Pünktlich zur TTIP-Verhandlungsrunde in Brüssel zeigt eine neue Studie unserer Brüsseler Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) und der Online-Kampagnenorganisation SumOfUs, dass insbesondere die Pharma- und Finanzindustrie ihre Lobbyarbeit für das TTIP-Freihandelsabkommen verstärkt haben. Der Studie zufolge hat die Pharmaindustrie ihre Lobbyanstrengungen zwischen 2012 und 2013 versiebenfacht. Auch die Finanz- und Maschinenbauindustrie sind aktiver geworden. Insgesamt dominiert die Unternehmenslobby weiter die Lobbyarbeit rund um die Verhandlungen.
Handelskommissarin Malmström: 83 Prozent aller Treffen mit Unternehmenslobby
Wie wir bereits vor einiger Zeit berichteten, hatte die Handelsdirektion in der Vorbereitungsphase und Anfangsphase der TTIP-Verhandlungen (Januar 2012-Februar 2014) insgesamt 597 Treffen mit Lobbyisten hinter verschlossenen Türen, um über die Verhandlungen zu sprechen. 528 dieser Treffen (88 %) fanden mit Unternehmenslobbyisten statt, nur 53 (9 %) mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Die restlichen 3 % fanden mit Wissenschaftlern und öffentlichen Institutionen statt. Jedem Treffen mit einer Verbraucherschutzorganisation oder Gewerkschaft stehen 10 Treffen mit Interessenvertretern von Unternehmen gegenüber.
Seit Handelskommissarin Malmström im November 2014 ins Amt kam, hat sich an den Verhältnissen nicht grundlegend etwas verändert. Sie und ihr Kabinett nahmen insgesamt 122 Treffen wahr. Davon fanden 83 % mit Unternehmenslobbyisten, die übrigen mit Vertretern öffentlicher Interessen statt. Jedes fünfte Treffen hatten die obersten Ebenen der Handelsdirektion also mit Interessenvertretern der Konzerne.
Pharmaindustrie verstärkt Lobbyaktivitäten
In der frühen Phase der TTIP-Verhandlungen dominierte vor allem die Agrar und Lebensmittellobby. Daneben hatten sektorübergreifende Verbände großen Einfluss, darunter der größte europäische Arbeitgeberverband BusinessEurope. Folgende weitere Sektoren sind besonders aktiv: Telekommunikation & IT, pharmazeutische Industrie, Finanzsektor, Technik- und Maschinenbau, Automobilsektor, Gesundheit, Chemie sowie Express und Logistik.
Einige Sektoren haben ihre Lobbyaktivitäten bedeutend verstärkt, darunter vor allem die Pharmaindustrie mit einer Versiebenfachung ihrer Aktivitäten zwischen 2012 und 2013. Auch Lobbyisten der Technik- und Maschinenbauindustrie nahmen mehr Treffen mit der Handelsdirektion zu TTIP wahr. Ebenfalls präsenter sind neuerdings Lobbyisten der Finanzindustrie.
Unternehmenslobby vor allem aus Westeuropa und den USA
Geographisch gesehen kommen TTIP-Lobbyisten vor allem aus Westeuropa und den USA. Es gab kein Treffen mit Unternehmen aus Griechenland, Portugal, Zypern, Malta. Auch Unternehmenslobbyisten aus den osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten spielen kaum eine Rolle bei der Lobbyarbeit zu TTIP, höchstens indirekt über die europäischen Spitzenverbände.
Warum trifft die Handelsdirektion unregistrierte Lobbyisten?
Doch nicht nur die Dominanz der Unternehmenslobby stellt ein zentrales Problem dar. Auch die Tatsache, dass die Handelsdirektion Interessenvertreter trifft, die nicht im freiwilligen EU-Lobbyregister registriert sind, ist fragwürdig. Denn eigentlich dürfen sich Kommissare und ihre Kabinette nur noch mit registrierten Lobbyisten treffen. Jede fünfte Lobbygruppe, die von der Handelsdirektion empfangen wurde, findet man jedoch nicht im Lobbyregister. Darunter sind Unternehmen wie die Containerschiff-Reederei Maersk, das Textilunternehmen Levi’s oder die Versicherungsgruppe AON, aber auch Verbände wie der weltgrößte Biotechnologievereband BIO.
Studie zeigt: Unternehmenslobby dominiert weiter TTIP-Verhandlungen
Auch unter der neuen EU-Handelskommissarin Malmström hat sich nichts an der Dominanz der Unternehmenslobby bei den TTIP-Verhandlungen geändert. Hier zeigt sich erneut die enge Verzahnung der EU-Handelspolitik mit den Lobbyisten der Großunternehmen. Sie bleibt bedauerlicherweise über den Kommissarinnenwechsel hinaus estehen. Besonders enttäuschend ist die Tatsache, dass die Handelsdirektion trotz anderweitiger Ankündigungen weiter Treffen mit unregistrierten Lobbyisten wahrnimmt. Das untergräbt das Vertrauen in die angekündigte Transparenzoffensive der EU-Kommission. Wir begleiten die Verhandlungen aktuell mit lobbykritischen Touren in Brüssel und werden den Lobbyeinfluss auf die TTIP-Verhandlungen weiter kritisch beobachten.
Weitere Infos:
- Beitrag unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory zu den neuen Lobbydaten.
- Datensatz 1 von Corporate Europe Observatory.
- Datensatz 2 von Corporate Europe Observatory.
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