Heute entscheiden EU-Parlament und EU-Kommission über die Zukunft der Lobbytransparenz in Europa: In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe legen sie Vorschläge zur Verbesserung des EU-Lobbyregisters vor. Zentral ist natürlich die Frage: Wird das Register endlich verpflichtend? Wir haben zusammen mit unserem europäischen Netzwerk ALTER-EU in kurzer Zeit über 10.000 Stimmen für ein verpflichtendes Lobbyregister gesammelt. Vor der zentralen Sitzung haben wir sie heute einem Vertreter der Gruppe überreicht. Vielen Dank an alle, die diese Aktion unterstützt haben!
Diese Gelegenheit wird so schnell nicht wiederkommen: Das ganze Jahr über haben Parlament und Kommission beraten, ob und welche Verbesserungen am gemeinsamen Transparenzregister vorgenommen werden sollen. Dabei wurden auch interessierte Gruppen wie Alter-EU, aber auch die professionellen Vertretungen von Lobbyagenturen und Rechtsanwälten gehört. Diesen Überprüfungsprozess hatten Parlament und Kommission mit der Einführung des Registers beschlossen. Heute trifft die gemeinsame Arbeitsgruppe ihre Entscheidungen, die dann an Parlament und Kommission zum Beschluss weitergereicht werden.
Erfreuliches Update: Mehr Mitglieder der Arbeitsgruppe als erwartet haben am Mittwoch klar zum Ausdruck gebracht, dass sie den Übergang zu einem verpflichtenden Lobbyregister wünschen. Überraschend war hier vor allem, dass sich die Abgeordnete der Sozialdemokraten klar für den verpflichtenden Charakter ausgesprochen hat. Diese neue Wendung hat gerade den zuständigen Kommissar Maroš Šef?ovi? offensichtlich kalt erwischt – es ist bekannt, dass er das verpflichtende Register ablehnt. Nach unseren Informationen argumentierte er teilweise sehr emotional dagegen. Die endgültige Entscheidung soll nun bei zwei weiteren Treffen am 2.12. und am 12.12. fallen.
Sollten sich am Ende wirklich genug Abgeordnete für ein verpflichtendes Register aussprechen, wird das Parlament die Kommission auffordern, den Gesetzgebungsprozess für ein verpflichtendes Register zu starten. Das würde sich lange hinziehen, denn der vorgeschlagene Weg bedürfte der Einstimmigkeit der 28 nationalen Regierungen. Daher sollen zugleich weitere Maßnahmen beschlossen werden, um das Register zu verbessern. Dieser kleine Lichtblick ist schon ein echter Erfolg für unsere Arbeit – und für Ihre Beteiligung! Wir werden nun alles daran setzen, dass sich ausreichend Abgeordnete für ein verpflichtendes Register aussprechen und in der Zwischenzeit sinnvolle Verbesserungen am bestehenden Register vornehmen.
Klares Votum von Parlament und Zivilgesellschaft für verpflichtende Lobbytransparenz
Das Europäische Parlament hatte bereits im Mai 2011 für den Übergang zu einem verpflichtenden Lobbyregister gestimmt. Mehr als zwei Jahre später sind immer noch keine Schritte in diese Richtung unternommen worden. Es wäre die Aufgabe aller Abgeordneten in der Arbeitsgruppe, sich klar für die Umsetzung dieses Votums einzusetzen. Ob dies wirklich geschieht, ist unklar. Nicht viel dringt aus der Arbeitsgruppe nach draußen. Das wenige, was wir hören, stimmt uns eher skeptisch.
Angenommen hat die Petition allein Martin Ehrenhauser, ein fraktionsloser Abgeordneter aus Österreich. Das ist bereits ein klarer Hinweis auf das fehlende Engagement der anderen beteiligten Abgeordneten in Sachen Transparenz. Er sagte bei der Übergabe, er schätze die Wahrscheinlichkeit, dass für ein verpflichtendes Lobbyregister entschieden werde, eher gering ein, denn er vermute keine Mehrheit dafür in der Gruppe. Er hoffe aber, dass zumindest stärkere Anreize zur Registrierung aufgenommen werden – zum Beispiel, den Zugang zu bestimmten Gremien wie EU-Expertengruppen nur noch registrierten Akteuren zu gestatten.
