Die ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten in Brüssel sind beliebte Adressaten für die Lobbyarbeit von Intressengruppen und Unternehmen, vor allem für Lobbyisten des jeweiligen Mitgliedstaats. Doch die Lobbyarbeit bei den nationalen Repräsentanzen ist völlig intransparent und es gibt bisher kaum Bereitschaft, Licht in dieses Dunkel zu bringen, wie eine neue Studie der Allianz für Lobbytransparenz und ethische Regeln (ALTER-EU) zeigt.
Nationale Vertretungen beliebtes Lobbyziel
Die Studie “National representations in Brussels: Open for corporate Lobbyists“ befasst sich erstmals ausführlich mit der Lobbyarbeit bei den nationalen Vertretungen bei der EU. Diese spielen eine Schlüsselrolle im europäischen Gesetzgebungsprozess: Die Ständigen Vertreter/innen und ihre Stellvertreter/innen sitzen für ihre Regierungen im „Ausschuss der Ständigen Vertreter“, in dem die Sitzungen des EU-Ministerrats vorbereitet werden. Dort sondieren sie Kompromisse mit den Kolleg/innen der anderen Staaten, suchen Verbündete für Abstimmungen und beraten während der Ratssitzungen die jeweils anwesenden Ministerinnen und Minister. Weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vertreten die Positionen ihrer Mitgliedstaaten in den über 100 Ratsarbeitsgruppen.
Sie alle sind ein beliebtes Ziel für „leise Lobbyarbeit“, vor allem für Lobbyisten des jeweiligen Mitgliedstaats. Das in Brüssel ansässige Magazin Politico beschrieb es vor Kurzem so: „Die meisten Lobbyisten, mit denen wir sprechen, stimmen zu, dass die ständigen Vertretungen ein angenehmes Lobbyziel sind: Alles was man braucht, ist der richtige Referent – dann kommt man an die Formulierung in ihrem beeinflussbarsten Stadium. So bekommt man Inhalte in den Ministerrat, deutlich einfacher als über die Regierung des Mitgliedstaates.“ (Übersetzung aus dem Englischen).
Kaum Bereitschaft zu Transparenz
Mit Hilfe von Anfragen nach den nationalen Informationsfreiheitsgesetzen hat ALTER-EU für die Studie erfragt, wieviel und welche Lobbyarbeit dort stattfindet. Doch gerade einmal vier von 17 Vertretungen waren willens und in der Lage, Informationen über ihre Treffen mit Lobbyisten herauszugeben. Die anderen 13 Staaten antworteten entweder gar nicht, verweigerten die Auskunft oder gaben an, dazu keine Informationen zu haben.
Lücke zwischen nationalen und europäischen Transparenzregeln
Angesichts der oben beschriebenen Rolle der Vertretungen und ihrer Beliebtheit bei Lobbyisten ist dieses Ergebnis ernüchternd. Die EU-Kommission hat Anfang März den Beratungsprozess für ein verpflichtendes Lobbyregister gestartet. Der Rat ist bisher nicht Teil des Registers. Sollte er während der kommenden Verhandlungen beitreten, wird dies höchstwahrscheinlich nicht für die ständigen Vertretungen gelten, weil diese Sache der Mitgliedstaaten sind – so sehen es jedenfalls die Ratsvertreter in den Verhandlungen. Auch die bisher ziemlich lückenhaften Transparenzregeln von Mitgliedstaaten beziehen die ständigen Vertretungen meist nicht ein. So stellen die ständigen Vertretungen ein klaffendes Schlupfoch bezüglich Lobbytransparenz dar. Niemand weiß, was Lobbyisten dort mit den Beamten der Mitgliedstaaten aushandeln. Sie können völlig unter dem Radar der Öffentlichkeit arbeiten.
Überwiegend Treffen mit Wirtschafts-Lobbyisten
Und das tun sie auch, wie die Studie zeigt. Die irische Vertretung gab an, dass der ständige Vertreter und sein Stellvertreter zusammen in zwölf Monaten 121 Lobbytreffen hatten, darunter Amazon, Google, die irische Ölindustrie, Ryanair und Uber. In den Niederlanden gab es keine offizielle Liste, aber ein Mitarbeiter hatte seine Treffen mit Unternehmenslobbyisten zwischen September 2014 und März 2015 aufgeschrieben, und diese Liste wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Hier finden sich Shell, Philips, KLM und weitere.
Die Studie ist weit davon entfernt, repräsentativ zu sein. Dennoch lässt sich sagen, dass in den vier Ländern, die Informationen herausgaben – neben den genannten waren dies noch Rumänien und Polen – die Treffen mit Lobbyisten von Unternehmen klar überwogen. Überall gab es Treffen mit nicht im Transparenzregister registrierten Lobbyisten. Auch dies ein Grund, warum es wichtig wäre, dass die ständigen Vertretungen dem EU-Transparenzregister beitreten. Dort ist es als Sanktion für das Fernbleiben vom Register vorgesehen, keine Treffen mit EU-Kommissar/innen und ihren Kabinetten zu bekommen. Diese Sanktion wird aufgeweicht, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ständigen Vertretungen trotzdem aufgesucht werden können.
Ständige Vertretung Deutschlands: Keine Informationen über Treffen mit Lobbyisten
Auch die nationale Vertretung der Bundesrepublik Deutschland erteilte keine Auskunft über die Lobbyarbeit, die bei ihr stattfindet. Das zuständige Auswärtige Amt teilte mit, dass es keine Listen mit Treffen zwischen Lobbyist/innen und Mitarbeiter/innen gebe – genauso wenig wie Protokolle von Treffen mit Lobbyisten oder allgemeine Besucherlisten.
Zumindest letzteres lässt sich doch stark bezweifeln. Der fehlende Wille zu Transparenz der Bundesregierung ist allerdings nicht überraschend. Deutschland hinkt schließlich bei diesem Thema generell hinterher. LobbyControl stellt in den kommenden Monaten das Thema Lobbyregister in den Fokus. Wir wollen verpflichtende Lobbyregister für Deutschland und für die EU. Und in diesen muss sich auch die Lobbyarbeit auf nationaler Ebene zur EU-Politik wiederfinden. Dazu gehört auch die Arbeit bei den nationalen Vertretungen.
Die komplette Studie können Sie hier herunterladen: PDF, englisch.
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