Für Unternehmenslobbyisten wird es zumindest vorläufig deutlich schwerer, an Hausausweise für den Bundestag zu kommen. Wie das ZDF und abgeordnetenwatch.de bereits am Freitag berichteten, haben sich die Bundestagsfraktionen darauf verständigt, die Ausgabe von Hausausweisen an Lobbyakteure vorerst auszusetzen. Wer auf welchem Weg an Hausausweise kommt, soll neu geregelt werden. Das war überfällig und ist zunächst einmal zu begrüßen. Es ist aber noch offen, wie eine neue Regelung aussehen soll.
Lobbyregister statt Minimalreform
Zu befürchten ist, dass die Fraktionen sich auf eine Minimalreform der Verbändeliste einigen und diese damit für Unternehmen und andere Akteure öffnen. Damit wäre zwar klarer, welche Unternehmen oder Agenturen – möglicherweise – im Besitz von Bundestagshausausweisen sind. Mehr Lobbytransparenz würde damit aber nicht hergestellt, denn die Verbändeliste ist etwa so aussagekräftig wie ein Telefonbuch. Sie liefert keine relevanten Informationen darüber, wer in wessen Auftrag Lobbyarbeit betreibt. Sogar bei den Hausausweisen sorgt sie nicht für Klarheit: Wer sich dort einträgt, kann im Besitz eines Hausausweises sein. Ob dies aber tatsächlich so ist, steht auf einem anderen Blatt – beziehungsweise: nirgends. Der für die Öffentlichkeit undurchsichtige Schleier über den Zugängen zum Bundestag würde verschoben, aber nicht aufgehoben.
Wir fordern die Fraktionen im Bundestag auf: Nehmen Sie die Debatte über Hausausweise zum Anlass, das Thema Lobbyismus und Transparenz grundsätzlich anzugehen und führen Sie ein verpflichtendes Lobbyregister ein. Die Gefährdung der Demokratie durch intransparenten Lobbyismus ist zu groß, um es mit einer kleinen Reform der Hausausweisvergabe bewenden zu lassen.
SPD: Ein Register für den Lobbyismus ist noch zu schaffen
Grüne, Linke und auch die SPD sprechen sich seit langem für ein verpflichtendes Lobbyregister aus. Ein Lobbyregister gibt Auskunft über Auftraggeber, Budgets und Ziele von Lobbyakteuren. Die SPD konnte oder wollte sich mit dieser Forderung zwar bisher nicht gegen ihren Koalitionspartner durchsetzen, hat auf ihrem Parteitag im Dezember aber erneut bekräftigt, dass „ein umfassender Verhaltenskodex sowie ein Register für den Lobbyismus […] noch zu schaffen“ seien (Beschluss Nr. 16).
Die Debatte um geheime Listen in den Schubladen der Fraktionen, deren Veröffentlichung gerichtlich erstritten werden musste, hat das Image des Bundestags beschädigt. Auch um diesen Schaden zu reparieren, ist es notwendig, jetzt endlich einen echten Schritt zu mehr Transparenz und Lobbykontrolle zu wagen. Mit einer reinen Liste der Hausausweisinhaber ist der Demokratie nicht geholfen. Sie braucht verbindliche Regeln für alle Interessenvertreter, die in Berlin tagtäglich im Sinne ihrer Auftraggeber politische Entscheidungen zu beeinflussen versuchen.
Lobbyist: Wer Gesetze beeinflussen will, wendet sich doch nicht an Abgeordnete!
Ein verpflichtendes Lobbyregister würde weder alle Treffen und Gespräche von Politiker/innen öffentlich machen noch würde es den Kontakt zwischen Bürger/innen und ihren Abgeordneten erfassen oder gar erschweren. Erfassen würde es aber die Lobbyarbeit sowohl gegenüber dem Parlament als auch gegenüber den Ministerien. Dort erblicken die meisten Gesetze das Licht der Welt – und deshalb sind die Ministerien auch von besonderer Bedeutung für viele Lobbyisten. So betonte etwa der Agentur-Lobbyist und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Moosbauer am Sonntag im ZDF: „Wenn Sie tatsächlich eine Entscheidung beeinflussen wollen, dann doch nicht bei den Abgeordneten, sondern dort wo die Entscheidungen vorbereitet werden.“
Ein Grund mehr, jetzt nicht nur eine kleinen Reform der Hausausweise anzustreben, sondern mit einem Lobbyregister umfassende Transparenz über Lobbyarbeit gegenüber Parlament und Regierung zu schaffen.
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Weitere Informationen:
- Lobbyreport 2015: Schwarz-Rot mauert bei Lobbytransparenz (15. Dezember 2015)
- Zugang zum Bundestag – viele Lobbyisten auf Unionsticket (30. November 2015)
- Umfrage: Rund Dreiviertel für mehr Transparenz bei Lobbyismus (18. November 2015)
- Debatte im Bundestag: Opposition fordert mehr Lobbytransparenz (19. März 2015)
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