Seitenwechsel

Allianz holt Ex-Versicherungsregulierer als Lobbyisten

Nach Ex-Gesundheitsminister Bahr wechselt erneut ein erfahrener Politiker zur Allianz: Der ehemalige britische Europaparlamentarier Peter Skinner wird Lobbyist bei der Allianz SE. Zwanzig Jahre war Skinner EU-Abgeordneter und dort federführend an der europäischen Regulierung des Versicherungswesens beteiligt. Skinner baute zudem im Rahmen seiner Tätigkeit als Parlamentarier ein globales Netzwerk an Kontakten auf. Es ist enttäuschend, dass die Allianz nun Skinner als Lobbyisten einstellen will. Und es ist inakzeptabel, dass sich Skinner darauf einlässt.
von 25. November 2014

Nach Ex-Gesundheitsminister Bahr wechselt erneut ein erfahrener Politiker zur Allianz: Der ehemalige britische Europaparlamentarier Peter Skinner wird Lobbyist bei der Allianz SE. Zwanzig Jahre war Skinner EU-Abgeordneter und dort vor allen Dingen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) tätig. Er war federführend an der europäischen Regulierung des Versicherungswesens beteiligt. Skinner baute zudem im Rahmen seiner Tätigkeit als Parlamentarier ein globales Netzwerk an Kontakten – insbesondere zu US-Politikern – auf. Es ist enttäuschend, dass die Allianz nun Skinner als Lobbyisten einstellen will. Und es ist inakzeptabel, dass sich Skinner darauf einlässt.

Skinner federführend bei Regulierung von Versicherungen

Ex-Europarlamentarier und Versicherungsregulierer Peter Skinner

Ex-Europarlamentarier und Versicherungsregulierer Peter Skinner

Peter Skinner ist Politiker der britischen Sozialdemokraten (Labour Party) und war von 1994 bis 2014 Abgeordneter im europäischen Parlament. Dort war er über 15 Jahre Mitglied im ECON und somit maßgeblich beteiligt an Gesetzgebungsprozessen zur Regulierung der Finanzmärkte – insbesondere auch des Versicherungswesens. So war Skinner federführend bei der sogenannten Solvency-II-Richtlinie, die unter anderem die Mindestkapitalanforderung von Versicherungsunternehmen und deren Risikomanagement regelt. Noch im März 2014 kritisierte der Grüne Europarlamentsabgeordnete Sven Giegold Skinner in diesem Zusammenhang und bezeichnete ihn als „engste[n] Verbündeten der Versicherungslobby.“

Zudem war Skinner parlamentarischer Berichterstatter für die Errichtung der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA). Die Behörde wurde im Rahmen der Eurokrise geschaffen und ist Teil des Europäischen Finanzaufsichtssystems ESFS. Der Interessenkonflikt könnte also deutlicher nicht sein: Skinner wechselt nun in genau die Branche, für die er jahrelang die Rahmenbedingungen mit geschaffen hatte. Und das nur wenige Monate nach seinem Abtritt als Abgeordneter.

Skinners ausgezeichnetes transatlantisches Netzwerk

Skinner wird nun die Allianz „bei globalen Regulierungsthemen, insbesondere dem Klimaschutz, internationalen Finanzstandards sowie europäischen und transatlantischen Fragestellungen beraten“. Gerade auch zu letzterem bringt Skinner viel Wissen und Beziehungen mit: Zwischen 1999 und 2014 war er Mitglied der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehung zu den USA. Diese Delegation pflegt enge Kontakte zu US-Kongressabgeordneten. Als parlamentarischer Berater des Transatlantic Economic Council, einem transatlantischen Gremium aus US- und EU-Vertretern, war Skinner zudem direkt an den TTIP-Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen beteiligt.

