Seit dem Wochenende geht ein politisches Beben durch Berlin: Der Bundestagsabgeordnete und CDU-Nachwuchsstar Philip Amthor steht im Mittelpunkt eines Lobbyskandals. Einer Spiegel-Recherche zufolge hat Amthor auf offiziellem Bundestags-Briefpapier im Bundeswirtschaftsministerium für einen Lobby-Termin mit dem US-Unternehmen Augustus Intelligence geworben. Amthor diente so als Türöffner für das Unternehmen und nahm selbst an zwei Gesprächen mit dem damaligen Staatssekretär Hirte teil. Kurze Zeit später bekleidete er in der Firma einen Direktorenposten, erhielt Aktienoptionen und nahm an teuren Reisen teil.
Diese Vermischung von Abgeordnetenmandat, Lobbyarbeit und Annahme geldwerter Vorteile ist aus Sicht von LobbyControl nicht hinnehmbar. Wir fordern lückenlose Aufklärung des Falles und politische Konsequenzen.
Amthor: „Ein Fehler“ - aber keine Aufklärung
Amthor spricht inzwischen von einem "Fehler", den er bereue. Seine knappe Erklärung lässt echtes Problembewusstsein jedoch leider vermissen und liefert auch keine weiteren Informationen über seine Rolle bei Augustus Intelligence. So bleibt offen, wie die Aktienoptionen für Amthor genau aussahen, wer seine Reisekosten finanzierte und ob er über die Kontakte im Wirtschaftsministerium hinaus an der Lobbyarbeit des Unternehmen beteiligt war.
Offen ist auch, welche Anliegen die Firma konkret im Wirtschaftsministerium verfolgt hat. In dem Brief Amthors, in dem er sich für das Unternehmen einsetzt, spricht er laut Spiegel von den hohen Stromkosten als Problem. Das Unternehmen will Künstliche Intelligenz-Lösungen entwickeln. Ob es allerdings erfolgversprechende Produkte in der Entwicklung hat, ist umstritten. Ehemalige Mitarbeiter werfen dem Unternehmen "Betrug, Illegalität und Korruption" vor.
Lücken im Regelwerk
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Lücken im Regelwerk, das unsere Demokratie vor unlauterer Einflussnahme schützen soll. Das Abgeordnetengesetz (§ 44a) verbietet Nebentätigkeiten als Lobbyist nicht, sondern sieht Sanktionen nur für den Fall vor, dass Abgeordnete einen Nebenjob verschweigen. Amthor hatte seine Tätigkeit für Augustus Intelligence aber entsprechend der Vorschriften gemeldet. Allerdings müssen laut Bundestagsverwaltung Aktienoptionen nicht veröffentlicht werden. So war im Fall Amthor nicht sichtbar, dass er geldwerte Vorteile aus seiner Tätigkeit für Augustus Intelligence zog.
Unzulässig ist laut Abgeordnetengesetz auch "die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird." Hier muss man auf den genauen Wortlaut achten: Amthor hat sich nach Stand der Dinge nicht im Bundestag, sondern beim Wirtschaftsministerium, also bei der Bundesregierung für Augustus Intelligence eingesetzt - und dazu sagt das Gesetz nichts.
Trotzdem könnte Amthors Fehler möglicherweise strafrechtlich relevant sein: Es ist derzeit noch unklar, ob sein Einsatz für das Unternehmen in Verbindung mit geldwerten Vorteilen den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung erfüllt. Das Strafgesetz regelt in diesem Tatbestand lediglich Fälle, in denen Gegenleistungen für politischen Einsatz versprochen oder in Aussicht gestellt werden. Sogenannte "Dankeschön-Spenden" werden nicht erfasst. Wie die Aktienoptionen eingestuft werden, wird auch von weiteren Informationen über deren Bedingungen abhängen und davon, wann sie vereinbart wurden.
Philip Amthor sollte deshalb sein Mandat ruhen lassen, bis der Skandal um seine Lobbytätigkeit umfassend aufgeklärt ist. Doch es braucht darüber hinaus gesetzliche Konsequenzen: Ein verpflichtendes Lobbyregister ist überfällig.
