Die abgewählte schwarz-gelbe Koalition hat beim Thema Lobbyismus und Demokratie viele Baustellen hinterlassen. Ein Blick in unsere Wahlprüfsteine zeigt: SPD und Grüne sind als potentielle Koalitionspartner in Sachen Lobbyregulierung deutlich fortschrittlicher als die FDP. Aber die Partei, die mehr Transparenz und Schranken für Lobbyisten am deutlichsten ablehnt, ist die Union. Insofern werden die Koalitionsverhandlungen an diesem Punkt spannend werden. Zudem gibt es internationalen Druck, der Fragen wie Abgeordnetenbestechung und Parteienfinanzierung nach der Wahl wieder auf die Tagesordnung setzen wird. Um diese Themen werden Merkel, Seehofer und ihre möglichen Koalitionspartner – am wahrscheinlichsten die SPD – daher nicht herumkommen:
Abgeordnetenbestechung
Die Verschärfung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung war eines der großen Streitthemen im Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode. SPD, Grüne und Linke ergriffen aus der Opposition heraus die Initiative und brachten eigene Gesetzesentwürfe ein. Schwarz-Gelb lehnte diese ab. Die Union zeigte keinen politischen Willen, zu einer Lösung zu kommen, obwohl Deutschland ohne ein besseres Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung die UN-Konvention gegen Korruption nicht ratifizieren kann. Die Konvention wurde noch von der damaligen rot-grünen Regierung unterschrieben.
Der Streit eskalierte, nachdem Schwarz-Gelb das Thema mehrmals vertagt hatten. Die SPD zwang in der letzten Bundestagssitzung vor der Sommerpause Schwarz-Gelb noch zu einer namentlichen Abstimmung über den SPD-Vorschlag. Da Union und FDP den SPD-Entwurf ablehnten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als mitten im Wahlkampf gegen ein schärferes Gesetz gegen Abgeordnetenkorruption zu stimmen.
In einer großen Koalition würden die Differenzen zwischen SPD und der Union nicht einfach verschwinden. Ein Blick auf die Wahlprogramme von Union und SPD zeigt: Während die SPD sich klar zu einer Umsetzung der UN-Konvention bekennt, geht die Union auf das Thema überhaupt nicht ein.
Doch nicht nur zwischen SPD und Union bestehen dabei Differenzen. Auch zwischen CSU und CDU herrscht keine Einigkeit. Horst Seehofer gab im Wahlkampf ein Interview, in dem er ankündigte, sich nach der Wahl für die UN-Konvention einsetzen zu wollen. Sicherlich musste die CSU im Wahlkampf mit ihrem Image als Amigo-Partei entgegentreten, man denke an die „Verwandtenaffäre“ im bayerischen Landtag. Seehofer muss nun zeigen, dass es sich bei seiner Ankündigung nicht nur um reines Wahlkampfgeplauder handelte. Und das heißt: Die Union muss sich endlich ernsthaft mit dem Thema Abgeordnetenkorruption auseinandersetzen und eigene Vorschläge zur Umsetzung der UN-Konvention vorlegen.
Deutschland ist neben Tschechien das einzige Land in der EU, das die UN-Konvention noch nicht umgesetzt hat. Weitere vier Jahre wird sich das Thema nicht aussitzen lassen. Hier ist auch Angela Merkel gefragt: Als Partei- und Regierungschefin muss sie sich für eine Umsetzung der UN-Konvention einsetzen.
Parteienfinanzierung
Auch bei diesem Thema gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen SPD und Union. Und auch hier steht Deutschland international in der Kritik. Verschwinden wird das Thema Transparenz bei der Parteienfinanzierung schon allein deswegen nicht, weil die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats, kurz GRECO, ein Mahnverfahren gegen Deutschland führt. GRECO dringt auf mehr Transparenz bei den Parteispenden, auch und insbesondere in Wahlkampfzeiten. Auch die Sponsoringeinnahmen der Parteien hält GRECO für nicht transparent genug.
Die Staatengruppe hat Reformen für mehr Transparenz bereits mehrmals angemahnt und die Bundesregierung zu Stellungnahmen aufgefordert. Zuletzt musste die Bundesregierung Ende Juli berichten, dass es – zum wiederholten Male – keine Fortschritte bei der Umsetzung der GRECO-Forderungen gab. Das Mahnverfahren läuft nach der Wahl weiter und GRECO wird gerade jetzt genau hinschauen, ob die neue Regierung die Forderungen ebenso kaltschnäuzig zurückweisen wird wie die alte. Im Herbst wird GRECO Deutschland erneut bewerten – und etwas anderes als eine erneute Mahnung ist angesichts des schwarz-gelben Stillstands nicht zu erwarten.
