Handelspolitik

TTIP-Konferenz: Lobbyisten kaufen sich Kontakt zur Politik

Eine besonders zynische Form des Lobbying bei den TTIP-Verhandlungen betreibt der „Event-Organiser“ Forum Europe. Von Unternehmen gesponserte Konferenzen werden zum Versammlungs- und Austauschort für Lobbyisten und Politiker.
von 10. Februar 2015

Eine besonders zynische Form des Lobbying bei den TTIP-Verhandlungen betreibt der „Event-Organiser“ Forum Europe. Von Unternehmen gesponserte Konferenzen werden zum Versammlungs- und Austauschort für Lobbyisten und Politiker. Ein kritischer Bericht von der Forum Europe TTIP-Konferenz während der 8. Verhandlungsrunde.

Cecilia Malmström bei der TTIP-Konferenz von Forum Europe

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström bei der TTIP-Konferenz von Forum Europe

Das Geschäftsmodell: Sichtbarkeit gegen Sponsoring

Zunächst ein allgemeiner Hinweis zum Geschäftsmodell von Forum Europe. Seit Ende der 1980er Jahre organisiert Forum Europe Events zu zentralen EU-Politikprozessen. Finanziert werden diese vor allem dadurch, dass Unternehmen als Sponsoren dieser Events auftreten. Im Gegenzug wird Unternehmen Sichtbarkeit auf den Konferenzen geboten.

So kann man sich beispielsweise einen Platz auf dem Podium, eine Platzierung des Logos auf dem Hauptbanner der Konferenz, eine Seite Werbung im Konferenzprogramm oder weitere Formen der Sichtbarkeit als sogenannter „plenary session sponsor“ erkaufen. Und das für schlappe 10.000 Euro. Auch günstigere Sponsoringpakete werden von Forum Europe angeboten, so die „Refreshment“-Option. Sie kostet nur 3.000 Euro und soll die Sichtbarkeit der Unternehmensmarke während der Kaffeepausen gewährleisten.

Insgesamt ist das ein zynisches Geschäftsmodell, bei dem Unternehmen für vergleichbar wenig Geld mit politischen Entscheidungsträgern zusammenkommen und sich austauschen. Dazu geben sich leider viele Vertreter aus der Politik her.

Die TTIP-Konferenz während der 8. Verhandlungsrunde

Sowohl im Hintergrund durch Werbebanner als auch durch die Besetzung der Podien wurden die Hauptsponsoren der TTIP-Konferenz sichtbar.

Sowohl im Hintergrund durch Werbebanner als auch durch die Besetzung der Podien wurden die Hauptsponsoren der TTIP-Konferenz sichtbar.

Die Gelegenheit der TTIP-Verhandlungsrunde in Brüssel vergangene Woche machte sich auch Forum Europe zunutze. Denn wann sonst sind die US-Verhandler und zusätzliche Lobbyisten aus den Nationalstaaten ebenfalls vor Ort? So kamen im Brüsseler Management Center wichtige Verhandlungsführer von US- und EU-Seite zusammen – inklusive der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström – um mit der Business Community ins Gespräch zu kommen.

Zentrale Sponsoren der Konferenz waren die Anwaltskanzlei Sidley Austin, der Pharmakonzern Pfizer, der Softwareunternehmerverband BSA und der Computerindustrie-Verband CCIA. Alle vier Akteure verbindet ein besonders starkes Interesse an den TTIP-Verhandlungen. So ist Sidley Austin an zahlreichen Schiedsgerichtsverfahren weltweit beteiligt und deshalb stark an Konzernklagerechten in den TTIP-Verhandlungen interessiert. Pfizer mobilisiert für eines der zentralen Themen der 8. Verhandlungsrunde, die regulatorische Zusammenarbeit. Und die Computer -und Softwareindustrie kämpft dafür, dass auch Fragen der Digitalwirtschaft im Rahmen von TTIP eine Rolle spielen.

Politische Diskussionskultur?

Eine wirklich kontroverse politische Diskussion fand auf der Konferenz nicht statt. Man war sich ziemlich schnell einig, dass nur ein ambitioniertes TTIP-Abkommen inklusive Schiedsgerichtsbarkeit und umfassender regulatorischer Zusammenarbeit das Ziel sein kann. Unsere kritische Analyse zu regulatorischer Zusammenarbeit im TTIP-Abkommen finden Sie hier.

Und selbstverständlich beteuerten alle Anwesenden, dass es über TTIP niemals zur Senkung von Verbraucher- und Sozialstandards käme. Zudem seien die neuen Transparenzmaßnahmen unglaublich umfassend. Da waren sich Business Community und Repräsentanten der Kommission ausnahmslos einig.

Auf dem Foto sehen Sie die einsame Vertreterin der Zivilgesellschaft Monique Goyens von der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC.

Auf dem Foto sehen Sie die einsame Vertreterin der Zivilgesellschaft Monique Goyens von der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC.

