Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat vor kurzem seinen neuen Außenwirtschafts-Report veröffentlicht. Ein guter Anlass, einen Blick auf die Positionen des einflussreichsten deutschen Industrieverbands zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) zu werfen. Ob Transparenz oder Investitionsschutz: Für den BDI laufen die derzeitigen Verhandlungen in die richtige Richtung, so die Hauptaussage des Reports und anderer Publikationen des BDI zum Thema. Kritik hat der BDI dagegen für diejenigen übrig, die TTIP skeptisch gegenüber stehen: Den Vorwürfen der TTIP-Kritiker fehle oftmals „eine fundierte Basis“.
Ausnahmsweise Transparenz
Dass die TTIP-Verhandlungen mehr Transparenz brauchen, hat allerdings auch der BDI mittlerweile einsehen müssen. Das mag eine Reaktion auf die breite öffentliche Kritik sein. Die Forderung nach mehr Transparenz stellt der BDI nämlich erst seit Mai. Zuvor hatte der Verband offenbar keine Probleme mit den Geheimverhandlungen.
Dementsprechend fällt die Begründung für mehr Transparenz fragwürdig aus: Weil die Bevölkerung nicht ausreichend über die Sachlage informiert sei und deshalb misstrauischer werde, solle man mehr Informationen zur Verfügung stellen. Transparenz ist für den BDI offensichtlich erst dann wichtig, wenn Misstrauen und Protest wachsen. Dabei wäre gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Handelspolitik ein hohes Maß Transparenz von Anfang an richtig und im Sinne demokratischer Grundsätze notwendig gewesen.
Der BDI stellt mehr Transparenz dagegen als ein großes Zugeständnis dar. Es sei „in internationalen Verhandlungen üblich, nicht alle Verhandlungsdokumente offenzulegen.“ Für eine transparentere Verhandlungsweise auf internationaler Ebene gibt es allerdings zahlreiche Beispiele. Sowohl bei den UN-Klimaverhandlungen als auch den WTO-Verhandlungen gibt es mehr Einsicht . Wir fordern deshalb grundlegend mehr Transparenz in der europäischen Handelspolitik.
Schiedsgerichte effizienter und schneller – und undemokratischer
Auch Konzernklagerechte befürwortet der BDI weitgehend. Dass EU-Staaten befürchten müssen, für die Einführung oder Ausweitung sozial- oder umweltpolitischer Regulierungen von Investoren auf Milliardensummen verklagt zu werden, hält der BDI für unbegründet.
Ein zentrales Argument des BDI für den Investitionsschutz ist, dass dieser nichts Neues sei und Deutschland bereits über viele Investitionsschutzabkommen verfüge. Das stimmt. Deutschland hat seit den 1950er Jahren bereits über 130 Investitionsschutzabkommen mit anderen Staaten abgeschlossen und gehörte zu den Mitinitiatoren des Investitionsschutzes. Allerdings zeigen sich auch in Deutschland die zum Teil abstrusen Folgen dieser Abkommen.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verklagt aktuell den deutschen Staat wegen des Atomausstiegs. Vattenfall fordert 4 Milliarden Euro Schadensersatz dafür, dass sich die deutsche Bundesregierung im Einklang mit der Mehrheit der deutschen Bevölkerung für eine andere Energiepolitik entschieden hat.
Der BDI schlägt eine Reform der bisherigen Investitionsschutzregeln bei TTIP vor: „Ein Kapitel zum Investitionsschutz in TTIP sollte somit nicht pauschal abgelehnt werden. Vielmehr geht es darum, bestehende Instrumente zum Investitionsschutz zu überprüfen und gegebenenfalls zu reformieren.“ Die Reformvorschläge umfassen im Wesentlichen mehr Transparenz, Schutzmechanismen gegen unseriöse Klagen und Ausnahmen bei Regulierungen, die im öffentlichen Interesse sind. Eine solche Reformagenda ist durchaus begrüßenswert, weil sie vorhandene Defizite bei Investor-Staat-Schiedsverfahren aufgreift. Dass außerstaatliche Schiedsgerichte bei transatlantischen Investionen überflüssig sein könnten, weil die Rechtssysteme in der EU wie in den USA funktionieren, kommt dem Industrieverband allerdings nicht in den Sinn.
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk Anfang Mai konnte der BDI-Vorsitzende Ulrich Grillo nicht plausibel begründen, warum eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit wie bei TTIP geplant notwendig ist. Trotz mehrfacher Nachfragen des Journalisten verwies Grillo lediglich darauf, dass internationale Schiedsgerichte weitaus effizienter und schneller als nationale Gerichte seien. Effizienter und schneller mögen die geheim tagenden Schiedsgerichte sein. Aber sollten das die relevanten Kriterien sein? Die nationale Gerichtsbarkeit mit diesem Argument pauschal abzuqualifizieren, schädigt aus unserer Sicht die Demokratie.
Wir bleiben wachsam bei TTIP
Wir werden die Aktivitäten von Lobbygruppen rund um TTIP weiter beobachten und demokratieschädliche Positionen – wie die des BDI – kritisieren. Auch bei der nächsten TTIP-Verhandlungsrunde Mitte Juli in Brüssel werden wir vor Ort sein.
Weitere Infos:
- Der Außenwirtschaftsreport 1/2014 des BDI
- BDI Positionspapier zu TTIP
- Positionspapier des BDI zum Schutz europäischer Investitionen im Ausland
- Pressemitteilung des BDI zum Positionspapier zum Schutz europäischer Investitionen im Ausland
- BDI-Chef Ulrich Grillo im Deutschlandfunk zu TTIP
- Pressemitteilung des BDI zu TTIP vom Oktober 2013
Beitragsfoto: Rudolf Simon ; Foto: Ulrich Grillo 2; Lizenz: CC BY-SA 3.0.
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