Am vergangenen Wochenende endete eine Ära. Unser Gründungsmitglied Dieter Plehwe hat sich auf der Mitgliederversammlung nach 13 Jahren als ehrenamtlicher Vorstand verabschiedet. Aus diesem Anlass baten wir ihn zum Gespräch. Welche Bilanz zieht Plehwe?
Lieber Dieter, mit welchen Gefühlen hörst Du nach 13 Jahren als Vorstand nun auf?
Dieter Plehwe: Mit gemischten Gefühlen. Es war eine intensive Zeit, vor allem die Anfangszeit mit unserem kleinen Team von vier Personen. Mit dem Wachstum und den neuen Büros in Köln und Berlin wurde es dann eine andere Arbeit. Daraus resultiert jetzt aber das Gefühl, dass die Zeit reif ist. LobbyControl ist groß geworden, viele Leute teilen sich viele Aufgaben. Eine gute Zeit für mich, um die Perspektive zu ändern. Ich höre ja auch nicht auf, sondern bleibe LobbyControl-Mitglied.
Was hat Dich positiv überrascht in den vergangenen 13 Jahren?
Dieter Plehwe: LobbyControl hat ja alle Erwartungen völlig übertroffen. Wir haben mit dem, was wir angezettelt haben, also die Kritik von Lobbyismus in den Medien bei Sabine Christiansen, das Europa-Thema oder die Bahnlobby-Skandale, für viel Furore und mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Ich hatte mir nicht im Traum ausgemalt, dass wir als kleine NGO ohne Ressourcen in die Lage kommen, so ein wichtiger Gegenspieler von Akteuren wie der Intiative Neue Soziale Marktwirtschaft (ISNM) zu werden. Das finde ich großartig. Unsere Anfangsanalyse der wachsenden Machtasymmetrien zugunsten von Konzernen verlangte nach neuen Gegenkräften. Es war überraschend, dass LobbyControl dieses Vakuum, natürlich gemeinsam mit anderen, ein Stück weit füllen konnte.
Wer wäre aus Deiner Sicht denn in Zukunft ein würdiger „Gegner“ für LobbyControl?
Dieter Plehwe: Am stärksten treibt mich die aktuelle Verschiebung von Kräfteverhältnissen in Deutschland und der EU nach rechts um. Wir wissen noch gar nicht genau, welche zentralen Kräfte sich da herausbilden, sowohl was die Übermacht von Konzernen betrifft, als auch Akteure, die antidemokratische politische Strukturen entwickeln. In Europa haben wir zum Beispiel die Ankündigung einer neuen Stiftung von Trumps Ex-Chefstrategen Steve Bannon. Die transnationale Zusammenarbeit in diesem Lager ist sehr stark, in Europa gibt es bereits die New Direction Foundation der „Allianz der Konservativen und Reformer in Europa“. Diese transnationale Formierung von rechten Wirtschaftskreisen, von Neoliberalen und Neokonservativen braucht eine neue Aufmerksamkeit. Es kommt darauf an, die Black Box der rechtspopulistischen Parteien aufzubrechen.
Wird dich dieses Thema nun auch in Deiner neuen freien Zeit als Forscher beschäftigen?
Dieter Plehwe: Na klar. Die stärkere Politisierung, die wir momentan erleben, birgt aber nicht nur Gefahren, sondern auch Möglichkeiten, wie die Proteste rund um den Hambacher Forst gezeigt haben. Es gibt also Grund für Optimismus.
Dein schönster LobbyControl-Moment?
Dieter Plehwe: Die 10-Jahresfeier mit dem Bild der vielen Kolleginnen und Kollegen der letzten Jahre. Das hat verdeutlicht, dass wir was bewegt haben, dass etwas gewachsen ist und auch eine Energie und Freude ausstrahlt, die man sich in der poltischen Auseinandersetzung einfach wünscht. Es lässt auch hoffen, dass dies ein Beispiel sein kann und ein Möglichkeitsraum. Wir schaffen manchmal mehr, als wir uns hätten träumen lassen.
Zur Person: Dieter Plewe gründete 2005 gemeinsam mit Heidi Bank, Ulrich Müller und Thomas Dürmeier LobbyControl. Der promovierte Politikwissenschaftler arbeitet am Wissenschaftszentrum Berlin, zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte und Soziologie des Neoliberalismus, die Internationalisierung von Konzernen sowie Lobbynetzwerke und die Rolle von Think Tanks. Lehr- und Forschungsaufenthalte in Yale, New York, Harvard und Wien.
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