Macht der Digitalkonzerne

Lobby-News Spezial: Corona und die Lobbyarbeit der Digitalkonzerne

Die vierte Ausgabe der „Lobby-News“ rund um die Corona-Krise legt einen Schwerpunkt auf die Digitalkonzerne. Sie profitieren von der Situation ökonomisch und sie versuchen, die Krise politisch für sich zu nutzen. Wir haben ein paar Artikel und Kommentare aus lobbykritischer Perspektive zusammengestellt.
von 30. April 2020

Die vierte Ausgabe der „Lobby-News“ rund um die Corona-Krise legt einen Schwerpunkt auf die Digitalkonzerne. In der Krise gewinnen digitale Angebote für unseren Alltag stark an Bedeutung, sei es bei der Arbeit, in der Bildung oder bei Freizeit und Konsum. Viele Digitalkonzerne werden deshalb zu den Krisengewinnern gehören. Sie profitieren ökonomisch und sie versuchen, die Krise politisch für sich zu nutzen. Wir haben ein paar Artikel und Kommentare aus lobbykritischer Perspektive zusammengestellt.

Bereits vor der Corona-Pandemie gehörten die Digitalkonzerne zu den größten Lobbyakteuren der Welt. Das zeigt ein Blick auf die Ausgaben für Lobbyarbeit in den USA: Facebook war 2019 das Unternehmen mit den höchsten Lobby-Ausgaben in den USA, dicht gefolgt von Amazon. Dieser Anstieg spiegelt den ökonomischen Aufstieg der Internet-Plattformen und zugleich ihre zunehmende Verstrickung in gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen wider. Auch im ersten Quartal 2020 stiegen die Lobbybudgets erneut deutlich an. Amazon steigerte seine Ausgaben im Jahresvergleich um 11% und Facebook sogar um mehr als 50% auf 5.3 Mio. US Dollar.

Regulierung verzögern und aufweichen

Die Digitalkonzerne verfolgen mit ihrer Lobbyarbeit in der aktuellen Situation zwei Ziele. Zum einen wollen sie mit Verweis auf die Corona-Krise strengere Regeln verhindern, etwa beim Datenschutz. Das zeigt eindrücklich ein Artikel im britischen Telegraph: Unmittelbar vor Beginn der Ausgangsbeschränkungen in den USA wendeten sich Mitte März eine Gruppe Lobbyisten von Facebook, Amazon, Uber, Twitter, Microsoft u.a. an den Justizminister von Kalifornien. Sie forderten, die Umsetzung des California Consumer Privacy Acts (CCPA) zu verschieben. Das Argument der Digitalkonzerne: Datenschutzregeln seien während der Corona-Pandemie schwierig umzusetzen. Das Gesetz ist vergleichbar mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung und wurde bereits 2018 verabschiedet. Am 1. Januar 2020 trat es in Kraft, Strafen sind aber erst ab Juni 2020 vorgesehen.

Zum anderen sehen die Digitalkonzerne in der Corona-Krise eine Gelegenheit, lästige bestehende Regelungen aufzuweichen oder sogar ganz zu beseitigen. Argumentiert wird, dass so besser auf die Corona-Krise reagiert werden könne. Die New York Times nennt ein passendes Beispiel: Demnach hätte Drohnenhersteller wie Amazon und die Alphabet-Tochtergesellschaft Wing versucht, die Genehmigung für Lieferungen per Drohne zu beschleunigen oder sogar ganz abzuschaffen.

Gleichzeitig dürfte die Tech-Industrie auch von einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Politik profitieren. Das von der EU geplante Regulierungs-Update für das Internet, der Digital Services Act, wurde bereits auf nächstes Jahr verschoben. Die Digitalkonzerne haben jetzt mehr Zeit, den ersten wichtigen Entwurf, der die Grundrichtung vorgibt, zu beeinflussen.

