Aus der Lobbywelt

„Eine Wirtschaftspolitik im Interesse von Blackrock führt direkt in die nächste Finanzkrise“

Die Republik diskutiert eifrig über Friedrich Merz und seinen geplanten Wechsel aus der Finanzindustrie in die Politik. Eine gute Gelegenheit, um darüber mit Gerhard Schick zu sprechen. Der grüne Finanzexperte geht den umgekehrten Weg, verlässt zum Jahresende den Bundestag um mit der „Bürgerbewegung Finanzwende“ die Finanzwirtschaft zu verändern. Eine Wirtschaftspolitik im Interesse von Blackrock und anderen großen Finanzakteuren würde direkt in die nächste Finanzkrise führen, warnt er.
von 7. November 2018

Gerhard Schick. Foto: Gerhard Schick/ Bürgerbewegung Finanzwende von Gerhard Schick/ Bürgerbewegung Finanzwende Alle Rechte vorbehalten

Es könnte das politische Comeback des Jahres werden: Der langjährige CDU-Spitzenpolitiker Friedrich Merz hat angekündigt, im Dezember als Nachfolger von Angela Merkel für den CDU-Parteivorsitz zu kandidieren.  Eine gute Gelegenheit, um darüber mit Gerhard Schick zu sprechen. Der Finanzexperte der Grünen geht gerade den umgekehrten Weg, verlässt den Bundestag zum Ende des Jahres, um mit der „Bürgerbewegung Finanzwende“ die Finanzwirtschaft von außen zu reformieren.

Sie verlassen den Bundestag zum Ende des Jahres um aus der Zivigelsellschaft heraus die Politik mit ihrer neuen „Bürgerbewegung Finanzwende“ zu verändern. Herr Merz geht den umgekehrten Weg, will als Finanzlobbyist und Aufsichtsrat des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock zurück in die Politik wechseln. Wie bewerten Sie seinen Schritt – und für welche Poltik steht er in Ihren Augen?

Gerhard Schick: Die entscheidende Frage ist, für welche Art von wirtschaftlichem Handeln Friedrich Merz steht. Deswegen sind die Fragen zur Rolle von Herrn Merz bei „Cum-Ex“-Geschäften seiner Arbeitgeber sehr wichtig. Steht Herr Merz für eine Leistungserbringung für die Kunden, für das Einhalten von Recht und Gesetz oder steht er für eine Finanzwirtschaft, in der getrickst und gemauschelt wird und wo man mit großer rechtlicher Expertise dann versucht, dass abzusichern?

Sie spielen auf Herrn Merz Rolle als Aufsichtsrat bei der Bank HSBC Trinkaus an, die in betrügerische „Cum-Ex“-Geschäfte verwickelt sein soll, sowie die Tätigkeiten seiner Anwaltkanzlei Mayer-Brown.

Schick: Genau. Es gibt Wirtschaftskanzleien, die ganz bewusst gesagt haben, zu Cum-Ex beraten wir nicht und wir verteidigen Kunden auch nicht, wenn sie illegitime Ansprüche gegenüber dem Fiskus durchsetzen. Nun arbeitet Herr Merz bei einer Kanzlei, die um Kunden wirbt, die wegen Cum-Ex-Geschäften ein Problem mit dem Fiskus haben. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es gibt sehr anständige Leute in der Finanzbranche und bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Aber es gibt auch Leute, die alles mitmachen, auch wenn Gesetze missachtet werden. Ich will Herrn Merz nicht vorverurteilen. Aber er muss die Frage klären, auf welcher Seite er stand in dieser Auseinandersetzung.

Timo Lange von LobbyControl kommentiert auf N24 die Kandidatur von Friedrich Merz als CDU-Chef. Foto: N24/ Screenshot von Screenshot N24

Sehen Sie bei Herrn Merz Interessenkonflikte wegen seiner zahlreichen Jobs in der Wirtschaft?

