Lobbyismus und Klima

Monsanto: noch mehr unsaubere Glyphosat-Studien

Anfang Dezember berichteten wir über Glyphosat-Studien, die Monsanto verdeckt finanziert und für die eigene Lobbyarbeit eingesetzt hatte. Nun stellt sich heraus, dass der Fall noch größere Ausmaße hat. Es gab weitere verdeckt finanzierte Studien in Großbritannien. Auch mit diesen Studien wollte Monsanto die Debatte um die Wiederzulassung von Glyphosat beeinflussen. Gleichzeitig zeigen die Reaktionen auf unsere erste Recherche, dass wir einiges ins Rollen gebracht haben. Das ist gut und ermutigend.
von 12. März 2020

Anfang Dezember berichteten wir über Glyphosat-Studien, die Monsanto verdeckt finanziert und für die eigene Lobbyarbeit eingesetzt hatte. Nun stellt sich heraus, dass der Fall noch größere Ausmaße hat. Es gab weitere verdeckt finanzierte Studien in Großbritannien. Auch mit diesen Studien wollte Monsanto die Debatte um die Wiederzulassung von Glyphosat beeinflussen. Gleichzeitig zeigen die Reaktionen auf unsere erste Recherche, dass wir einiges ins Rollen gebracht haben. Das ist gut und ermutigend.

Von Christina Deckwirth und Ulrich Müller

Ein Blick zurück: Lobbystudien bezahlt von Monsanto

Zur Erinnerung: Während in den Jahren 2010 bis 2017 über die Neuzulassung des Unkrautvernichters Glyphosat diskutiert wurde, veröffentlichte das private Institut eines Gießener Universitätsprofessors zwei Studien zum Thema Glyphosat. Die Ergebnisse stellten den Nutzen von Glyphosat in den Vordergrund und warnten vor wirtschaftlichen Schäden durch ein mögliches Verbot des Pestizids. Die Botschaften der Studien verbreiteten sich in Fachöffentlichkeit und Politik. Was nicht erkennbar war: Die Studien wurden von Monsanto beauftragt und finanziert. Das brachte erst unsere Recherche an die Öffentlichkeit.

Unsere Recherchen hatten schon im Dezember direkte Wirkung: Bayer, der heutige Mutterkonzern von Monsanto, räumte auf unsere Anfrage hin ein, dass die Studien tatsächlich von Monsanto beauftragt und finanziert waren. Das Journal für Kulturpflanzen, in dem die Studienergebnisse veröffentlicht wurden, stellte einen Rückzug der Artikel in Aussicht. Auch die Universität Gießen ging auf Distanz zu ihrem Professor und wollte Änderungen an der eigenen Satzung prüfen. Wir haben nun bei den betroffenen Akteuren nachgefragt, was sich inzwischen getan hat. Und wir haben weitere Studien zu Glyphosat unter die Lupe genommen.

Bayer kündigt Transparenzregister für Forschungskooperationen an

Bayer hatte bereits im Dezember die Finanzierung der Studien durch Monsanto eingestanden. Das Unternehmen sagte außerdem, dass intransparente Wissenschaftsfinanzierung ihren ethischen Standards widerspräche. Es kündigte ein Kooperationsregister an, in dem alle Forschungskooperationen einschließlich wissenschaftlicher Aufsätze verzeichnet werden sollen. Dies sei Teil ihrer neuen Statuten im Umgang mit Öffentlichkeit und Politik. Wir sind nun gespannt darauf, wann das Kooperationsregister veröffentlicht wird und welche Erkenntnisse sich daraus ergeben.

Wir hatten Bayer schon im Dezember gefragt, welche weiteren Studien Monsanto bzw. Bayer zu Glyphosat in Auftrag gegeben haben. Darauf aber bekamen wir zunächst keine Antwort. Erst auf mehrmaliges Nachhaken zu einzelnen Studien, räumte Bayer ein, dass auch ähnliche Studien in Großbritannien von Monsanto finanziert wurden.

Großbritannien: weitere Fälle verdeckter Finanzierung

Konkret handelt es sich um zwei Studien aus Großbritannien, die in der Fachzeitschrift „Outlooks on Pest Management“ veröffentlicht wurden (Titel siehe unten) – jeweils ohne Kennzeichnung, dass die Finanzierung von Monsanto stammte. Anders als im Gießener Fall ist hier allerdings klar erkenntlich, dass die Studien von einer Beratungsfirma kamen. Sowohl die Beratungsfirma RSK Adas als auch Bayer haben uns gegenüber bestätigt, dass Monsanto die Studien finanziert hat. Monsanto hat also mit Fallstudien aus mehreren Ländern versucht, einen Pro-Glyphosat-Diskurs aufzubauen.

