Der Streit um Glyphosat geht weiter: Während die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) es inzwischen zur Wiederzulassung empfohlen hat, wird diese Entscheidung in einem Schreiben von 100 renommierten Wissenschaftler/innen scharf angegriffen. LobbyControl und Testbiotech fordern Gesundheitskommissar Andriukaitis in einem Brief dazu auf, den Zulassungsprozess für Pestizide grundsätzlich zu überprüfen. Es darf nicht sein, dass die Hersteller darüber enscheiden, wer ihre Produkte überprüft und welche Studien dazu zu Rate gezogen werden.
EFSA: Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend
Niemand war wirklich überrascht, als die EFSA am 12. November in ihren Schlussfolgerungen erklärte, dass sie Glyphosat für „wahrscheinlich nicht krebserregend“ halte und es zur Zulassung empfehle. Grundlage für die Empfehlung war der hoch umstrittene Glyphosat-Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Die Debatte um die Glaubwürdigkeit des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und seinen zugrundeliegenden Bericht hat die EFSA bei ihrer Entscheidung offenbar ignoriert.
BfR gestand Fehler ein
Das BfR hatte in einer Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen des IARC eingestanden, Hinweise auf Krebs in Versuchen mit Mäusen nicht erkannt zu haben. Man habe andere Studien verwendet als das IARC. Das BfR hatte hauptsächlich auf Studien der Hersteller von Glyphosat zurückgegriffen.
Brief aus der Wissenschaft: EFSA und BfR haben ihren Job nicht gemacht
In einem Brief kritisieren 100 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Krebsforschung die Entscheidung der EFSA und den zugrundeliegenden BfR-Bericht scharf. Beide enthielten schwerwiegende Mängel und seien in Teilen „wissenschaftlich inakzeptabel“. Gleich als ersten Aspekt kritisiert der Brief das intransparente Zustandekommen des Berichts, der auf unveröffentlichten Studien der Industrie beruht.
LobbyControl fordert EU-Kommission auf, Pestizidzulassungsprozess zu überarbeiten
Gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Testbiotech schicken wir heute einen Brief an EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis, in dem wir genau diese intransparenten Strukturen, nicht einsehbaren Studien und potenziellen Interessenkonflikte bei den Behörden kritisieren. Wir fordern Andriukaitis dazu auf, den gesamten Zulassungsprozess für Pestizide neu auszugestalten. Er muss transparent, für die Öffentlichkeit nachvollziehbar und frei von möglichen Interessenkonflikten sein. Auch sollte Andriukaitis den nun anstehenden Entscheidungsprozess zur Glyphosat-Zulassung nun transparent gestalten und die umfassende Kritik an dem BfR-Bericht berücksichtigen. Die endgültige Entscheidung, ob Glyphosat für die nächsten zehn Jahre zugelassen wird oder nicht, trifft die EU-Kommission im Sommer.
Unseren Brief finden Sie hier.
BfR- Bericht öffentlich
Der Bericht des BfR ist mittlerweile öffentlich – die EFSA hatte angekündigt, ihn nach ihren Schlussfolgerungen zu veröffentlichen. Unsere Aktion „Glyphosatbericht jetzt veröffentlichen“ ist damit beendet. Auch wenn wir die EU-Kommission mit den 17.000 Unterschriften nicht überzeugen konnten, den Bericht zu veröffentlichen, bevor sie ihr abschließendes Urteil trifft – die Aktion war ein erster Baustein des großen öffentlichen Drucks, den die EU-Kommission seit diesem Sommer zu dem Thema zu spüren bekommen hat. Wir bleiben dran und machen weiter Druck dafür, dass sowohl die Empfehlung der EFSA zu Glyphosat als auch der Zulassungsprozess von Pestiziden im Allgemeinen grundlegend überdacht werden.
Zum Weiterlesen:
- Unser Brief an Gesundheitskommissar Andriukaitis.
- Finaler BfR-Bericht.
- Kommentar von Silvia Liebrich in der Süddeutschen Zeitung.
Bildquelle: Karl Bauer; Foto: Tunnelspritze für Raumkulturen; Lizenz: CC BY 3.0 at.
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