mit nicht registrierten Lobbyisten treffen. Dies haben wir in der Vergangenheit nicht nur bei Dalli beobachtet. Für nächsten Sommer ist eine größere Überprüfung des Registers geplant, die auch die Frage berücksichtigen soll, ob der freiwillige Ansatz der richtige ist. LobbyControl wird gemeinsam mit dem europäischen Netzwerk ALTER-EU alles daran setzen, Kommission und Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das Register einen wirklichen Nutzen nur dann erbringt, wenn es verpflichtend ausgestaltet und mit ernstzunehmenden Sanktionen versehen wird.

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