Lobbyregister

Ist das Lobbyregister noch zu retten?

Dauerbrenner Lobbyregister: Letzten Herbst wollte die Groko für Transparenz sorgen und ein verpflichtendes Lobbyregister einführen, auch als Reaktion um den Lobbyskandal um den CDU-Jungstar Philipp Amthor. Doch immer noch: Fehlanzeige. Die Verhandlungen stecken fest – nicht zum ersten Mal, doch inzwischen erscheint ein Scheitern nicht mehr unwahrscheinlich. Woran hakt es?
von 11. Februar 2021

Dauerbrenner Lobbyregister: Bei den Koalitionsverhandlungen wurde heftig darum gestritten, ohne Ergebnis. Letztes Jahr schließlich gab die Union ihren Widerstand auf, die Groko wollte nun für Transparenz sorgen, auch als Reaktion um den Lobbyskandal um den CDU-Jungstar Philipp Amthor. Doch immer noch: Fehlanzeige. Die Verhandlungen stecken fest – nicht zum ersten Mal, doch inzwischen erscheint ein Scheitern nicht mehr unwahrscheinlich. Woran hakt es?

CDU/CSU versuchen, der SPD die Schuld zuzuschieben. Im Deutschlandfunk sagte Patrick Schnieder, Berichterstatter der Union für das Thema, gestern:

„An uns liegt es nicht. Da muss man schon die Frage stellen: Wollen wir einen deutlichen Fortschritt haben hin zu einem transparenten, guten Lobbyregistergesetz? Das liegt auf dem Tisch, muss man nur noch zustimmen seitens der SPD. Oder will man das weiter rauszögern und es wirklich an Fragen scheitern lassen, die in meinen Augen nicht mehr im Zentrum stehen.“

Was liegt auf dem Tisch?

Liegt ein „gutes Lobbyregistergesetz“ tatsächlich auf dem Tisch, wie Patrick Schnieder meint? Und geht es wirklich nur noch um Fragen, die nebensächlich sind?

Die kurze Antwort darauf lautet: Nein. So wie der Gesetzentwurf zur Zeit aussieht, handelt es sich nicht um ein gutes Gesetz, sondern um ein schlechtes. Denn es würde große Lücken schaffen, sodass viele Lobbyist:innen die Registrierungspflicht umgehen könnten.

Für eine etwas längere Antwort lohnt ein kurzer Blick zurück: Der erste informelle Gesetzentwurf vom August 2020 war grottenschlecht. Er erfüllte nicht einmal die Minimalanforderungen an ein Lobbyregister. Zum Beispiel sollten Lobbyist:innen nicht verpflichtet werden, ihre Auftraggeber zu nennen. Diesen und weitere Punkte kritisierten wir scharf.

Der Gesetzentwurf wurde daraufhin überarbeitet und in den Bundestag eingebracht. Im Oktober fand dazu eine öffentliche Anhörung statt, an der auch wir teilnahmen. Tatsächlich war nun einiges besser, aber neben vielen weiteren Kritikpunkten stachen nach wie vor zwei große Probleme ins Auge:

1. Das Lobbyregister würde nur für die Lobbyarbeit gegenüber dem Bundestag gelten und die Bundesregierung mit ihren Ministerien aussparen. Das ist höchst problematisch, da in den Ministerien die meisten Gesetzentwürfe formuliert werden und entsprechend viel Lobbyarbeit dort stattfindet.

2. Ein sogenannter „exekutiver Fußabdruck“ fehlt. Das ist problematisch, weil damit weiterhin intransparent bleibt, welche Lobbyakteure konkret an einzelnen Gesetzgebungsprozessen beteiligt waren.

Mehr als 32.000 Menschen haben unseren Appell für ein wirkungsvolles Lobbyregister und eine exekutive Fußspur unterzeichnet.

Nach der Anhörung verhandelten Union und SPD weiter, auch ganz zentral über eben diese beiden Punkte. Sehr grob gesprochen, dreht sich der Zwist zwischen den Koalitionspartnern weiterhin darum: Die SPD will die Ministerien umfassender einbeziehen als die Union, und die Union will beim exekutiven Fußabdruck nicht konkret werden.