Eine einsame Vertreterin der Zivilgesellschaft

Auf einem der größeren Podien war dann doch eine einsame Vertreterin der Zivilgesellschaft anzutreffen, die Direktorin der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC Monique Goyens. Allerdings wirkten ihre kritischen Anmerkungen zu Themen, wie Schiedsgerichtsverfahren und regulatorischer Zusammenarbeit fast lästig neben dem sonstigen Enthusiasmus für das TTIP-Abkommen. Goyens selbst kommentierte das Podium im Anschluss: „Ich habe mich leider etwas allein gefühlt.“ BEUC hatte zuletzt gerade auf die Gefahren bei regulatorischer Zusammenarbeit in TTIP hingewiesen.

Sektorale „Arbeitsessen“: Die Bedürfnisse der Chemieindustrie bei TTIP

Nach den ersten zwei Podien ging es dann in sektoralen Gruppen zum „Arbeitsessen.“ Entscheiden musste man sich zwischen Landwirtschaft und Nahrungsmitteln, Energie und Transport, Digitales und Elektronik- und Computertechnik (ICT) sowie Pharma und Chemiebranche. Wir entschieden uns für den Bereich Pharma und Chemie.

Das Foto zeigt das Podium während des Pharma- und Chemikalien-Arbeitsessens.

Das Foto zeigt das Podium während des Pharma- und Chemikalien-Arbeitsessens.

Auch während dieser kleineren Podiumsdiskussion war schnell die Stoßrichtung der Diskussion klar. Die Vertreterin des Verbands der europäischen Chemieindustrie CEFIC machte den anwesenden US- und EU-Verhandlungsführern gegenüber deutlich, dass regulatorische Zusammenarbeit das zentrale Anliegen der Chemiebranche bei TTIP sei. Das damit auch negative Konsequenzen für Verbraucher- und Umweltstandards einhergehen könnten, wurde hier nicht thematisiert. Eine kritische Analyse zu den Forderungen von CEFIC hat erst kürzlich das Zentrum für internationales Umweltrecht (CIEL) veröffentlicht.

Kaffeepausen – weiterer Raum für Sponsoren

Die Kaffeepausen während der Konferenz boten nicht nur Zeit und Raum für Gespräche zwischen Unternehmensvertretern und der EU-Kommission. Sie waren auch erneut eine Gelegenheit für Sponsoren der Konferenz Werbegegenstände auszulegen. So lag während der zweiten Kaffeepause eine Werbebroschüre der Anwaltskanzlei Sidley Austin aus.

Das Bild zeigt die ausliegende Prospekte einer der Hauptsponsoren der TTIP-Konferenz, der Anwaltskanzlei Sidley Austin.

Das Bild zeigt die ausliegende Prospekte einer der Hauptsponsoren der TTIP-Konferenz, der Anwaltskanzlei Sidley Austin.

Podium zu kleinen und mittleren Unternehmen (KMU’s) zeigt Spaltung im Unternehmerlager

Interessant war am späten Nachmittag der Konferenz noch das Podium zu der Frage, inwieweit kleine und mittlere Unternehmen (KMU’s) von TTIP profitieren. Während sich die Vertreter auf dem Podium allesamt über die Vorteile von TTIP für KMU’s ausließen, gab es gleichzeitig kritische Stimmen aus dem Publikum. Ein Unternehmer sprach von einem „Deal für Großkonzerne“, von dem die KMU’s wenig profitieren würden.

Auffallend war ferner, dass ein Großteil der Konferenzteilnehmer bereits das Management Center verlassen hatte. Zum einen waren zu diesem Zeitpunkt bereits die meisten EU-Vertreter gegangen. Zum anderen schien die Diskussion auch für viele Lobbyisten nicht von sonderlich großem Interesse.

„Networking Coctail“

Auch der abschließende „Networking Coctail“ fand eher in dünner Besetzung statt. Nur noch eine kleine Anzahl  der Teilnehmer fand sich dazu in der Lobby des Management Centers ein. Viele Networking-Gelegenheiten hatte es schließlich bereits zuvor in den Kaffeepausen und während der Mittagspause gegeben.

Fragwürdige Lobbyaktivitäten bei TTIP-Verhandlungen

Das Bild zeigt eine der Kaffeepausen während der TTIP-Konferenz von Forum Europe.

Das Bild zeigt eine der Kaffeepausen während der TTIP-Konferenz von Forum Europe.

Das Geschäftsmodell von Forum Europe scheint insgesamt aufzugehen. Mit insgesamt 270 Anmeldungen herrschte auf der Konferenz großer Andrang. Als Teilnehmer zahlen zivilgesellschaftliche Organisationen 120 Euro und Unternehmen 150 Euro. Vertreter der EU-Institutionen können sich kostenlos registrieren.

Fragwürdig ist, dass Vertreter der EU-Institutionen dies nutzen und unternehmensgesponsorte Konferenzen wie die von Forum Europe besuchen. Das sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström dafür hergibt bei der TTIP-Konferenz den Hauptvortrag zu halten, ist enttäuschend. Hier lässt sich die Politik zwar nicht kaufen. Sie legitimiert aber durch ihre prominente Teilnahme ein fragwürdiges Geschäftsmodell, durch das sich die Unternehmenslobby Gehör verschafft. Gerade bei den TTIP-Verhandlungen dominiert bereits die Unternehmenslobby. Ob man ihr neben den zahlreichen Treffen über solche Konferenzen noch mehr Gehör verschaffen sollte, ist äußerst fragwürdig.

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