Lobbyismus an Schulen

Zweitklässler singen REWE-Werbelied während der Schulzeit

70 GrundschülerInnen aus Hannover sangen bei einer Weihnachtswette im Supermarkt ein Loblied auf REWE und bekamen dafür eine Spende über 500 Euro an den Förderverein der Schule. Auch in anderen Orten gab es solche Wetten. Mit dieser Aktion hat REWE Kinder als Werbebotschafter instrumentalisiert und Einfluss auf den Unterricht genommen. Der Fall zeigt auf, dass Schulfördervereine stärker reglementiert werden müssen.
von 15. Januar 2018
Weihnachtswette: REWE-Markt wirbt mit Zweitklässlern

Auf Facebook wirbt der REWE-Markt mit Bildern von der Aktion; Quelle: Facebook-Seite des REWE-Markts

Zur Weihnachtszeit wird in Schulen viel gesungen, besonders Weihnachtslieder stehen hoch im Kurs. An einer Grundschule in Hannover erklangen aber Textzeilen wie „Mit REWE können wir uns freu’n“ und „So ein lust’ger Tag ist heute, weil wir jetzt bei REWE sind“. Die SchülerInnen probten für die Weihnachtswette des lokalen REWE-Markts. Dieser hatte dem Förderverein der Schule 500 Euro versprochen, wenn er es schafft mindestens 50 SchülerInnen in den REWE-Markt zu bekommen, um ein Loblied auf REWE zu singen.

Der Ausflug zum Supermarkt war eine Aktion des Fördervereins, trotzdem fand er an einem Wochentag um 12 Uhr, also eigentlich zur Unterrichtszeit, statt. Über 70 ZweitklässlerInnen waren dann vor Ort, um dieses Lied zu singen:

„Heute Leute, wird’s was geben. Mit Rewe können wir uns freu’n.
Ein großer Scheck ist zu vergeben. Für’n guten Zweck, kommt alle rein! Heisa, heut im Rewe Markt.
So ein lust’ger Tag ist heute, weil wir jetzt bei REWE sind. Tanzen, singen, all die Leute.
Kommt und macht doch mit geschwind! Schöne Wette, schöner Tag, heisa, heut im REWE-Markt.“

Die Werbebotschaft von REWE wurde schon zuvor durch das Proben des Liedes im Unterricht transportiert. Zusätzlich instrumentalisiert REWE die SchülerInnen als Werbebotschafter direkt vor Ort im Markt. Einflussnahme auf den Unterricht und Instrumentalisierung von SchülerInnen sind zwei Phänomene des Lobbyismus an Schulen, die wir immer wieder beobachten. Wir haben den Fall in verschiedenen Medien kritisiert (HAZ, Spiegel-Online). Der Schulleiter der Schule in Hannover hat das Gespräch mit LobbyControl gesucht und sieht ein, einen Fehler gemacht zu haben. Gemeinsam mit den Eltern und KollegInnen möchte er den Fall nun aufarbeiten und Regeln für Sponsoring finden.

Die Unterfinanzierung der Schulen führt dazu, dass gerade engagierte Schulen, die ihren SchülerInnen eine gute Lernausstattung bieten wollen, oftmals auf Sponsoring zurückgreifen. Ein Blick auf die Rechtslage in Niedersachsen zeigt die schwierige Entscheidung, vor der die Schulleitungen stehen. In einem Rundschreiben wies die niedersächsische Landesschulbehörde im Januar 2017 darauf hin, dass bei Durchführung von Kooperationen „insbesondere daraufhin zu überprüfen (sei), ob der pädagogische Nutzen tatsächlich den Werbeeffekt deutlich übersteigt.“ Mit dieser Abwägung werden die Schulen aber regelmäßig allein gelassen . Wie bewertet man den pädagogischen Nutzen von 500 Euro? Ein Verbleib der Entscheidung bei den einzelnen Schulen führt zu der Versuchung die finanziellen Bedürfnisse der Schule gegen die Abhängigkeiten auszuspielen. Aber auch hierbei sollte der pädagogische Nutzen klar erkennbar im Vordergrund stehen. Es muss eine Stelle bei den Kultusministerien geben, die eine unabhängige Prüfung von Sponsoringmaßnahmen vornimmt, bevor diese geschlossen werden.

Diese Aktion von REWE ist kein Einzelfall, auch außerhalb von Hannover fand die Weihnachtswette statt. In vielen Städten (z.B. Rathenow, Brandenburg, Jena, Wolfenbüttel) spendeten die lokalen REWE-Märkte gegen Weihnachtsbesuche durch Sportvereine, Kitas und Schulen. Nach Informationen des Göttinger Tageblatts hat es dieses Jahr etwa 20 Weihnachtswetten gegeben. Die Intention der REWE-Märkte scheint klar: positive Erwähnung in der Lokalpresse, Kontakt zu vielen potentiellen Kunden (Eltern und SchülerInnen) und ein positives Image aufgrund der Förderung von Schulen. Die kommerziellen Interessen brachte die REWE-Filialleiterin in Jena auf den Punkt: „Viele Kinder und Eltern gehen hier einkaufen, da wollten wir auch etwas zurückgeben.“

In Bad Liebenwerda gibt die REWE-Marktleiterin an, von dem Wunsch der örtlichen Grundschule nach einem Digitalen Whiteboard gehört zu haben und dieses unterstützen zu wollen. Der Förderverein wird also nur als Zwischeninstanz genutzt, um an Schulen zu spenden. Auch die Aktion in Hannover wäre wohl rechtlich nicht zu beanstanden gewesen, wenn sie außerhalb der Schulzeit stattgefunden hätte. Hier zeigt sich, dass Schulfördervereine eine rechtliche Lücke für bedenkliches Schulsponsoring bieten. Sie sind rechtlich eigenständig und unterliegen damit nicht der Landesgesetzgebung für Schulen. Die Politik muss die Gesetze so ändern, dass die Schulfördervereine in die Regeln des Schulsponsorings mit einbezogen werden.

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