FAQ: Lobbyregister & Co

Erschwert wurden und werden die Verhandlungen auch dadurch, dass Begriffe wie „Lobbyregister“ immer wieder unterschiedlich verstanden bzw. verwendet werden. Daher an dieser Stelle eine kurze Klarstellung zu den drei wesentlichen Elementen von Lobbytransparenz, die aktuell im Raum stehen (auf die Begriffe klicken zum Ausklappen):

1. Lobbyregister

Das Lobbyregister soll öffentlich sichtbar machen, wer Lobbyarbeit macht, wer Auftraggeber ist, wer wen finanziert und was für die Lobbyarbeit aufgewendet wird. Das heißt, dass der Gesetzgeber drei wichtige Fragen beantworten muss: a) Was ist Interessenvertretung bzw. Lobbyarbeit? b) Wer ist damit verpflichtet, sich in das Register einzutragen – und wer ist es nicht? c) Welche Pflichten und Regeln sollen für die registrierten Lobbyakteure gelten?

2. Exekutiver Fußabdruck

Mit diesem Instrument soll transparent werden, welche Lobbyakteure an der Erarbeitung von Gesetzentwürfen beteiligt waren. Anders als beim Lobbyregister werden hier nicht Lobbyakteure zu Offenlegung verpflichtet, sondern die Ministerien. Sie sollen angeben, mit welchen Verbänden, Organisationen und Unternehmen es in Bezug auf ein konkretes Vorhaben einen Austausch gab, welche Stellungnahmen eingegangen sind und welche sonstige Beteiligung oder Beratung es gab. Ein solcher Fußabdruck ergänzt ein Lobbyregister in sinnvoller Weise, ersetzt es aber nicht.

3. Kontakttransparenz

Kontakttransparenz bedeutet schlicht offen zu legen, welche Lobbyist:innen welche Politiker:innen getroffen haben (ob persönlich, telefonisch oder schriftlich). Mitunter wird genau das mit „Lobbyregister“ gleichgesetzt oder als zwangsläufiger Bestandteil eines Registers betrachtet. Aber das ist irreführend. Kontakttransparenz ist kein Kernbestandteil eines Lobbyregisters, kann ein solches aber gut ergänzen. So sind beispielsweise die EU-Kommissare verpflichtet, alle Treffen mit Lobbyist:innen offenzulegen (Kontakttransparenz), und sie dürfen grundsätzlich nur solche Lobbyist:innen treffen, die im EU-Transparenzregister eingetragen sind (Lobbyregister). Auch beim „exekutiven Fußabdruck“ geht es zum Teil darum, Kontakte offenzulegen. Aber eben nicht alle Lobbytreffen wie bei der EU-Kommission, sondern nur diejenigen, bei denen es um ein konkretes Gesetzesvorhaben geht. Und beim Fußabdruck für Gesetzentwürfe/-formulierungen müssten nur die Lobbyakteure genannt werden, nicht aber die konkrete Person im Ministerium, mit der ein Lobbyakteur in Austausch getreten ist. Es sei denn es handelt sich um Minister:innen oder Staatssekretär:innen, denn Treffen auf Leitungsebene sollten auch bei dem Fußabdruck offengelegt werden.

Zentraler Streitpunkt Nr. 1: Was zählt als Lobbyarbeit?

Beim Lobbyregister stellt sich, wie gesagt, die zentrale Frage: Was ist Interessenvertretung im Sinne des Gesetzes und wer fällt damit unter die Registrierungspflicht? Und genau hier gehen die Positionen aktuell auseinander: Die Union möchte nur Lobbyarbeit als Interessenvertretung im Sinne des Gesetzes zählen, die sich direkt an Bundestagsabgeordnete, Regierungsmitglieder oder Staatssekretär:innen richtet. Die SPD hingegen fordert, auch die Lobbyarbeit gegenüber deren Mitarbeitenden einzubeziehen, also auch bei Ministerialbeamten, Fraktionsstäben und persönlichen Referent:innen der Bundestagsabgeordneten. Um es nochmal klar zu sagen: Hier geht es nicht darum, ob Kontakte zu den Mitarbeitenden im Einzelnen offengelegt werden - sondern nur darum, welche Kontakte überhaupt als Lobbyarbeit gelten und eine Registrierungspflicht von Lobbyist:innen auslösen.

