Diese Woche haben wir gemeinsam mit unseren Partnern im ALTER-EU-Netzwerk eine europaweite Kampagne für verpflichtende Lobbytransparenz gestartet. Hauptfokus ist das EU-Lobbyregister. Kommissionspräsident Juncker hat für dieses Jahr ein verpflichtendes Lobbyregister angekündigt, und wir nehmen ihn beim Wort. Neben dem verpflichtenden Charakter müssen endlich zahlreiche Mängel behoben werden: Das Register ist voller Fehler und gibt entscheidende Informationen nicht preis.
Vorlage für verpflichtendes Lobbyregister bis Ende des Jahres
Mit der neuen EU-Kommission sehen wir seit langem erstmals eine Chance, bei der Lobbytransparenz wieder entscheidende Schritte voranzukommen. Während der großen Auftaktdebatte zu unserer Kampagne im EU-Parlament in Brüssel war auch der für Transparenz zuständige Kommissar Frans Timmermans zugegen. Er kündigte eine Vorlage für ein verpflichtendes Lobbyregister bis zum Ende des Jahres an. Um noch unter dieser Kommission etwas auf die Beine zu stellen, ginge dies aber seiner Ansicht nach nur über eine interinstitutionelle Vereinbarung.
Sowohl Kommissionspräsident Jean-Claude Junckers als auch sein erster Vize-Präsident Frans Timmermans haben in den letzten Monaten das verpflichtende Lobbyregister versprochen und in das diesjährige Arbeitsprogramm aufgenommen. Anders als von uns stets gefordert, wollen Juncker und Timmermans das Lobbyregister durch eine inter-institutionelle Vereinbarung erreichen, nicht durch EU-Gesetzgebung. Einen verpflichtenden Charakter hätte das Register dann nur gegenüber den europäischen Institutionen und ihren Akteuren, nicht gegenüber den Lobbyisten. Somit wären auch keine direkten Sanktionen wie Strafgebühren für Lobbyisten möglich.
Grund für die Entscheidung gegen eine gesetzliche Grundlage sind pragmatische Überlegungen: Alle Wege zu dieser Grundlage sind politisch derzeit schwer machbar. Zum Beispiel weil Einstimmigkeit im Ministerrat, also die Zustimmung jedes Mitgliedstaates, nötig wäre. Dazu fehlt das Verständnis für die Notwendigkeit eines Lobbyregisters in den Mitgliedstaaten. Daher, und auch um die Lobbyarbeit, die Lobbyisten zu europäischen Themen bei den nationalen Regierungen betreiben, eines Tages sichtbar zu machen, findet unsere Lobbykampagne auch auf nationaler Ebene statt.
Keine Lobbytreffen mehr ohne Registrierung?
Wie aber soll der verpflichtende Charakter des Registers durchgesetzt werden, wenn es keine bindende Wirkung auf Lobbyisten hat? Die Idee der EU-Kommission ist, dass die Lobbyisten „de facto“ verpflichtet werden, sich einzutragen, weil sie sonst Sanktionen durch die politischen Akteure erfahren: Ohne Registrierung kein Dauerzugangspass ins Parlament, keine Treffen mit Kommissaren und ihren Kabinetten, keine Teilnahme an Expertengruppen, keine Treffen mit EU-Abgeordneten, keine Teilnahme politischer Akteure auf den Veranstaltungen der Lobbyisten, und so weiter. So wäre Lobbyarbeit ohne Registrierung ein schwieriges Geschäft. Erste Schritte sind getan: Bereits seit Entstehung des gemeinsamen Registers ist der Erwerb eines Dauerzugangspasses ins Parlament an die Registrierung gekoppelt. Und seit Dezember 2014 dürfen Kommissare und ihre Kabinettsangestellten sich nur noch mit registrierten Lobbyisten treffen.
Beispiel Goldman Sachs zeigt Probleme der „de-facto-Verpflichtung“
Aber bereits jetzt zeigen sich erste Schwierigkeiten. Wie das Beispiel unserer Beschwerde über Goldman Sachs zeigt, müssen die Kontrollen des Registers extrem verstärkt werden. Wie sonst soll gewährleistet werden, dass die Kommissare und ihr Kabinett sich nicht mit Lobbyisten treffen, die völlig irreführende Einträge ins Register machen?
Die Investmentbank hatte sich im Dezember ins Register eingetragen und auch bereits Trefffen mit Kommissaren bzw. ihren Mitarbeitern. Dabei ist das Lobbybudget von 50.000 Euro, das sie angibt, nachweislich viel zu niedrig. Timmermans sagte bei der Debatte hierzu: „Wer falsche Angaben macht, muss die gleichen Sanktionen bekommen, wie die, die gar keine Angaben machen.“ Das klingt gut, aber die Frage ist, ob es auch umgesetzt wird. Bisher ist seit unserer Beschwerde wenig passiert.
