Amazon verstößt mit seinem Schulwettbewerb in Hessen gegen das Schulgesetz. Das steht in einer Bewertung des Hessischen Bildungsministeriums von Anfang April, die LobbyConrol vorliegt. Demnach ist der Wettbewerb „nicht mit den schulrechtlichen Vorschriften vereinbar.“ Bereits im letzten November hatten wir im Rahmen unserer Aktionswoche gegen Lobbyismus an Schulen aufgedeckt, wie Amazon die Kreativität der Kinder für seine Geschäftsinteressen instrumentalisiert. Unsere Einschätzung von damals wird damit bestätigt: Dem Unternehmen geht es vor allem um Imageförderung und Kontaktpflege zur Lokalpolitik.
Es geht „ausschließlich“ um Imageförderung
Unterstützung erhalten wir jetzt unerwartet vom Hessischen Bildungsministerium: Der Wettbewerb verstoße gegen das Schulgesetz, weil „das Unternehmen den Wettbewerb ausschließlich in Regionen durchführt, in denen es einen Standort betreibt und eigene Produkte als Preise auslobt.“ Und weiter heißt es: „Hier wird offensichtlich, dass es dem Unternehmen ausschließlich um das eigene Image in der Öffentlichkeit geht. Der Zweck der Leseförderung tritt deutlich hinter den eigenen Zweck zurück.“ Nach Informationen der Frankfurter Rundschau, die den Fall ebenfalls aufgegriffen haben, hat das Ministerium die Schulen Anfang Mai angewiesen, nicht mehr an dem Amazon-Wettbewerb teilzunehmen.
Diese Bewertung ist begrüßenswert und bestätigt unserer Kritik. Die Politik hat hier erfreulicherweise eingesehen, dass Lobbyismus an Schulen ein reales Problem ist, bei dem Handlungsbedarf besteht.
Auf Nachfrage von LobbyControl wollte sich Amazon zu der Kritik nicht äußern. Das Unternehmen bestätigte lediglich, dass in diesem Jahr deutschlandweit über 300 Schulen an dem Wettbewerb teilgenommen haben. Die Pläne für 2017 werde man in den kommenden Monaten bekanntgeben.
Dank Leseförderung öffnet sich die Schultür
Der Schulwettbewerb „Kindle Storyteller Kids“ (im letzten Jahr „Lesen macht Spaß!“) wird von Amazon bundesweit an seinen Logistikzentren durchgeführt. Teilnehmen können Grundschulen im Einzugsgebiet. Als Türöffner dient dabei die Leseförderung. Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert eine Geschichte zu schreiben. Die Klasse mit der besten Geschichte erhält als Gewinn 30 eBook-Reader des Unternehmens und einen Gutschein für digitale Bücher im Wert von 1.750 €.
Amazon profitiert von dem Wettbewerb auf vielen Ebenen: Er bietet die Chance mit einem positiven Artikel in der Lokalpresse aufzutauchen. Außerdem können so Kontakt zu den zuständigen Verantwortlichen der Logistikstandorte aufgebaut oder gepflegt werden. Auf seiner Webseite führt das Unternehmen den Schulwettbewerb zudem als Beleg für seine gesellschaftliche Verantwortung auf. Kritik an dem Konzern, der wegen schlechter Arbeitsbedingungen und Steuerflucht Schlagzeilen macht, findet im Rahmen der Schulwettbewerbe keine Erwähnung.
In Bad Hersfeld, dem Amazon-Standort in Hessen, wurde der Preis am 21. April 2016 verliehen. Unterstützt wurde der Wettbewerb dabei von den Landräten der Landkreise Hersfeld-Rotenburg und Werra-Meißner, die in der Lokalpresse mit freundlichen Wort zitiert werden: „Es ist schön, wenn sich große Konzerne wie Amazon auch für die Zukunft unserer Schüler einsetzen.“ Und: „der Wettbewerb ist eine tolle Gelegenheit für Kinder, die Lust am Lesen und Schreiben wiederzufinden.“
Kritik kommt auch aus Bayern
Kritik an dieser vorgeschobenen Leseförderung kommt auch aus Bayern. In einer Bewertung des Schulministeriums von Anfang April, die LobbyControl vorliegt, heißt es: „Leseförderung ist eine schulische Aufgabe, die von den Schulen mit eigenen Mitteln voll erfüllt werden kann.“ Und weiter: „Es ist daher in der Regel nicht notwendig, sich für die Leseförderung eines kommerziellen Kooperationspartners zu bedienen“. Zudem dürfe die Schule einem einzelnen Unternehmen keinen Marktvorteil verschaffen.
In Bayern wurde der Preis am 14. April 2016 vom Logistikzentrum Graben verliehen. Von der Preisverleihung gibt es einen Bericht in der Augsburger Allgemeinen, der sich eher wie eine Pressemitteilung von Amazon liest.
Trotz der deutlichen Kritik der beiden Schulministerien fand der Wettbewerb auch in diesem Jahr wieder statt. Die zuständigen Politiker müssen daraus Konsequenzen ziehen und sich aktiv für einen kritischeren Umgang mit außerschulischen Akteuren einsetzen. Beispielsweise sollten zukünftige Lehrkräfte bereits in der Ausbildung für die Gefahren dieser Einflussnahme sensibilisiert werden. Amazon konnte seinen Schulwettbewerb ungehindert durchführen, obwohl er anscheinend gegen das Schulgesetz verstößt. Die betroffenen Schulen scheinen beim Thema Lobbyismus an Schulen nicht ausreichend sensibilisiert zu sein. Es ist Aufgabe der Politik das zu ändern.
Weitere Informationen
- Mehr zu Lobbyismus an Schulen in der Lobbypedia
- Leseförderung – So öffnet sich die Schultür für Amazon
Bild: Screenshot von der Webseite amazon-logistikblog.de/storytellerkids/der-wettbewerb/
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