Lobbyregister-Blockade endlich durchbrechen
In Deutschland fehlt immer noch ein Lobbyregister - ein Frühwarn-System, das offenlegen würde, welche Akteure mit welchen Mitteln versuchen, politisch Einfluss zu nehmen. So blieb verborgen, dass die US-Firma Augustus überhaupt Lobbyaktivitäten in Deutschland entfaltet.
Ausgerechnet die Union hat lange ein solches Transparenz-Instrument verhindert. Jetzt steht sie stark unter Druck. Ihr Fraktionsgeschäftsführer verkündete bereits, das Thema stehe in der Koalition auf der Tagesordnung. Allerdings: Nach wie vor ist es möglich, dass die GroKo nur eine Scheinlösung vorschlägt. In der Diskussion ist etwa ein Lobbyregister ohne gesetzliche Grundlage, das lediglich in der Geschäftsordnung des Bundestags verankert ist. Ein solches Register würde die meisten Lobbyaktivitäten gar nicht erfassen – nämlich all jene, die auf die Bundesregierung mit den Ministerien zielen. Auch Schlupflöcher werden diskutiert, darunter ausgerechnet solche für Lobby-Kanzleien. (Mehr dazu im Hintergrund zu unserer Lobbyregister-Aktion).
Mit einem Schmalspur-Register, wie es einigen Unionspolitikern vorschwebt, ließe sich vielleicht das ramponierte Image etwas aufbessern. Aber echte Transparenz hätten wir damit nicht. Notwendig ist ein gesetzlich verpflichtendes, umfassendes Register ohne Schlupflöcher.
Zwischen-Fazit: Was jetzt zu tun ist
Mit Amthors Fehler-Eingeständnis ist der Skandal noch lange nicht vorbei. Wir brauchen umfassende Aufklärung und ein ernstzunehmendes Paket für mehr Transparenz zum Schutz unserer Demokratie. Zu den wesentlichen Maßnahmen sollten gehören
- die Einführung eines verpflichtenden, umfassenden Lobbyregisters auf gesetzlicher Grundlage
- eine legislative Fußspur, die Lobby-Interventionen in Gesetzesvorhaben offenlegt
- verbesserte Regeln für Nebeneinkünfte, wie die Pflicht zur Offenlegung aller geldwerten Vorteile (inklusive Aktienoptionen)
- ein Verbot von bezahlter Lobbytätigkeit durch Abgeordnete
- ein unabhängiger Lobbybeauftragter, der die Einhaltung der Regeln kontrolliert.
Deutschland hat es bis heute versäumt, Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) umzusetzen. Diese fordert seit Jahren, die Offenlegungspflichten für Abgeordnete zu verschärfen. Diese sollten weiter gefasst werden und beispielsweise Angaben zu signifikanten Vermögenswerten erfassen – auch Unternehmensbeteiligungen unterhalb der derzeit noch viel zu hohen Schwellenwerte. Das muss jetzt endlich nachgeholt werden.
Amthor selbst muss rasch die vielen offenen Fragen zu seiner Rolle bei Augustus Intelligence beantworten. Es ist nicht akzeptabel, dass er bisher nur eine dürftige Erklärung veröffentlicht hat und öffentlich nichts zur Aufklärung beigetragen hat. Hier ist auch die Partei- und Fraktionsspitze gefragt: Sie darf nach den Enthüllungen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, hat denn auch inzwischen angekündigt, die Lobbytätigkeit Amthors genau prüfen zu lassen. Auch die Bundestagsverwaltung untersucht, ob Amthor die geltenden Verhaltensregeln verletzt hat. Bei der Berliner Staatsanwaltschaft läuft eine erste Verdachtsprüfung, nachdem dort eine externe Strafanzeige einging. Der Fall wird uns also noch länger beschäftigen.
Beim Thema Lobbyregister wollte sich CDU-Fraktionschef Brinkhaus allerdings nicht festlegen. Das zeigt, dass hier noch mehr öffentlicher Druck von uns Wählerinnen und Wählern notwendig ist. Deshalb unsere Bitte: Unterzeichnen Sie unseren Appell an den Bundestag und die Bundesregierung, damit Deutschland endlich ein verpflichtendes, umfassendes Lobbyregister bekommt!
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