Was folgt daraus?

Wenn das Gesetz die Lobbyarbeit zur Mitarbeitenden-Ebene gar nicht umfasst, weder beim Bundestag noch bei den Ministerien, würde noch stärker eingeengt, wer sich überhaupt registrieren muss. Schon in der jetzigen Fassung ist das eng gefasst: Das Gesetz sieht vor, dass sich nur diejenigen registrieren müssen, die „regelmäßig“ Interessenvertretung betreiben oder die mehr als 50 Interessenvertretungskontakte innerhalb von drei Monaten hatten. Schon damit wäre die Messlatte hoch, viele Interessenvertreter:innen blieben unter dem Radar. Zählen dann bloß noch die Kontakte zu Abgeordneten, Regierungsmitgliedern und Staatssekretären, würden sehr viele Lobbyakteure nicht mehr unter die Registrierungspflicht fallen bzw. diese sehr leicht umgehen können. Umgehen könnte man das etwa dadurch, dass man vielleicht ein-, zweimal in direkten Kontakt zur Staatssekretär:in tritt, und ansonsten alles über die Mitarbeiterstäbe laufen lässt. Und genau das sind die Personen, die die Gesetzentwürfe tatsächlich formulieren.

Gesetz droht, das Ziel zu verfehlen

Damit würde eindeutig das Ziel verfehlt, „umfassende Transparenz“ herzustellen. So sieht das auch Matthias Bartke, der Berichterstatter für das Thema der SPD-Fraktion. Er sagte gegenüber dem Deutschlandfunk:

„Ein Lobbyist, der Einfluss nimmt auf ein Ministerium, um ein Gesetz zu machen, der muss sich registrieren. Und da ist es völlig egal, auf wen er in dem Ministerium Einfluss nimmt.“

Mit dem, was seitens der Union auf dem Tisch liegt, würde also eben kein „gutes Lobbyregistergesetz“ zu Stande kommen, sondern ein löchriges Mini-Register, das mehr kaschiert als es zeigt. Schließlich gibt es sowieso schon viele weitreichende Ausnahmen und Einschränkungen – viele davon auf Drängen der Union.

Zentraler Streitpunkt Nr. 2: Der exekutive Fußabdruck

Beim exekutiven Fußabdruck, sah der Kompromiss bisher so aus: Die Regelung wird nicht Teil des Gesetzes (wie die SPD es ursprünglich wollte). Dafür fordert der Bundestag die Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag dazu auf, eine solche Regelung einzuführen. Der aktuelle Streitpunkt hier: Soll der Regierung dafür eine Frist gesetzt werden oder nicht? Die Union will das offenbar nicht, die SPD drängt darauf. Das ist auch nachvollziehbar – denn es wäre nicht das erste Mal, das ein Projekt am Ende einer Legislaturperiode hinten herunterfällt. Und dieses Ende ist in Sicht.

Ein Schlupfloch groß wie ein Scheunentor

Bei allen Schwächen wäre das, was auf dem Tisch liegt, zwar immer noch ein Fortschritt in Richtung Lobbytransparenz. Es geht aber nicht, dass die Lobbyarbeit gegenüber Mitarbeitenden völlig unter den Tisch fällt und damit ein scheunentorgroßes Schlupfloch ins Register kommt. In anderen Ländern, in denen es Lobbyregister gibt, zählt die Mitarbeiter-Ebene ganz selbstverständlich dazu, ob in Frankreich, Irland, USA oder auf EU-Ebene in Brüssel. Warum sollte das in Deutschland nicht gehen? Womit hat Deutschland ein schlechtes Lobbyregister verdient? Nach den Lobbyskandalen um Philipp Amthor, Wirecard oder die PKW-Maut wäre esvor allem für die Union höchst peinlich, hier zu versagen.Das Verlangen der Bürger:innen nach einer transparenten, integren Politik würde so weiter enttäuscht. Die Union sollte sich ernsthaft fragen, ob sie mit einem solch fatalen Signal in den Wahlkampf starten möchte.

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