Wir geben den Abgeordneten heute mit: Die Bürgerinnen und Bürger in Europa wollen echte Lobbytransparenz. Das zeigt der Erfolg der Aktion mit mehr als 10.000 Unterschriften. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS in sechs Staaten sprachen sich zudem 80 Prozent der Teilnehmer für ein Pflichtregister aus.
Vorsitzender Wieland nimmt Unterschriften nicht an
Die Online-Petition richtet sich stellvertretend für die Abgeordneten an ihren Vorsitzenden Rainer Wieland. Er ist zugleich Vizepräsident des Europäischen Parlaments und in diesem Amt zuständig für Transparenzfragen. Anfang November berichtete Spiegel Online, dass Wieland allerdings möglicherweise selbst einen Interessenkonflikt haben könnte. Er ist Partner in der Anwaltskanzlei Theumer, Wieland & Weisenburger, die neben ihrem Hauptsitz in Stuttgart auch eine Dependance in Brüssel ausweist. Und Wieland wird auf der Seite der Kanzlei als Experte für EU-Recht genannt. Zwar sagt Wieland, dass seine Kanzlei keine Lobbyarbeit betreibe und er selber auch nicht operativ in der Kanzlei tätig sei. Dennoch hätte er die Existenz dieses Büros zumindest gegenüber dem Parlamentspräsidenten und den Mitgliedern der Arbeitsgruppe transparent machen müssen. Denn im Grunde ist er in der Frage, ob Anwaltskanzleien sich ins Lobbyregister eintragen müssen, befangen. Und so etwas muss laut Verhaltenskodex des Europäischen Parlaments angezeigt werden.
Die Grünen haben gefordert, dass Wieland seinen Vorsitz in der Arbeitsgruppe abgeben muss und eine Beschwerde bei Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, eingereicht. Aufgrund dieser bestehenden Beschwerde wollte Wieland die Unterschriften nicht annehmen. Es sei unangemessen, in dieser Situation in diesem Amt öffentlich aufzutreten. Den Vorsitz wird er allerdings behalten – Martin Schulz hat ihm bereits signalisiert, dass er weitermachen soll.
Nach wie vor profitieren einflussreiche Akteure von Intransparenz
Die Abgeordneten entscheiden heute und in den kommenden Wochen über die grundlegenden Fragen:
- Müssen die Lobbyakteure endlich aktuelle Daten angeben? Bisher sind die Zahlen zur Lobbyarbeit oft zwei bis drei Jahre alt und damit relativ nutzlos.
- Müssen sie endlich angeben, zu welchen politischen Initiativen sie konkret Lobbyarbeit betreiben? Bisher ist es nicht möglich, im Register nachzusehen, wer alles beispielsweise zum Freihandelsabkommen Lobbyarbeit betreibt, weil nur wenige diese konkreten Angaben machen.
- Wird es endlich einen klaren Verhaltenskodex geben, den die Institutionen auch durchsetzen? Uns ist kein Fall bekannt, indem ein Lobbyist für Verhalten wider den Kodex tatsächlich sanktioniert worden wäre.
- Wird das Lobbyregister endlich verpflichtend? Nach wie vor betreiben zahlreiche Unternehmen, darunter multinationale Konzerne wie Amazon und Goldman Sachs, ihre Lobbyarbeit in Brüssel im Verborgenen, und das mit Erfolg! Sie treffen sich mit EU-Kommissaren, bringen Änderungsanträge ins Parlament ein und bleiben doch für die Öffentlichkeit unsichtbar: Denn ins Lobbyregister tragen sie sich nicht ein. Auch Anwaltskanzleien sind ein echtes Problem: Sie betreiben im großen Stil Lobbyarbeit, heuern hochrangige Kommissionsmitarbeiter/innen an – und begründen ihr Fernbleiben vom Lobbyregister mit dem Vertrauensschutz für ihre Kunden.
Diese Beispiele zeigen: Intransparente Lobbyarbeit muss endlich ein Ende haben.
Weitere Informationen:
- Wie läuft der Lobbyismus in Brüssel? Einen anschaulichen Einstieg bietet unser lobbykritischer „Stadtführer“, der LobbyPlanet Brüssel.
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