Unsere Partnerorganisation Corporate Europe Observatory hat in einem Artikel zusammengefasst, wie Lobbyisten in Brüssel versuchen, die Krise zu ihren Gunsten zu nutzen. Ein Abschnitt dreht sich auch um die Tech-Industrie.

Hilfsangebote und Image-Aufbesserung

Die Digitalkonzerne versuchen zugleich geschickt, sich in der Krise als Teil einer Lösung zu inszenieren und so den schlechten Ruf der vergangenen Jahre zu verbessern. Das Coronavirus macht Amazon, Google und Facebook plötzlich zu wichtigen Helfern. Der Journalist Casey Newton fasst die Situation so zusammen: „big tech companies, which have spent the past three years on the defensive over their data collection practices, are now promoting them“ (Die großen Tech-Firmen bewerben jetzt die Datensammlungspraktiken, für die sie die letzten drei Jahre in der Defensive waren).

Facebook hat eine ganze Reihe von Maßnahmen angekündigt, die helfen sollen, das Virus zu bekämpfen. Dazu gehört etwa die Erfassung von Symptomen. Auch Google will mit seinen Bewegungsdaten helfen, besser durch den Lockdown zu kommen. Zugleich gibt es Zweifel an der Verlässlichkeit der Daten.

Zudem hat Google einen Hilfsfonds für lokale Medien gestartet. Bereits in der Vergangenheit hat Google große Förderprogramme für die Medienbranche betrieben. Diese waren auch ein PR-Instrument, um die Verlagsbranche freundlich zu stimmen. Das zeigt netzpolitik.org in einer Auswertung der früheren Digital News Initiative.

Die zahlreichen Maßnahmen, mit denen der teils schlechte Ruf verbessert werden soll, scheinen erste Wirkung zu zeigen: Laut einer Umfrage ist bei 38% der US-Amerikaner*innen der Blick auf die Tech-Industrie positiver geworden.

Zugleich verdeutlicht die Krise auch die problematische Machtstellung der Internet-Plattformen. So berichtet netzpolitik.org, dass Facebook in den USA Ankündigungen für Veranstaltungen löscht, die gegen geltende Versammlungsverbote verstoßen. Egal wie man diese Versammlungen inhaltlich bewertet: Es ist problematisch, wenn ein Unternehmen wie Facebook Regeln für solche Löschungen weitgehend selbst festlegt und kaum Einblick in die Umsetzung zulässt, kommentiert Alexander Fanta. „Die Coronakrise macht einmal mehr die Lücke in der demokratischen Teilhabe und Kontrolle deutlich, die es bei sozialen Netzwerken als öffentlichem Raum gibt.“

Machtzuwachs durch die Corona-Krise?

Während die Auswirkungen der Corona-Pandemie viele Unternehmen in große Schwierigkeiten bringen, scheinen die großen Digitalkonzerne von der Situation zu profitieren. Das wird am Beispiel von Amazon besonders deutlich. Schon vor Corona dominierte Amazon den Online-Handel in Deutschland mit einem Anteil von über 50%. Dieser Anteil dürfte durch die Krise langfristig steigen. Auch der gewinnträchtigen Cloudsparte Amazon Web Services verschafft die Krise weiteres Wachstum: Zu den großen Kunden gehören u.a. Netflix, Facebook und Zoom, deren Reichweite stark gestiegen ist. So profitiert Amazon insgesamt von einem stark veränderten Nutzungsverhalten.

Der starke Machtzuwachs von Amazon ruft zunehmend die Kartellwächter auf den Plan. Schon vor der Krise gab es große Debatten um die marktbeherrschende Stellung der Internet-Giganten wie Facebook und Google. Diese Debatten werden nun noch relevanter.

Mit diesem Machtzuwachs der Konzerne durch die Corona-Krise wollen wir uns in einer weiteren Ausgabe unserer Corona-Lobby-News ausführlicher beschäftigen.

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