Lobbyregister

Baku-Connection: CDU-Abgeordnete bekam dubiose Gelder aus Aserbaidschan

Die Affäre um dubiose Geldströme aus dem autoritär regierten Aserbaidschan weitet sich aus. Neu im Fokus steht die CDU-Abgeordnete Karin Strenz. Sie soll Gelder von einer Firma erhalten haben, die offenbar bezahlte Lobbyarbeit für das umstrittene Regime in Aserbaidschan leistete. Es besteht der Verdacht der Bestechlichkeit.
von 20. September 2017

Die Affäre um dubiose Geldströme aus dem autoritär regierten Aserbaidschan weitet sich aus. Neu im Fokus steht die CDU-Abgeordnete Karin Strenz, die erneut für den Bundestag kandidiert. Gestern berichteten Süddeutsche Zeitung und Report Mainz, dass sie Gelder von einer Firma erhielt, die offenbar bezahlte Lobbyarbeit für das umstrittene Regime in Aserbaidschan leistete. Außerdem gründete sie selbst eine Firma, deren Geschäftszweck nach Lobbyarbeit klingt. Die Offenlegung der Firmenbeteiligung umging sie, indem sie die Anteile auf ihren Mann übertrug. Wenn es einen Zusammenhang zwischen den Geldflüssen und den parlamentarischen Aktivitäten von Karin Strenz gab, würde sich die Frage stellen, ob es hier um Abgeordnetenbestechung geht.

Freundlichaftliches Verhältnis: Karin Strenz überreicht Aserbaidschans Präsident Alijew ein Gastgeschenk. Screenshot: Report Mainz/ ARD von Screenshot www.azertag.az

Karin Strenz war in den Jahren 2014 und 2015 als Beraterin für die Firma „Line M-Trade“ tätig. Laut ihren Nebentätigkeiten-Angaben hat sie für „Beratung“ Einkünfte in Höhe der Stufe 3, also insgesamt mindestens 15.000 Euro, erhalten. Gründer und Geschäftsführer dieser Firma war der Aserbaidschan-Lobbyist Eduard Lintner. Der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär erhielt laut Medienrecherchen zwischen 2012 und 2014 mehr als 800.000 Euro aus Aserbeidschan, die über verschiedene Briefkastenfirmen an ihn gezahlt wurden. Gegenüber Report Mainz sagte Lintner: „Die Firma wurde von mir auf Anraten aus Aserbaidschan gegründet. Line M-Trade diente ausschließlich dazu, vereinbarte Gelder aus Aserbaidschan nach Deutschland zu transferieren, um Aktivitäten zu finanzieren.“

Demnach hatte Line M-Trade keinen eigenen Geschäftsbetrieb, für den Strenz Beratungsdienste hätte leisten können. Es stellt sich daher die Frage: Wofür bekam Strenz dann Geld von Line M-Trade? Karin Strenz muss umgehend offen legen, welche Leistungen sie für Line M-Trade beziehungsweise Aserbaidschan erbracht hat. Leider scheint Frau Strenz zu versuchen, das Thema bis nach der Wahl auszusitzen und wimmelt Anfragen dazu ab. Das ist untragbar. Denn es geht hier um brisante Fragen. Wenn es einen Zusammenhang zwischen den Zahlungen und parlamentarischen Aktivitäten von Karin Strenz gab, stellt sich nämlich die Frage, ob es hier um Abgeordnetenbestechung geht. Wenn Strenz nicht selbst schnell für lückenlose Aufklärung sorgt, sollte eine Staatsanwaltschaft die Vorgänge unter die Lupe nehmen.

Fakt ist: Karin Strenz gilt als treue Unterstützerin Aserbaidschans, pflegt ein gutes Verhaltnis zum Machthaber Ilham Alijew. So stimmte sie im Juni 2015 im Europarat als einzige Deutsche gegen eine Forderung, politische Gefangene in Aserbaidschan freizulassen. Im aserbaidschanischen Staatsfernsehen trat sie auf, um den Wahlen dort ein gutes Zeugnis auszustellen – im Widerspruch zu den Erkenntnissen der OSZE. Beobachter berichten von einem freundschaftlichen Umgang mit Präsident Alijew. Während eines Treffens mit Alijew vor zwei Jahren forderte sie ihn laut Augenzeugenbericht der Abgeordneten Tabea Rößner (Bündnis ’90/Die Grünen), die ebenfalls am Treffen teilnahm, auf, „Kritik an seinem Land an sich abperlen zu lassen“, berichtete Report Mainz.

