Die SPD zieht aus der „Rent-a-Sozi“-Affäre Konsequenzen – und will im Januar einen Gesetzentwurf vorlegen, der Parteisponsoring endlich transparent machen soll. Damit liegt der Ball bei der Union: CDU/CSU sind die einzigen, die eine gesetzliche Regelung immer noch blockieren und damit geheime Lobby-Geldflüsse an die Parteien verteidigen.
Um unsere Forderungen der Union noch einmal nahezubringen, fuhren wir am Nikolaustag zum Bundesparteitag der CDU nach Essen. Schon früh am Morgen, noch bevor die ersten Delegierten eintrafen, hatten wir unseren Infostand vor der Gruga-Halle aufgebaut und gaben den Delegierten unsere auf Flugblättern gedruckten Argumente mit in den Saal.
Firmenlogos, so weit das Auge reicht
Schon seit Jahren sponsern Unternehmen und Verbände auch Parteitage im großen Stil. In Essen tummelten sich in mehreren großen Hallen mehr als 100 Aussteller. Drei Viertel davon waren Unternehmen und Wirtschaftsverbände, der Rest waren parteiinterne und assoziierte Vereinigungen und Institutionen, von der Frauen-Union bis zur Konrad-Adenauer-Stiftung, dem DGB oder der Freiwilligen Feuerwehr.
Die Atmosphäre gleicht der einer Industrie-Messe: Jeder Aussteller lässt sich etwas anderes einfallen, um möglichst viele Menschen an seinen Stand zu locken. Bei der Spielautomatenlobby kann man kickern, bei Audi in virtuelle Realitäten abtauchen, bei den Tabakkonzernen bieten junge Damen im Minikleid Zigaretten an. Andere verteilen frisch gebackene Waffeln, asiatisches Finger Food, Kaffee und tonnenweise Gummibärchen und Schokolade. Wer es lieber gesundheitsbewusst mag, trinkt beim Verband der Privaten Krankenversicherungen einen Smoothie. Wer sich betrinken will, geht zur Jungen Union – die hat eine Cocktailbar mit frei zugänglichem Bierkühlschrank hingestellt.
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Parteitage sind nur die Spitze des Eisberges beim Sponsoring
Auf eine Anfrage vorab hatte uns das Parteitags-Büro mitgeteilt, dass wir als NGO 250 Euro pro Quadratmeter Standfläche hätten zahlen müssen – allerdings seien alle Flächen schon Wochen vorher ausgebucht. 1000 Euro zusätzlich würden fällig, damit das Logo auf der Sponsorentafel erscheine. Die ist das einzige, was für die Öffentlichkeit nach außen sichtbar ist, denn sie wird neuerdings von der CDU auch ins Internet gestellt. Bei zahlreichen anderen gesponserten Veranstaltungen macht die CDU das übrigens nicht. Klar ist: Immer mehr Unternehmen nutzen Sponsoring, um politische Landschaftspflege zu betreiben. Der Tabakkonzern Philip Morris zum Beispiel gibt inzwischen mehr Geld für Sponsoring als für Parteispenden aus, wie LobbyControl in einer jüngsten Analyse dokumentiert hat. In den Rechenschaftsberichten der Parteien taucht dazu jedoch nichts auf. Vorteil für die Unternehmen beim Sponsorring: Im Gegensatz zu Parteispenden sind Sponsoring-Ausgaben von der Steuer absetzbar – und die Öffentlichkeit bekommt davon meist nichts mit. Auch beim Parteitag verrät die CDU nicht, wie viel und wofür die Sponsoren im Einzelnen gezahlt haben.
„Warum sind Sie hier?“ „Wieviel zahlen Sie für den Stand?“ „Machen Sie auch andere Formen von Sponsoring?“ Auf diese Fragen bekamen wir an den allermeisten Sponsor-Ständen keine Antwort.
Klartext dafür vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall, Geldgeber der umstrittenen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM): Deren Hauptgeschäftsführer habe Anweisung gegeben, dass niemand mit LobbyControl reden dürfe, heißt es. Begründung: Wir hätten schon häufig kritisch über die INSM und Gesamtmetall berichtet – und Gesamtmetall habe bei uns „keine Kontrolle“ darüber, was letzten Endes in unserem Beitrag erscheine. Tatsächlich hat LobbyControl das Treiben der INSM immer wieder kritisch analysiert – schon 2005 etwa die Schleichwerbung in der TV-Serie „Marienhof“, bei der die INSM ihre Lobbybotschaften gegen Cash ins Drehbuch schrieb.
CDU-Delegierte wünschen sich mehr Transparenz
Sehr offen zeigten sich erfreulicherweise die von uns befragten Delegierten. Tenor: Sponsoring sei eine gute Sache und solle selbstverständlich offengelegt werden. Damit steht die CDU-Parteiführung zunehmend isoliert da: Allein gegen alle anderen Bundestagsparteien, die Sponsoring offenlegen wollen. Allein gegen 87 Prozent der Bevölkerung, die laut „Stern“-Umfrage die Offenlegung fordern. Und offenbar sogar allein gegen die Parteitagsdelegierten.
Gern hätten wir vom Veranstalter dazu ein Statement bekommen. Doch von CDU-offizieller Seite war dazu niemand bereit.
Ein Video, das unsere Parteitags-Aktion dokumentiert, veröffentlichen wir in der kommenden Woche.
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Fotos: LobbyControl
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