- Die Empörung und unser Protest gegen die Streichungen im Armuts- und Reichtumsbericht hatten offenbar Wirkung.
- Innerhalb der Bundesregierung setzt sich die Auseinandersetzung um die gestrichenen heiklen Passagen fort.
- Das Arbeitsministerium fordert, das Kapitel zu Lobbyismus wieder in den Bericht aufzunehmen.
Heikle Passagen im Regierungsbericht
Unsere Empörung war groß, als wir Ende letzten Jahres erfuhren, dass im Armuts- und Reichtumsbericht ganze Passagen zum Thema soziale Ungleicheit und Einfluss gestrichen wurden. Die brisanten Ergebnisse einer eigens vom Arbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie wurden nur gekürzt wiedergegeben. Die Tatsache, dass politische Entscheidungen eindeutig den Interessen der Wohlhabenden folgen und die Wünsche der Armen regelmäßig nicht umgesetzt werden, war dem Kanzleramt offenbar zu heikel. Ein Kapitel zu Lobbyismus wurde sogar gänzlich gestrichen. Nun gibt es neue Entwicklungen, die zeigen: Die Empörung und unser Protest von damals gingen nicht spurlos an der Bundesregierung vorbei. Es herrscht ein Machtkampf innerhalb der Bundesregierung um die Frage, ob die unbequemen Wahrheiten doch noch in den Regierungsbericht aufgenommen werden. Ein Zwischenbericht zum Armuts- und Reichtumsbericht:
Brisante Studienergebnisse: „Weiterverwendung steht nichts im Wege“
Als Mitglied des Beraterkreises zum Armuts- und Reichtumsbericht hatten wir Anfang des Jahres noch einmal die Gelegenheit, uns mit Vertreter/innen aus dem Arbeitsministerium auszutauschen – darunter auch mit der Chefin des Hauses, der Arbeitsministerin Andrea Nahles. Wir nutzten die Gelegenheit, um unsere Empörung über die Streichungen und Kürzungen auszudrücken. Nicht ohne Wirkung – in seiner schriftlichen Dokumentation des Symposiums betont das Ministerium nun, dass „keine aus diesen geförderten Forschungsprojekten resultierenden Erkenntnisse zurückgehalten werden“ und dass das Ministerium „weiterhin uneingeschränkt hinter den Forschungsprojekten“ stünde. Es verweist darauf, dass die Studie auf der Webseite zum Armuts- und Reichtumsbericht einsehbar sei und fordert den Beraterkreis quasi zur Weiterverbreitung auf: „Einer freien Meinungsbildung und Weiterverwendung der Ergebnisse steht damit nichts im Wege.“ Im Beraterkreis wich Nahles in der Tonlage auch erstmals von der offiziellen beschwichtigenden Aussage des Ministeriums ab, dass Streichungen während der Ressortabstimmung eben dazugehörten. Nun heißt es wörtlich: „Sie wissen alle aus den Medien, dass nicht all unsere Bewertungen der Ergebnisse die Ressortabstimmung ‚überlebt‘ haben.“
Zoff innerhalb der Bundesregierung
Wie geht es nun weiter? Nach der Anhörung des Beraterkreises geht der Bericht nun noch einmal in die Ressortabstimmung, das heißt, er wird nun zum zweiten Mal unter den Bundesministerien und dem Kanzleramt abgestimmt. Zur Erinnerung: In der ersten Ressortabstimmung erfolgten die umstrittenen Streichungen. Es war laut Medienberichten das Kanzleramt, das bei der ersten Version aus dem Arbeitsministerium den Rotstift angesetzt hatte. In der zweiten Runde versucht das Arbeitsministerium nun, den Schaden zu begrenzen – mit ungewissem Ausgang. Außerdem wird gerade die Kurzfassung des Berichts erarbeitet. Auch dies ein heikler Prozess, schließlich wird hier entschieden, welche Aussagen des Berichts im Vordergrund stehen werden. Die Abstimmungen sind langwieriger als gedacht. Der Bericht sollte ursprünglich im Februar erscheinen. Nun heißt es, er erscheine „im März“. Wann genau, ist weiterhin unklar.
Dünne Datenlage? Wir brauchen Lobbytransparenz!
Nicht nur die Darstellung der Studienergebnisse wurde gekürzt, auch ein ganzes Kapitel zum Thema Lobbyismus und Einflussnahme wurde aus einer ersten Version des Berichts gestrichen. Damit fiel das Ministerium hinter seinen Anspruch zurück, die gesellschaftliche Macht von Reichtum genauer zu untersuchen. Gerade angesichts des deutlichen Lobbyeinflusses von Vermögenden und ihrer Lobbygruppen zur Erbschaftssteuer im letzten Herbst und jüngst zur Geldwäsche-Richtlinie, ist das fatal. Der offizielle Grund für die Streichungen – so heißt es aus dem Arbeitsministerium: Die Datenlage sei zu dünn. Das ist durchaus so – auch wir bemängeln immer wieder, dass der Einfluss von Reichen viel zu wenig dokumentiert wird. Allerdings benennen wir auch, woran das liegt. Es mangelt in Deutschland an Lobbytransparenz: Registrierungspflichten für Lobbyisten in Form eines Lobbyregisters, Transparenzauflagen für die einflussreichen Stiftungen der Reichen und mehr Offenlegungspflichten für die Parteienfinanzierung könnten einen Beitrag dazu leisten, mehr Einblick hinter die Kulissen der Macht des großen Geldes zu ermöglichen. Doch hier mauert vor allem die Union und blockiert jegliche Initiativen in diese Richtung.
Proteste zeigen Wirkung
Auch im Armuts- und Reichtumsbericht soll Lobbytransparenz offenbar nicht erwähnt werden. Der ursprüngliche Verweis auf „verschiedene Vorschläge“ dazu, wie „Transparenz der Einflussnahme und Möglichkeiten zur Regulierung“ hergestellt werden könne, wurde gestrichen. Das Arbeitsministerium versucht es nun noch einmal und – so wörtlich – „unterbreitet dem Ressortkreis (d.h. den anderen Ministerien, Anm. CD) einen neuen Vorschlag für ein Kapitel zu Lobbyismus und Einflussnahme, in welchem insbesondere auf die unbefriedigende Datenlage verwiesen werden soll.“ Das Arbeitsministerium streitet nun also dafür, dass das Thema Lobbyismus der Reichen wieder in den Bericht aufgenommen wird. Hier zeigte die öffentliche Empörung und unser Druck Wirkung: Ein schöner Erfolg für uns! Es bleibt spannend, wie der Bericht am Ende aussehen wird.
Weitere Informationen:
- Aus unserem Blog: Armuts- und Reichtumsbericht: Bundesregierung zensiert Aussagen zu Reichtum und Einfluss und Interview mit der Autorin der Studie, deren Ergebnisse gekürzt wiedergegeben wurden
- Unsere Stellungnahme zum Armuts- und Reichtumsbericht (pdf)
- Link zur offiziellen Webseite zum Armuts- und Reichtumsbericht, dort Dokumentation des Symposiums mit dem Beraterkreis und Link auf die vollständige Studie zu Ungleichheit und politischen Entscheidungen
- Tagesspiegel: Nahles wirbt für gestrichene Passagen
Fotos: Peter Altmaier (Wikipedia, Rudolf Simon, CC BY-SA 3.0), Andrea Nahles (Martin Rulsch, Wikimedia Commons)
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