Denn auch diese Studien nutzte Monsanto für seine Lobbyarbeit. Die „Glyphosate Task Force“ bezog sich auf die Studien. Die Finanzierung durch Monsanto wurde dabei nicht erwähnt. In der Glyphosate Task Force hatten sich Monsanto und weitere Glyphosat-Hersteller zusammen geschlossen, die gemeinsam die Wiederzulassung von Glyphosat in der EU beantragt hatten. Auch die National Farmer's Union, also der englische Bauernverband, verwendete die Studien in der eigenen Kampagne für den Erhalt von Glyphosat.

Dabei wurden die Veröffentlichungen als Forschung einer „unabhängigen“ Beratungsfirma dargestellt, was – angesichts der Monsanto-Finanzierung - schlicht falsch ist. Nachdem die britischen Zeitung Guardian die National Farmer's Union diese Woche angefragt hatte, hat diese nun einen Hinweis auf die Finanzierung durch Monsanto ergänzt. Auch der deutschsprachige Wikipedia-Eintrag zu Glyphosat nutzt eine der beiden Studien als Beleg für die negativen Folgen eines Glyphosat-Verbots. Die Gießener Studien sind in der Wikipedia inzwischen als Monsanto-finanziert gekennzeichnet.

Auffälligkeiten bei Daten und Annahmen

Ähnlich wie bei den Gießener Studien gibt es bei einer der beiden britischen Studien Auffälligkeiten bei den zugrunde liegenden Daten und Annahmen. Der Aufsatz aus dem Jahr 2010 behandelt die ökonomischen Auswirkungen eines möglichen Glyphosat-Verbots. Dazu beziehen sich die Autor/-innen auf offizielle Statistiken des britischen Landwirtschaftsministeriums. Allerdings hielte Monsanto – so heißt es im Aufsatz – die offiziellen Angaben zur Nutzung von Glyphosat für zu niedrig.

Mit dem Verweis auf den Einwand Monsantos wurden für einen Teil der Analyse wesentlich höhere Werte verwendet. Anstelle einer offiziellen Befragung, die immerhin 5 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche erfasste, verwendete man nun Annahmen aus zwei selbst organisierten Workshops mit unbenannten Agrarwissenschaftlern. Diese stammten vom Verband der unabhängigen Saatgutberater, deren Vorsitzender sich in der Vergangenheit immer wieder vehement für den Erhalt der Glyphosat-Zulassung einsetzte.

Monsanto hatte also offensichtlich direkten Einfluss auf die in der Studie verwendeten Daten. In einer ersten Antwort hatte die Beratungsfirma uns noch geschrieben, Monsanto habe keinerlei Einfluss auf die Inhalte der Veröffentlichung gehabt. Auf unsere Nachfragen zu der Auswahl der Daten hieß es dann, man wolle diese Fragen nicht kommentieren.

Es gibt weitere Auffälligkeiten: An anderer Stelle werden hohe Ertragseinbußen behauptet, falls eine Form der Glyphosat-Anwendung (die Vorsaatbehandlung) nicht mehr möglich sei. Die dafür als Beleg verwendete Quelle befasst sich aber primär mit anderen Pestiziden und kann die Annahme deshalb nicht überzeugend begründen. Auch unsere Fragen zu dieser Quelle und der hohen Annahme wollte die Beratungsfirma nicht beantworten.

Im Ergebnis führt die Verwendung dieser Daten und Annahmen dazu, dass die potentiellen Umsatzeinbußen für die Landwirtschaft wesentlich drastischer ausfallen. Diese Aussage stützte Monsantos Warnung vor Glyphosat-Verboten.

Glyphosat-Zulassung 2022: neue Studien beauftragt

Bayer hat nach eigener Auskunft inzwischen neue sozioökonomische Studien bei dem britischen Beratungsinstitut RSK Adas in Auftrag gegeben. Diese sind für das laufende Verfahren um eine Verlängerung der europäischen Glyphosat-Zulassung 2022 gedacht. Sie sollen dann als „Bayer on behalf of the Glyphosate Renewal Group“ gekennzeichnet werden („Bayer im Namen der Glyphosate Renewal Group“).

Bayer rückt damit zumindest an dieser Stelle von der intransparenten Lobbystrategie Monsantos ab. Bei der Aufarbeitung der Fälle aus der Vergangenheit zeigte sich Bayer allerdings weniger transparent und bestätigte vor allem das, was kaum noch abzustreiten war. Auf weitergehende Fragen hieß es oft nur, es lägen ihnen keine Informationen vor. Das betrifft etwa die Verwicklung von Bayer CropScience selbst in das Institut für Agribusiness, also das oben erwähnte private Institut des Gießener Professors.