Verschwiegene Firmenbeteiligung

Anfang 2014 gründete Karin Strenz zudem als Geschäftsführerin und Gesellschafterin die Firma Extent GmbH. Laut Süddeutscher Zeitung zusammen mit einer langjährigen Mitarbeiterin der „Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen“ (Gefdab). Hinter Gefdab steht erneut Eduard Lintner.

Das Ziel von Extent ist laut Handelsregister die „Beratung und Begleitung nationaler und internationaler Kunden in rechtspolitischen, europarechtlichen, völkerrechtlichen sowie wirtschaftlichen Angelegenheiten“. Das klingt stark nach Lobbyarbeit. Deshalb ist auch hier zu klären, welche Verbindung es zwischen der Firma und den politischen Aktivitäten von Frau Strenz gibt und gab. Strenz muss auch offenlegen, welche Einkünfte sie oder ihr Mann aus der Firma Extent GmbH zogen, für welche Kunden die Firma tätig war und was die Firma jeweils für die Kunden machte.

Eigentlich hätte Frau Strenz ihre 50%ige Beteiligung an Extent GmbH nach den Verhaltensregeln für Abgeordnete angeben müssen. Aber auf Strenz offizieller Bundestagsseite ist die Firma nicht zu finden. Denn kurz nach der Gründung nutzte sie einen Trick: statt für Transparenz zu sorgen, überschrieb sie ihre Anteile an ihren Mann. Sie verheimlichte damit ihre finanzielle Beteiligung an einer Firma, die mutmaßlich Lobbyarbeit machte. Diese Heimlichtuerei ist politisch nicht tragbar. Politiker und Politikerinnen sollten sich generell nicht an Firmen beteiligen, die Lobbydienstleistungen anbieten. Sie geraten sonst in einen Interessenkonflikt zwischen finanziellen Interessen und politischer Integrität.

Schwache Lobbyregulierung hilft autoritären Regimen

Der Fall Strenz zeigt auch, dass die Lobbyregulierung in Deutschland zu schwach ist. Es fehlt ein verpflichtendes Lobbyregister. Das macht es schwer herauszufinden, ob Firmen wie die Extent GmbH Lobbyarbeit gemacht haben, für welche Kunden und mit welchen Budgets. Außerdem ist es problematisch, dass Nebenjobs als Lobbyisten für Abgeordnete ohne Einschränkung möglich sind und Firmenbeteiligungen durch Umschreiben der Anteile auf Ehepartner einfach verheimlicht werden können. Die Parteien müssen hier endlich für mehr Transparenz und strikte Regeln sorgen. Die Union gehört dabei seit Jahren zu den Blockierern. Sie trägt damit eine Verantwortung auch für Einzelfälle wie Karin Strenz. Die schwache Lobbyregulierung erleichtert es autoritären Regimen in Deutschland Netzwerke von ehemaligen und aktiven Politikern aufzubauen. Dies muss ein Ende haben.

Update 20.9.2017:
Karin Strenz hat inzwischen auf Facebook eine „Klarstellung“ aus ihrer Sicht veröffentlicht. Diese ist aber völlig unzureichend. Erstens geht die Erklärung überhaupt nicht auf die von Strenz mitgegründete Firma Extent GmbH ein. Zweitens steht ihre Erklärung zu den Gelder von Line M-Trade im Widerspruch zu den Aussagen Eduard Lintners.

Strenz schreibt: „Ich hatte November 2014 – Januar 2015 für den Zeitraum von drei Monaten einen Beratervertrag mit der Firma Line-M-Trade. Dabei ging es um die Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Blick auf die mögliche Schaffung neuer Arbeitsplätze.“
Lintner dagegen hatte Report Mainz gesagt: „Line M-Trade diente ausschließlich dazu, vereinbarte Gelder aus Aserbaidschan nach Deutschland zu transferieren, um Aktivitäten zu finanzieren.“

Es ist nicht erkennbar, dass Line M-Trade jemals einen eigenen Geschäftsbetrieb hatte. Strenz Erklärung bleibt deshalb fragwürdig, solange sie nicht genauer ausführt, um welche wirtschaftlichen Projekte es bei Line M-Trade gegangen sein soll (wenn es sie überhaupt gab). Sie sollte alle Unterlagen zu den Zahlungen von Line M-Trade veröffentlichen.

Update 22.9.:
Auch der NDR befasst sich kritisch mit der Erklärung von Strenz: sie werfe mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Der Beitrag geht auch darauf ein, dass Strenz die Regeln als Wahlbeobachterin für die Parlamentarischen Versammlung des Europarats verletzt habe.

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