Schick: Sollte er im Falle seiner Wahl seine Posten aufgeben und sich dann mit voller Kraft der Vertretung der Bürgerinteressen widmen, wäre das OK. Der Wechsel aus verschiedenen Berufen in die Politik muss möglich sein. Aber er muss einen klaren Schnitt ziehen. Und dann müssen die Bürgerinnen und Bürger bewerten, ob sie meinen, dass Herr Merz ihre Interessen vertritt. Leute wie Herr Merz, die für große Unternehmen tätig waren, gelten ja häufig als kompetent. Es gibt dann die Vermutung, dass sie deswegen auch gute Wirtschaftspolitik machen. Aber die Frage ist doch: wessen Interessen vertritt Herr Merz eigentlich? Sollte er sich anschicken, eine Wirtschaftspolitik zu machen, die im Wesentlichen den Interessen von Blackrock und anderen großen Finanzakteuren dient, dann kann ich nur warnen. Das führt uns direkt in die nächste Finanzkrise. Wir bräuchten im Gegenteil eine Regulierung der Finanzmärkte. Aber da bin ich bei Herrn Merz skeptisch.

Warum?

Schick: Herr Merz hat eine Vorgeschichte. Er hat schon als Bundestagsabgeordneter das Lied der Deregulierung gesungen. Und er hat damals gegen die Veröffentlichung seiner Nebeneinkünfte geklagt und gezeigt, dass er gegen eine saubere Politik und die Offenlegung möglicher Interessenkonflikte ist.

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Herr Merz hat angekündigt, seine Wirtschaftsposten im Fall einer Wahl als CDU-Chef niederzulegen. Reicht das – oder brauchen wir, um Interessenkonflikte zu erkennen, noch weitere Schritte wie zum Beispiel die Offenlegung von Vermögenswerten und mögliche Aktienpakte?

Schick: Ja, das erwarte ich. In anderen Staaten ist es üblich, dass Leute, die für Spitzenämter kandidieren, ihre Vermögen offenlegen, um Interessenkonflikte zu erkennen. Bundesbankvorstände müssen ihre Akteinbestände auch so verwalten lassen, dass keine Interessenkonflikte entstehen und Insidergeschäfte möglich sind. Ich habe aber noch eine andere Frage an Herrn Merz: Will er sich dafür einsetzen, dass Unternehmen mit einer gefährlichen Machtzusammenballung – wie Blackrock – stärker reguliert werden? Diese Schattenbank konnte ja nur deshalb so groß werden, weil sie von einer stärkeren Regulierung des Sektors seit der Finanzkrise weitgehend unbehelligt blieb.

Welche Erfahrungen haben sie selber als Finanzpolitiker beim Thema Lobbyismus und dem Verwässern oder Aushöhlen von Regeln gemacht?

Schick: Es ist viel reguliert worden – aber nicht, wenn es um die Kerninteressen der mächtigen Finanzmarktakteure ging. Deswegen haben wir weiter Hochfrequenzhandel, sind die „too-big-to-fail“-Banken teilweise größer geworden, gibt es immer noch viele extrem komplexe Finanzprodukte sowie eine provisionsbasierte Finanzberatung. Das hat mit der Macht der großen Finanzunternehmen zu tun. Alle Staatschefs der Welt treffen sich gerne mit Blackrock-Chef Laurence Fink. Das sagt schon etwas. Ich bin da Ordnungspolitiker: wenn ökonomische Macht zu politischer Macht wird, haben wir ein Problem.

Hat bei der Gründung ihrer NGO und dem Abschied vom Bundestag Frust eigentlich auch eine Rolle gespielt? Oder glauben Sie einfach, dass Sie mit einer Nicht-Regierungs-Organisation mehr bewirken können als im Bundestag?

Schick: Die Frage ist nicht: NGO oder Parlament. Auch im Parlament kann man einiges bewirken. Aber bisher waren bei diesem Thema viele Leute einzeln unterwegs. Wir haben es nicht geschafft, genug politisches Gewicht auf die Waage zu bringen, um der Macht der Finanzbranche etwas entgegenzustellen. Das schaffen wir nur gemeinsam und mit einer breit aufgestellten Organisation, die Bürgerinnen und Bürgern aufklärt, vertritt und ihnen politische Handlungsmöglichkeiten bietet. Deswegen wollen wir nun die Kräfte bündeln. Eine NGO ist dafür der richtige Ort und der Aufbau erfordert meine ganze Kraft.

Zur Person: Gerhard Schick ist promovierter Volkswirt und seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags für Bündnis 90/ Die Grünen. Von 2007 bis 2017 war er finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion und Mitglied des Untersuchungsausschusses zum „Cum-Ex“-Steuerskandal. Im August 2018 kündigte er an, sein Bundestagsmandat zum Jahresende niederzulegen, um sich ganz seiner Arbeit als Vorstand der von ihm mit initiierten neuen Nichtregierungsorganisation „Bürgerbewegung Finanzwende“ zu widmen.

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