Aufsätze zurückgezogen

Klare Schritte gab es beim Journal für Kulturpflanzen. Die Fachzeitschrift hat die Glyphosat-Aufsätze aus Gießen – über die wir im Dezember berichteten - inzwischen offiziell zurückgenommen. Als Grund nennt die Redaktion, Finanzquellen und damit verbundene mögliche Interessenkonflikte seien nicht offengelegt worden. Eine Offenlegung „hätte möglicherweise den Begutachtungsprozess beeinflusst.“ Ein solcher Vorgang kommt nicht häufig vor - und beruht auf klaren Richtlinien und einem intensiven Prüfverfahren der Fachzeitschrift.

Für die betroffenen Autoren und das private Institut für Agribusiness, aus dem die Studien stammten, ist das eine Blamage. Für die Öffentlichkeit und insbesondere auch für Monsanto und die Wissenschaftscommunity ist das ein klares Signal: Intransparente Finanzierung in der Wissenschaft ist unethisch und hat Konsequenzen. Das Julius-Kühn-Institut, das die Zeitschrift herausgibt, will zudem in Zukunft bei Tagungen mehr Transparenz über die Finanzierung eingereichter Beiträge einfordern.

Die Universität Gießen geht auf Distanz und prüft neue Regeln

Unsere Recherchen waren auch Thema für die Universität Gießen. Schon nach unserer ersten Recherche zu einer Studie des Instituts für Agribusiness für den Geflügellobbyverband ging es um die fragwürdige Doppelrolle des Professors - als Universitätsprofessor und als Leiter eines privaten Forschungsinstitut, das formal keine Verbindung zur Universität hatte. Die Universitätsleitung forderte damals von Prof. Schmitz, klar zwischen seiner Funktion als Professor und seinem privaten Institut zu trennen. Außerdem leitete die Universität umfassende Untersuchungen ein, für die sie durch unsere Recherche nun neues Material erhielt.

In einer Pressemitteilung kündigte die Universität an, aus Anlass unserer Recherchen zu prüfen, ihre Satzung zur „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ zu erweitern. Dieser fehle bislang eine „Regelung zur Angabe von Finanzierungsquellen in der Auftragsforschung“. Eine solche Ergänzung soll nun geprüft werden – und zwar ausdrücklich auch „mit Blick auf Studien und Publikationen, die im Rahmen von Nebentätigkeiten entstehen“. Das wäre ein echter Fortschritt, der auch anderen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen als Vorbild dienen könnte.

Da die Universität Gießen aber seit Dezember mit massiven Auswirkungen eines Hacker-Angriffs zu kämpfen hat, gibt es noch keinen neuen Stand. Die Universität bestätigte uns gegenüber aber, dass sie den Fall weiter verfolgen werden. Wir wollen uns deshalb in einiger Zeit erneut nach dem Stand der Dinge in Gießen erkundigen.

Professor Schmitz: „Ohne jede lenkende Einflussnahme“

Wenig souverän waren die Reaktionen von Professor P. Michael Schmitz, dem Haupt-Autor der beiden Glyphosat-Studien und Gründer des Gießener Institut für Agribusiness. Er räumte uns gegenüber weder explizit die Finanzierung noch die Beauftragung durch Monsanto ein. Auch dass er uns die Unwahrheit über die Finanzierung der Studien gesagt hatte, erwähnte er in seinen Stellungnahmen nicht.

Er rechtfertigte seine Studien einerseits damit, dass sie in jedem Fall wissenschaftlich korrekt seien und betonte sein hohes Renommee in Wissenschaftskreisen. Er habe „stets unabhängig und ohne jede lenkende Einflussnahme“ gearbeitet. Zudem verwies er darauf, dass zur Zeit der Erstellung der Studien es noch nicht üblich gewesen sei, die Herkunft von Drittmitteln anzugeben.

Zudem griff er uns und die an der Veröffentlichung beteiligten Medien in einer öffentlichen Stellungnahme an. Seine Vorwürfe: „Lobbyarbeit pur für die Befürworter eines Glyphosatverbots“, pauschale Schlussfolgerung und ein „ganz verzerrtes Bild vom Wissenschaftsbetrieb“. Er argumentierte, wir seien schon lange bekannt für unsere Kritik an Glyphosat, nun fehlten uns die inhaltlichen Argumente und daher würden wir nun ihn als Person diskreditieren.

