„Verteilungskampf – warum Deutschland immer ungleicher wird“ – so lautet der Titel des neuen Buchs vom Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher, das derzeit für Wirbel sorgt. Die Debatte um Arm und Reich in Deutschland hat damit erneut Fahrt aufgenommen. Auch für uns – denn wachsende Ungleichheit ist ein Thema mit Sprengkraft für unsere Demokratie. Wenn ungleich verteilter Reichtum zu ungleichem Einfluss auf die Politik führt, verstärken sich bestehende Machtungleichgewichte.
Ungleich verteilter Reichtum = ungleicher Einfluss?
Die Daten sind eindeutig: In Deutschand klafft die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinander, sowohl bei den Einkommen als auch bei den Vermögen. Deutschland zählt zu den ungleichsten Ländern in Europa: „Während die Armen in Deutschland also ärmer sind als in anderen Teilen Europas, sind die Reichen reicher“, so Fratzscher. Die Frage drängt sich auf: Wird sich dieser ungleich verteilte Reichtum nicht auch auf die Möglichkeiten der Einflussnahme niederschlagen?
Lobbyismus der Reichen
Vermögende Einzelpersonen, Unternehmerfamilien und deren Unternehmen verfügen nicht nur über gute Kontakte, sondern auch über die nötigen finanziellen Mittel und treten damit auch als politische Akteure auf. Sei es als Einzelpersonen oder als organisierte Interessengruppen in Verbänden, Think Tanks, Clubs oder Stiftungen – Vermögende können auf vielfältige Kanäle zurückgreifen, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. Die Stiftung Familienunternehmen und der Lobbyverband „Die Familienunternehmer“ mischten sich etwa im Wahlkampf 2013 massiv in die Debatte um die Einführung einer Vermögenssteuer ein. Sie trugen so dazu bei, die steuerpolitische Diskussion zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Vermögende haben spezifische Einstellungen, die von der Mehrheit der Gesamtbevölkerung abweichen – das belegen mehrere Forschungsergebnisse (Hartmann 2013, Elsässer/Schäfer 2016). Besonders deutlich wird dies bei der Bewertung von sozialer Ungleichheit oder Umverteilungspolitik. Eine große Mehrheit der Bevölkerung empfindet die derzeitigen sozialen Unterschiede als ungerecht und wünscht sich mehr Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen. Die Eliten lehnen diese Maßnahmen überwiegend ab.
„Ein Mensch – eine Stimme“?
Forschungsergebnisse aus den USA zeigen, dass sich die Einstellungen der dortigen Vermögenden auch in politischen Entscheidungen niederschlagen (Gilens/Page 2014). Auch in Deutschland gibt es erste Forschungsergebnisse, die diesen Zusammenhang nahelegen. Wenn politische Entscheidungen tendenziell nach den Wünschen der Vermögenden getroffen werden, gerät das Gleichheitsgebot „ein Mensch – eine Stimme“ als grundlegendes demokratisches Prinzip ins Wanken.
Im fünften Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der in diesem Jahr erscheinen wird, ist vorgesehen, dass dem Thema Reichtum und Einfluss endlich mehr Gewicht zugemessen wird. Als Mitglied im Beraterkreis für den Bericht drängen wir in diesem Sinne darauf, dass ungleich verteilte Einflussmöglichkeiten auf die Politik ausreichend berücksichtigt und kritisiert werden.
Weitere Informationen:
- Spiegel Online, 11.3.2016: DIW-Chef Fratzscher: „Die soziale Marktwirtschaft existiert nicht mehr“, mehr dazu im Print-Spiegel vom 11./12.3.2016
- Michael Hartmann (2013): „Soziale Ungleichheit – kein Thema für Eliten?“ Dazu auch: Eliten, Politik und Ungleichheit – ein Teufelskreis
- Zu den Forschungen von Lea Elsässer und Armin Schäfer (2016): Klasse und Politik – ein häufig unterschätzter Zusammenhang
- Informationen zur Erarbeitung des 5. Armuts- und Reichtumsbericht
- Mehr zur Stiftung Familienunternehmen in der Lobbypedia und im LobbyPlanet Berlin
Fotonachweise: LobbyControl (Buchtitel), Ruben Neugebauer/LobbyControl (Stiftung Familienunternehmen).
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