Die PR-Maßnahmen der EU-Kommission erreichen beim Handels- und Investitionsabkommen der EU mit Singapur (EUSIPA) ein neues Level: Dauerhafter Konzerneinfluss auf Gesetzgebung und ein undemokratischer Prozess zur Angleichung von Standards und Regeln werden in Kapitel 13 des Handelsabkommens absurderweise als „Transparenz“ bezeichnet und festgeschrieben. Hinter dem Wort Transparenz verbirgt sich jedoch vor allem eines: Das frühzeitige Einbeziehen von Lobbyisten und die Schwächung der Parlamente bei der EU-Gesetzgebung – über sogenannte regulatorische Kooperation. Auch EUSIPA zeigt, dass die Kommission die Forderungen der globalen Business aufgreift und in Handelsabkommen festschreibt.
Abkommen vom Europäischen Parlament durchgewunken
Ratifiziert wurde das EUSIPA-Abkommen mit Singapur leider bereits Mitte Februar von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Und das, obwohl darin einseitige Konzernklagerechte sowie die oben erwähnten Mitspracherechte von Unternehmenslobbyisten bei der Gesetzgebung über regulatorische Kooperation verankert sind. Noch können die Parlamente der Mitgliedstaaten gegen Konzernklagerechte stimmen, die regulatorische Kooperation ist jedoch damit bereits in Kraft.
Kapitel zu Transparenz stärkt EU-Kommission und Einfluss von Lobbyisten
Bemerkenswert ist dabei der Name für regulatorische Kooperation. Anders als das Wort „Transparenz“ vorgibt, räumt auch EUSIPA in Kapitel 13 Konzernlobbyisten Mitspracherechte bei der Gesetzgebung ein. „Transparenz“ soll es demnach vor allem über Gesetze geben, die den Handel beinträchtigen könnten – und zwar Transparenz für die Ministerien der Handelspartner und für Lobbyisten, die darauf Einfluss nehmen wollen.
Konkret sind in Kapitel 13 regelmäßige Konsultationsprozesse zu neuen Regeln und Gesetzen mit Lobbyisten vorgesehen. Ein Frühwarnsystem informiert die Handelspartner im Fall von neuen Gesetzen, die den Handel zwischen den beiden Vertragsparteien EU und Singapur beeinträchtigen könnten. Sogar ein Überprüfungsmechanismus für bereits bestehende Gesetze und ihre Folgen für den Handel ist mit Artikel 13.6 enthalten.
Wie regulatorische Kooperation institutionell ausgestaltet werden soll, bleibt in Kapitel 13 bislang unklar. Sie ist jedoch über Kapitel 16 zu institutionellen Angelegenheiten möglich. Erst einmal ist sie demnach im EUSIPA-Handelsausschuss angesiedelt (siehe Kapitel 16) – die Gründung weiterer Gremien ist jederzeit möglich.
Klar ist gleichzeitig, dass diese Gremien aus Vertreterinnen und Vertretern der EU-Kommission und dem Handels- und Industrieministerium von Singapur bestehen werden – nicht etwa aus Abgeordneten von Parlamenten. Auch wenn sie weniger deutlich ausbuchstabiert ist, ähnelt regulatorische Kooperation mit Singapur damit vergleichbaren Handelsabkommen mit Kanada (CETA) und Japan (JEFTA):
Handelskommissarin Malmström setzt damit die Wünsche der internationalen Business Community um, die seit Jahren das Lobbyvehikel in Handelsabkommen fordert. Offensichtlich bekommen die Wirtschaftslobbisten, was sie wollen. Neben der EU sind es auch die USA, die das Instrument in Handelsabkommen festschreiben, zuletzt im nordamerikanischen Handelsabkommen USMCA.
Jubel und Beifall bekommt die EU-Handelskommissarin dafür von Wirtschaftsverbänden weltweit. Ob vom Bundesverband der Deutschen Industrie, dem größten europäischen Arbeitgeberverband BusinessEurope, der US-Handelskammer oder eben dem japanischen Wirtschaftsverband KEIDANREN. Schließlich ist die regulatorische Kooperation für sie extrem wichtig. Wenn es nach dem Willen der Verbände geht, dann sollen sie künftig über diesen Mechanismus an Gesetzen mitschreiben, die sie selbst betreffen.
Grundlegende Probleme von regulatorischer Kooperation
Problematisch daran sind jedoch vor allem drei Dinge:
- Erstens wird der Einfluss von Lobbyisten explizit in den Abkommen festgeschrieben.
- Zweitens werden Regeln und Gesetze in erster Linie unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ob sie den Handel befördern oder nicht. Diese Perspektive ist problematisch, weil sie einseitig ist: Wenn etwa Kanada, einer der größten Produzenten von genmanipulierten Produkten, sagt, dass das Verbot dieser Produkte auf dem europäischen Markt ein Handelshemmnis sei, dann muss die EU darüber in Austausch treten, ob sie dieses Verbot aufrechterhalten darf. Damit gerät die EU unter Druck, ihr Verbot von genmanipulierten Produkten aufrechtzuerhalten – eine negative Folge regulatorischer Kooperation.
- Doch inakzeptabel ist vor allem auch, wie die EU-Handelsdirektion versucht ihren Einfluss auf die Gesetzgebung auszubauen: Denn zuständig dafür sind laut den Abkommen nur Beamte von Ministerien – nicht etwa Abgeordnete des Europäischen Parlaments oder der nationalen Parlamente.
Demokratische Kontrolle regulatorischer Kooperation möglich?
Eine Einbindung der Parlamente – und nicht nur des Handelsausschusses, sondern auch weiterer betroffener Ausschüsse – etwa Umwelt, wenn es um Umwelregelungen geht – ist die Grundvoraussetzung dafür, dass demokratische Kontrolle der Verfahren von regulatorischer Kooperation gewährleistet ist. Eine Einbindung der betroffenen Ressorts würde auch dafür sorgen, dass die einseitige Perspektive – Handel über alles – nicht bei der Entscheidungsfindungen dominiert.
Eine Ausweitung der Macht und des Einflusses des Handelsressorts innerhalb der Kommission und eine weitere Schwächung der Parlamente – wie über CETA, JEFTA und EUSIPA – ist schädlich für die Europäische Demokratie. Hinzu kommt der frühe Einfluss von Lobyisten auf die Gesetzgebung. Wir sagen: Mindestvoraussetzung, um über regulatorische Kooperation im Handelsbereich zu reden, ist ihre demokratische Kontrolle. Doch eines ist inakzeptabel: Die Schwächung von Demokratie und die Ausweitung von Konzerneinfluss als „Transparenz“ zu bezeichnen.
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