Die Studien als Teil problematischer Lobby-Arbeit

Diese Vorwürfe sind falsch. Tatsächlich kamen wir gar nicht über das Thema Glyphosat auf das Institut für Agribusiness, sondern zunächst über eine Studie für die Geflügelzüchterlobby. Wir haben die Glyphosat-Studien vertieft aufgegriffen, als klar wurde, dass Herr Schmitz uns die Unwahrheit gesagt hatte und auch auf Anfrage die Beteiligung von Monsanto verschwiegen hatte.

Für uns geht es dabei um die Offenlegung einer unsauberen Lobby-Strategie von Monsanto, die auf vermeintlich unabhängige akademische Kronzeugen setzt und der Öffentlichkeit die eigene Beteiligung an Studien verschweigt. Diese Verschleierung der Finanzierung versucht die Grenzen zwischen Auftragsforschung und unabhängiger Wissenschaft zu verwischen. Das erschwert ein kritisches Hinterfragen der Studien und schadet der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft.

Wir haben diese Third-Party-Strategie bereits im Dezember ausführlicher beschrieben. Dort zeigen wir auch, dass die Glyphosat-Hersteller Ergebnisse der Studien in ihrer Lobbyarbeit einseitig und irreführend verwendet haben. Sie haben extreme Szenarien aus der Studie ohne korrekte Einordnung für die Stimmungsmache verwendet.

Insofern gibt es auch inhaltliche Fragen an die Studie und ihre Verwendung. Leider haben weder Bayer noch Prof. Schmitz auf die Frage geantwortet, ob Monsanto an der Auswahl der Szenarien in der Studie beteiligt war. Die Frage erscheint uns nun umso berechtigter, da in dem neuen Fall aus Großbritannien Monsanto offensichtlich Einfluss genommen hat.

Ausblick: Wie weiter?

Für uns ist es ermutigend, dass unsere Recherche Anstöße für mehr Transparenz liefern konnte. Wir werden die weitere Umsetzung im Auge behalten. Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen sollten klare Regeln haben, die Wissenschaftler/-innen auf die Offenlegung ihrer Geldgeber verpflichten. Das gilt auch für Auftragsforschung im Nebenjob. Denn diese intransparente Instrumentalisierung durch Unternehmen schadet der Wissenschaft insgesamt.

Auch bei Beratungsfirmen wie Adas wäre ein Umdenken wünschenswert. Wenn Studien sich auf aktuelle politische Debatten beziehen, sollten die Auftraggeber standardmäßig klar benannt werden. Das gilt auch für eine Glyphosat-Studie der Consulting-Firma Kleffmann aus 2017. Diese Studie trägt keinen Hinweis auf den Auftraggeber. Allerdings gab es zu dieser Veröffentlichung eine Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, die sie als Auftragsstudie für die Glyphosat-Hersteller auswies.

Außerdem zeigt unsere Recherche, wie wichtig es ist, dass es neben Auftragsforschung der Industrie auch unabhängige, öffentlich finanzierte Wissenschaft gibt. Immer wieder zeigen wissenschaftliche Analysen aus verschiedenen Themenbereichen, dass industriefinanzierte Studien häufiger zu industriefreundlichen Ergebnissen führen. Die Monsanto-Studien sind dafür ein gutes Beispiel. Im Vergleich zu öffentlich geförderter Forschung etwa von der Universität Göttingen fällt auf, dass die Monsanto-Studien zu höheren Ertragseinbußen und Verlusten bei einem Glyphosat-Verbot kommen (siehe dazu auch Schulte/Theuvsen 2015, S. 275). Hier tauchen an mehreren Stellen Fragen zu den verwendeten Daten, Annahmen und Szenarien auf.

Für die Debatte um die erneute Zulassung von Glyphosat im Jahr 2022 braucht es daher einen kritischen Blick auf neue Studien, die von Bayer oder anderen Glyphosat-Herstellern finanziert wurden.

Weitere Informationen

Literaturangaben zu den weiteren Glyphosat-Studien, die von Monsanto finanziert wurden:

Cook S., S. Wynn, Clarke J.H. (2010). How valuable is glyphosate to UK agriculture and the environment? Outlook on Pest Management 21(6), S. 280–284

Wynn S., Cook, S. & Clarke J.H. (2014) Glyphosate use on combinable crops in Europe: implications for agriculture and the environment. Outlooks on Pest Management 25 (5), S. 327-331.

Kleffmann 2017: Die wirtschaftliche Bedeutung von Glyphosat in Deutschland., hier auch die Kleffmann-Pressemtteilung zu der Studie

Foto: Pixabay/hpgruesen

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