Der Blick auf die Wahlprogramme macht die Unterschiede zwischen SPD und Union besonders deutlich. Während die Union das Thema ignoriert, also die geltenden Regelungen für ausreichend hält, möchte die SPD zumindest das Parteiensponsoring transparenter machen. Ob die Union dort mit sich reden lässt, ist unklar. Angela Merkel forderte zwar bereits 2010 die Parteien auf, die Sponsoringregeln zu überprüfen. Passiert ist jedoch seit dem nichts. Man würde sich allerdings „einer zusätzlichen Vorschrift im Parteiengesetz […] nicht von vornherein verschließen, wenn es einen in der Praxis anwendbaren Vorschlag dazu gäbe“, antwortete die Union auf die Frage zum Sponsoring im Rahmen unserer Wahlprüfsteine. Hier könnte sich also im Falle einer großen Koalition etwas bewegen, wenn die SPD an ihrer bisherigen Haltung festhält.
Größer ist das Konfliktpotential bei den klassischen Parteispenden. Hier will die SPD eine Obergrenze von 100.000 Euro pro Spender und Jahr einführen. Die Union lehnt das klar ab.
Nebeneinkünfte
Die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten waren ebenfalls ein veritables Streitthema zwischen Schwarz-Gelb und Opposition in den vergangenen vier Jahren – nicht zuletzt auf Grund der umfangreichen Vortragstätigkeiten des SPD-Kanzlerkandidaten. Schwarz-Gelb forderte von Steinbrück umfassende Transparenz. Die SPD ergriff daraufhin die Flucht nach vorn und forderte ihrerseits Transparenz auf Euro und Cent und zwar von allen Abgeordneten. Dazu waren Union und FDP wiederum nicht bereit. Mit ihrer Mehrheit setzte die Koalition lediglich eine erweiterte Stufenregelung durch.
Statt bisher in drei müssen Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte künftig in zehn Stufen offenlegen. Die Öffentlichkeit erfährt künftig mehr über die Größenordnung der Einkünfte. Bisher blieb es vollständig unklar, ob ein Abgeordneter 7.500 Euro oder 75.000 Euro nebenbei verdiente.
Wichtig ist nun, dass diese Neuregelung auch tatsächlich für den neuen Bundetag umgesetzt wird. Außerdem gibt es weiter Transparenzlücken bei Anwälten und Vorträgen, die über Redneragenturen vermittelt werden. Kommt es zu einer großen Koalition, könnte das Thema erneut für Streit sorgen. Interessant ist, dass sich auch die oben genannte GRECO des Themas annehmen möchte. Im Laufe der Legislaturperiode dürfte daher wieder viel über Abgeordnete und ihre Nebenverdienste diskutiert werden.
Weitere Differenzen zwischen den potentiellen Koalitionspartnern
Auch in anderen Feldern der Lobbyregulierung liegen SPD und Union weit auseinander. Die SPD möchte laut Wahlprogramm ein verpflichtendes Lobbyregister. Die Union nicht. Die SPD möchte eine Abkühlphase für ausscheidende Regierungsmitglieder nach EU-Vorbild. Die Union lehnt das ab. Die SPD möchte mehr Transparenz bei den extern Beschäftigten in der Bundesverwaltung. Für die Union kein Thema.
Fazit
In kaum einem anderen Politikfeld liegen die potentiellen Koalitionspartner so weit auseinander wie bei der Regulierung des Lobbyismus. Grüne und Linke haben in den meisten Bereichen Forderungen, die über die der SPD hinausgehen. Die spannende Frage im Falle einer großen Koalition ist daher: Wird die Union ihre bisherige Blockade beim Thema Lobbyismus fortsetzen? Wird die SPD ihre im Regierungsprogramm bekräftigten Forderungen nach mehr Transparenz und Schranken für den Lobbyismus in den Koalitionsverhandlungen stark machen oder leichtfertig nachgeben, wenn die Union blockiert?
Damit das Thema Lobbyismus und Transparenz bei den Koalitionsverhandlungen nicht still und leise in der Schublade verschwindet, wollen wir den verhandelnden Parteien tausende Unterschriften und Botschaften von Unterstützern unserer Kampagne „Meine Stimme gegen Lobbyismus – Für Demokratie“ überreichen. Bis es soweit ist, können Sie unterschreiben oder auch eine persönliche Botschaft an die nächste Bundesregierung formulieren. Je mehr Leute sich beteiligen, desto stärker das Signal an die verhandelnden Parteien. Machen Sie mit!
www.lobbycontrol.de/aktionmeinestimme
Unsere Pressemitteilung zur Wahl finden Sie hier.
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