Unternehmen sollen zukünftig früher und umfassender Zugriff auf den europäischen Gesetzgebungsprozess bekommen – zumindest dann, wenn das transatlantische Freihandelsabkommen wie von der Unternehmenslobby gewünscht umgesetzt wird. Das zeigt eine Analyse unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) in Brüssel. Grundlage war ein Papier der EU-Kommission, das an die Öffentlichkeit gelangt war und neue Gesetzgebungsprozesse im Rahmen des Freihandelsvertrages vorschlägt. Die Analyse zeigt vor allem zwei Dinge: Den großen Einfluss der Unternehmenslobby auf die derzeit in den USA stattfindenden Verhandlungen und die mit dem Abkommen verbundenen Gefahren für die Demokratie.
Papier zu regulatorischer Kooperation geleakt
Das Papier der EU-Kommission behandelt das Thema „regulatorische Kooperation“. Das klingt zunächst einmal vielversprechend. Dahinter verbirgt sich allerdings die fragwürdige Idee, die Erarbeitung von Gesetzen und Regulierungen in der EU zu ändern. Demnach hätten die US-Regierung und Unternehmen in Zukunft umfassende Möglichkeiten auf Gesetzgebungsverfahren Einfluss zu nehmen – lange bevor Parlamente entsprechende Dokumente überhaupt zu Gesicht bekämen.
„Regulatorische Kooperation“ steht für die Einführung von sogenannten Konsultationsprozessen, die neuen Gesetzesinitiativen vorausgehen. Das bedeutet, dass bestimmte Akteure frühzeitig am Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden, in dem sie Eingaben machen können. Im geleakten Text ist zwar bei diesen Konsultationen von einem Austausch mit allen „stakeholdern“ die Rede, also mit allen beteiligten oder interessierten Akteuren. Wer aber die Kräfteverhältnisse im Brüsseler Lobbydschungel kennt, der kennt die große Gefahr, dass hier Unternehmensinteressen und der Einfluss der USA dominieren werden.
Indiz für den Einfluss der Wirtschaftsverbände
Ähnliche Möglichkeiten der Einflussnahme hatten bereits der Dachverband der europäischen Wirtschaftsverbände BusinessEurope und die US-Handelskammer im Herbst 2012 eingefordert. Dass diese Ideen nun bei der Freihandelsverhandlungen wieder auftauchen, deutet zum einen den großen Einfluss der Unternehmenslobby auf die Verhandlungen an. Es weist aber auch darauf hin, dass vom Freihandelsabkommen selbst größere Gefahren für die Demokratie in Europa und den USA ausgehen könnten. Denn wenn sich die Weihnachtswünsche der Lobbyisten tatsächlich erfüllen und „regulatorische Kooperation“ ein fester Bestandteil der EU-Gesetzgebung würde, dann können Unternehmenslobbyisten noch mehr Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren bekommen als ohnehin schon.
Weitere Informationen
- Zum Vorschlag von BusinessEurope und der US-Handelskammer zu „regulatorischer Kooperation“ siehe die New York Times vom Oktober.
- Der geleakte Vorschlag der Kommission (pdf)
- Die Analyse von CEO dazu
- Ein lesenswerter Artikel in der Zeit: Extrarechte für Multis. Das Handelsabkommen mit Amerika soll US-Investoren besonders schützen – sogar vor deutschen Gesetzen.
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