Er war außerdem Mitglied im Parlamentsausschuss des Transatlantic Policy Network (TPN), einer Lobbyorganisation großer europäischer und US-amerikanischer Unternehmen, wirtschaftsnaher Netzwerke und Politikern. Ehrenpräsident des TPN ist Peter Sutherland, Aufsichtsratsmitglied der Allianz. Darüber hinaus war Skinner Mitglied im einflussreichen Think-Tank Atlantic Council und pflegte im Rahmen der Arbeitsgruppe Finanzdienstleistungen enge Kontakte zu hohen US-Beamten und Kongressabgeordneten. Sowohl das TPN als auch das Atlantic Council setzen sich für den Freihandel und ein umfassendes TTIP-Abkommen ein. Skinner war außerdem seit 2004 im Vorstand des European Parliamentary Financial Services Forum, das sich aus EU-Parlamentariern und Vertretern der Finanzindustrie zusammensetzt und deren Austausch fördern soll. Skinner hat sich damit über Jahre in der Finanzpolitik profiliert und sich in einem mächtigen transatlantischen Netzwerk etabliert. Die Allianz wird nun nicht nur von seiner Expertise, sondern auch von seinen politischen Kontakten profitieren.

Allianz verordnet Skinner interne Abkühlphase

Der Fall Skinner stellt den dritten Wechsel von der Politik zur Allianzgruppe innerhalb kürzester Zeit dar: Bereits im September wechselte Ex-Gesundheitsminster Bahr zur Allianz Private Krankenversicherung. Die ehemalige Staatssekretärin Birgit Grundmann bekam den neu geschaffenen Posten als Cheflobbyistin der Allianz Deutschland AG.

Gegenüber LobbyControl sagte die Allianz, Skinners Kompetenzen in europäischer Versicherungsregulierung seien für das Unternehmen wichtig. Mit ihm sei trotzdem vereinbart worden, dass er ein Jahr lang keinen Kontakt zur EU-Kommission oder dem EU-Parlament aufnehmen darf. In Zukunft solle diese freiwillige Abkühlphase für alle ehemaligen Politiker/-innen gelten, die die Allianz als Lobbyisten anwerbe. Skinner werde sich im ersten Jahr auf das „transatlantische Feld“ konzentrieren. Eines der möglichen Themen sei dabei das geplante transatlantische Handelsabkommen TTIP. Seine gute transatlantische Vernetzung sowie sein guter Ruf seien die ausschlaggebenden Gründe gewesen, ihn zu engagieren. Die Überlegung für eine Zusammenarbeit mit dem britischen Politiker sei erst relativ spät entstanden, nämlich nachdem dieser im Mai 2014 seine eigene Beratungsfirma ACEON limited gegründet hatte.

Allianz sollte auf Skinner verzichten

Dennoch: Der offensichtliche Interessenkonflikt kann nicht so einfach aus dem Weg geräumt werden. Den Beteiligten müsste klar sein, dass der Seitenwechsel eines langjährigen EU-Finanzpolitikers zu einem der weltweit größten Finanzunternehmen Misstrauen hervorruft. Wie schon der Wechsel der EU-Parlamentariern und Finanzmarktreguliererin Sharon Bowles zur Finanzlobby befeuert Skinner die Skepsis der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Europäischen Union. Sein schneller Wechsel in die Versicherungsbranche nur wenige Monate nach seiner Amtszeit ist inakzeptabel: Skinner schadet damit dem Ruf der EU. Die Allianz hat zwar mit ihrer internen Karenzzeit einen ersten, positiven Schritt gemacht. Aber die freiwillige Karenzregelung bleibt lückenhaft: Denn sie gilt nur für die EU-Institutionen, nicht aber für Skinners zahlreiche Kontakte in die US-Politik. Diese hat sich Skinner aber auch durch sein Mandat als Europaabgeordneter erworben. Die Allianz wird also trotz interner Karenzzeit gezielt politische Insiderkontakte nutzen. Sie sollte deshalb die Anstellung des einflussreichen Versicherungsregulierers überdenken.

Weitere Infos:

Unsere Pressemitteilung zum Wechsel von Skinner zur Allianz

Bildquelle: Foto-AG Gymnasium Melle; Foto: Peter Skinner 2014; Lizenz: CC BY-SA 3.0

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