Ab heute regiert König Fußball – wer schaut da noch hin, was im Bundestag passiert? So scheint das Kalkül der Großen Koalition zu sein, die morgen im Eilverfahren die staatliche Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro erhöhen will. Dabei begehen Union und SPD ein Foul an der Demokratie – und das Resultat dieses Spielzugs dürfte zudem als Eigentor gelten.
Als der Plan letzte Woche bekannt wurde, ging ein Aufschrei durch Oppositionsparteien und Medien. Weitgehend zu Recht: Denn mehr Staatsgeld könnte zwar dazu dienen, Parteien unabhängiger von Großspendern, Sponsoren und deren Interessen zu machen. Doch es ist offenbar nicht im Sinne der Koalition, dem demokratischen Prinzip „ein Mensch, eine Stimme“ mehr Geltung zu verschaffen.
Denn sie weigert sich, im Gegenzug endlich Obergrenzen für Parteispenden einzuführen und das Parteisponsoring offenzulegen, mit dem Unternehmen und Verbände den Parteien jedes Jahr auf undurchsichtige Weise Millionenbeträge zukommen lassen. Nicht nur wir mahnen dies seit Jahren an – auch die Anti-Korruptionsgruppe des Europarats (GRECO) hat Deutschland immer wieder aufgefordert, für mehr Transparenz zu sorgen. Aber die GroKo stellt sich immer noch taub.
Besonders frech: Union und SPD begründen ihre Eigenmittel-Erhöhung unter anderem mit angeblich gestiegenen Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen. Doch genau um deren Verschärfung drückt sich die Koalition seit vielen Jahren! Wenn sie sich aber selbst mehr Geld genehmigen will, muss es plötzlich ganz schnell gehen. Offenbar will die Bundesregierung mit einem Hauruck-Verfahren eine öffentliche Debatte über die Parteienfinanzierung verhindern.
„Widersprüchlich, verfassungswidrig, verheerend“
Mit einer unverschämt kurzen Frist setzte sie die bei solchen Vorhaben übliche Expertenanhörung im Innenausschuss an. Deshalb hatten noch am letzten Werktag vor der Anhörung drei der sieben Fraktionen keine Sachverständigen benannt. Und von den erschienenen Gutachter*innen schafften es nur drei, eine schriftliche Stellungnahme einzureichen – eine halbe Stunde vor der Sitzung.
Entsprechend groß war der Unmut in der Expertenrunde, nicht nur über den ihr abverlangten Schweinsgalopp. Auch der fehlende Einbezug der Opposition – ein Verstoß gegen eherne Verfahrensregeln bei der Parteienfinanzierung – und die Unausgewogenheit von Geben und Nehmen im GroKo-Entwurf stießen manchen sauer auf: „Widersprüchlich“ und „verfassungswidrig“ sei dieses Vorhaben (Sophie Schönberger, Uni Konstanz), „schlicht verheerend“ für die Demokratie (Michael Koß, Uni München).
Die Gutachter der GroKo hingegen folgten der Linie der Koalition, die Parteien bräuchten zusätzliche Millionen, um die Kosten der Digitalisierung, die Präsenz in Sozialen Medien oder die Organisation von mehr Mitgliederbeteiligung zu tragen. Dabei ließen sie jedoch völlig außer acht, dass Digitalisierung auch in vielerlei Hinsicht Kosten senkt – und dass deshalb eine mittellose Kleinpartei wie die Piraten mehr innerparteiliche Demokratie zuwege brachte als die etablierten Parteibürokratien. „Wie hältst du es mit dem Geld?“ ist zwar eine Gretchenfrage der Demokratie – aber das heißt im Umkehrschluss eben nicht, dass Demokratie immer viel Geld kosten muss.
Die Öffentlichkeit in der Abseitsfalle
Die Politikverdrossenheit vieler Menschen wird durch den Eindruck einer „Selbstbedienung“ der Regierungsparteien allerdings verstärkt – und das kann einer Erosion der Demokratie weiteren Vorschub leisten. Die derzeitigen Transparenzregeln reichen nicht, um diese Tendenz auszubremsen. Das zeigen auch die Ende Mai endlich veröffentlichten Rechenschaftsberichte der Parteien für 2016. Schon die enorme zeitliche Verzögerung der Berichte widerspricht der Anforderung des Bundesverfassungsgerichts, die Wählerinnen und Wähler sollten sich über mögliche finanzielle Einflussnahmen auf die Parteien informieren können – denn die Zahlen kommen erst, wenn die jeweiligen Wahlen längst gelaufen sind.
Die Parteien geben sich nach Ablauf des Berichtsjahrs ein volles Jahr Zeit für die Erstellung der Berichte – davon träumt jede Kleinunternehmerin, die pünktlich im Mai ihre Steuererklärung abgeben muss. Und danach lässt sich der Bundestag fast ein halbes Jahr Zeit, um die Berichte ins Netz zu stellen. Dies tut er vorzugsweise an einem Brückentag oder wie diesmal an einem späten Freitagnachmittag, wenn die Republik schon mit dem Kopf im Wochenende steckt. Dass ausgerechnet das Parlament auf diese Weise der Öffentlichkeit regelmäßig eine Abseitsfalle stellt, ist einer Demokratie unwürdig.
Die Namen der Sponsoren, die Parteien unterstützten, fehlen auch diesmal in den Berichten. Deshalb taucht beispielsweise der Name Volkswagen AG darin nicht auf – obwohl der Skandalkonzern auch 2016 die Union, SPD, FDP und Grüne sponserte, mit insgesamt 142.500 Euro. Und die Namen der Geldgeber, die über einen Tarnverein Millionen in Wahlkampfmittel für die AfD gesteckt haben, sind ebenfalls weiterhin unbekannt (hier mehr Informationen zum Rechenschaftsbericht der AfD).
Die neuen Großspender-Daten jetzt in unserer Datenbank
Die Berichte zeigen nur, welche direkten Großspender den Parteien 2016 halfen, fünf Landtagswahlkämpfe zu finanzieren. Sie können diese Spenden jetzt im Detail recherchieren, denn wir haben die mehr als 1200 Datensätze einzeln erfasst und in unsere öffentliche Parteispenden-Datenbank eingepflegt. Damit haben wir eine Aufgabe übernommen, die eigentlich von der zuständigen Aufsichtsbehörde erledigt gehört. Doch die von Wolfgang Schäuble geführte Bundestagsverwaltung stellte wieder nur ein gescanntes und technisch fehlerhaftes PDF von über 300 Seiten ins Netz. Es weist zwar erstmals eine Suchfunktion auf, doch über diese werden Mehrfachspender irreführenderweise nur einmal gefunden. Bürgernahe und wahrhaftige Information sieht anders aus.
Deshalb haben wir, obwohl wir nur schmale Ressourcen zur Verfügung haben, im letzten Jahr eine umfassende Parteispenden-Datenbank in die Lobbypedia integriert. Sie gibt Ihnen schnell und einfach Auskunft über alle offiziellen Großspenden seit dem Jahr 2000. Schauen Sie mal rein – ich selbst bin immer wieder überrascht, welche Verbindungen dort sichtbar werden.
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