Qualität und Durchsetzung des Registers müssen entschieden verbessert werden
Seit Jahren kritisieren wir die mangelhafte Qualität des Registers und seine fehlende Durchsetzung. Die Einträge sind voller Fehler und Fragwürdigkeiten. Auf die Ausfüllung des Registers wird von den Lobbyisten offensichtlich keine Sorgfalt angewendet. Viele für die Öffentlichkeit relevante Angaben werden vom Register abgefragt, aber von der Mehrheit der Lobbyakteure nicht richtig eingetragen. So beantwortet kaum jemand die konkrete Frage im Register, zu welchen politischen Vorlagen ein Akteur arbeitet. Statt dessen werden Allgemeinplätze erklärt. Niemand kann so die Lobbyisten nach den Themen, an denen sie arbeiten, recherchieren. Gibt man beispielsweise TTIP in das Suchfeld ein, erscheinen 54 Akteure – das dürfte wohl kaum der Realität entsprechen.
Auch liegt das Jahr, aus dem das Lobbybudget angegeben wird, oft zwei bis drei Jahre zurück. Das sagt nichts über die gegenwärtige Lobbyarbeit eines Akteurs aus. Anwaltskanzleien machen nach wie vor völlig unzureichende Angaben über ihre Kunden. Auch viele Lobbyagenturen geben unverständliche Kürzel ein, wo ausdrücklich nach den Namen ihrer Kunden gefragt wird.
Falsche Einträge müssen zu Sanktionen führen
Wenn sich nicht entscheidend etwas an dieser Situation ändert, kann das Register unmöglich ein Erfolg werden. Die drei Personen im Sekretariat des Lobbyregisters können die wirren Einträge von etwa 8ooo Lobbyakteuren unmöglich überprüfen. Die EU-Kommission hat angekündigt, das Personal zu erhöhen. Man kann nur hoffen, dass es dann zumindest leichter fällt, die Beschwerden aus der Zivilgesellschaft über falsche Einträge nachzuhalten. Mit der Ende Januar online gegangenen neuen Version des Registers werden die Akteure bei der Eintragung ins Register immerhin besser unterstützt. Sicherlich ergeben sich manche Fehler auch aus Unwissenheit, und diese können in Zukunft vielleicht besser vermieden werden.
Zentral für den Erfolg des geplanten Registers wäre, dass die Lobbyisten merken, dass falsche Einträge auch sanktioniert werden. Wenn die ersten Akteure aufgrund irreführender Angaben vorübergehend aus dem Register verbannt werden und sich entsprechend nicht mit den Lobbyakteuren treffen können – vielleicht wird sich dann etwas an der Kultur der Eintragungen verbessern.
Neue EU-Kommission zeigt Interesse an Lobbytransparenz
Bei aller Kritik sollte dies nicht untergehen: Die neue EU-Kommission zeigt eine völlig andere Haltung gegenüber dem Thema Lobbytransparenz, als wir dies von der letzten Komission gewohnt waren. Wann wurde das letzte Mal ohne direkten äußeren Druck ein Schritt nach vorn gemacht, so wie jetzt mit dem Verbot für Kommissare, nicht eingetragene Lobbyisten zu treffen? Und wann wurde das letzte Mal der zuständige Kommissar auf unserer Veranstaltung gesehen?
In den nächsten Monaten werden wir deshalb die Arbeit von Kommission und Parlament zum Lobbyregister konstruktiv und kritisch begleiten. Denn am Ende muss echte Lobbytransparenz dabei rauskommen, also ein „verpflichtendes“ Lobbyregister, dass diesen Namen auch verdient. Mit einem Register, in dem Lobbyisten halbgare Angaben machen, um ihrer Lobbyarbeit nachgehen zu können, werden wir uns nicht zufrieden geben.
Kampagne auf zwei Ebenen
Die Kampagne selbst wird auf europäischer wie auch auf den nationalen Ebenen stattfinden. Auch in Deutschland werden wir der Bundesregierung wieder Druck für ein verpflichtendes Lobbyregister machen. Auf europäischer Ebene werden wir die Kommission unter anderem mit Recherchen zum Register und Aktionen im Spiel halten. Demnächst werden wir uns ansehen, ob die neue Version des Registers, in die sich alle Akteure bis Ende April eintragen müssen, wirklich hält, was die EU-Kommission sich verspricht: Deutlich weniger Fehler. Und auch über das, was in anderen EU-Ländern bezüglich Lobbyregister passiert, werden wir Sie auf dem Laufenden halten.
Zum Weiterlesen:
– Unsere Kritik an der neuen Version des Lobbyregisters von Ende Januar;
– Unsere Beschwerde über Goldman Sachs;
– Was passiert in anderen Ländern in Sachen Lobbyregister?
– Vergabe der Dauerzugangspässe für Lobbyisten in den Deutschen Bundestag völlig intransparent
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