Mit dem Digital Markets Act (DMA) will die EU die Macht der Internetplattformen beschränken. Die neuen Regeln für digitale Märkte sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, die den Machtmissbrauch durch Google, Facebook, Amazon & Co verhindern sollen.
Derzeit bereitet das Europäische Parlament seine Ergänzungen zum DMA-Entwurf der EU-Kommission vor. Wir haben den zuständigen Berichterstatter*innen im EU- Parlament daher einen Brief geschrieben, der sie zu den neuen Regeln ermutigt. Zudem verweisen wir auf die nötigen Nachbesserungen und fordern zusätzliche Maßnahmen zur Begrenzung der Macht von Google und Co.
Neuer Ansatz Big Tech zu regulieren
Mit dem im Digital Markets Act (DMA) vorgeschlagenen Ansatz, die Internetplattformen zu regulieren, macht die EU-Kommission insgesamt einen cleveren Zug. Kartellrecht wird normalerweise erst dann angewendet, wenn eine sogenannte marktbeherrschende Stellung vorliegt. Mit Blick auf die großen Digitalkonzerne sind damit jedoch zwei Nachteile verbunden: Einerseits dauern solche Prüfungen oft viele Jahre. Andererseits ist die Marktmacht von digitalen Plattformen oft bereits zu groß, obwohl noch kein eindeutiges Monopol festgestellt werden kann.
Die EU-Kommission hat sich daher für klare Verhaltensregeln entschieden. Dazu dient die Definition als sogenannter Gatekeeper. Gemeint sind diejenigen Plattformen, die als “Torwächter” den Zugang zu digitalen Märkten beherrschen und die Regeln auf diesen Märkten diktieren.
Wird eine Internetplattform als „Gatekeeper“ eingestuft, gelten für sie die im DMA genannten verbindlichen Regeln.
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Definition von Gatekeepern
Ein Unternehmen wird dann als Gatekeeper eingestuft, wenn:
• der Umsatz höher als 6,5 Milliarden Euro ist,
• das Unternehmen in mindestens drei der 27 EU-Mitgliedstaaten aktiv ist,
• mindestens 45 Mio. Endnutzer*innen (10 Prozent der EU-Bevölkerung) erreicht werden.
Schon jetzt wird in der EU kontrovers diskutiert, ob es bei dieser Definition bleiben soll. So hat sich der Berichterstatter des EU-Parlaments, Andreas Schwab, laut Handelsblatt bereits für eine möglichst enge Definition ausgesprochen. Ähnliche Stimmen kommen aus den Mitgliedsstaaten. Die Zivilgesellschaft wünscht sich insgesamt eher eine breitere Definition. Denn unter den jetzigen Kriterien fiele nicht einmal das Online-Buchungsportal Airbnb unter die Gatekeeper.
Verhaltensvorgaben für Gatekeeper: Licht und Schatten
Wird eine digitale Plattform als Gatekeeper definiert, muss sie spezifischen Verhaltensregeln befolgen: Einige Vorgaben müssen von Gatekeeper-Plattformen unmittelbar umgesetzt werden (Artikel 5). Bei den Regeln in Artikel 6 besteht eine größere Verhandlungsbasis für die betroffenen Unternehmen.
Zwei der vorgeschlagenen Regelungen begrüßen wir besonders, sehen aber auch Nachbesserungsbedarf:
1. Verknüpfung von Daten
Artikel 5a verbietet die Zusammenführung von personenbezogenen Daten. So sollen die Nutzerprofile von unterschiedlichen Diensten (z. B. von Google) nicht miteinander verknüpft werden können.
Kritisch sehen wir hier aber die Hintertür für eine Umgehung durch die Einwilligung der Endnutzer. Es muss sichergestellt werden, dass Gatekeeper die Zustimmung nicht auf unfairen, manipulativen Wegen einholen können.
2. Interoperabilität
Artikel 6f verpflichtet Gatekeeper zu Interoperabilität. Interoperabilität bedeutet, dass unterschiedliche Anwendungen zusammenarbeiten können. Z. B., dass Messenger unterschiedlicher Anbieter miteinander kommunizieren könnten. Also Whatsapp mit Signal.
Diese Verpflichtung fällt im aktuellen DMA-Entwurf jedoch viel zu schwach aus. Interoperabilität ist derzeit nur für Nebendienstleistungen von Plattformen vorgesehen (etwa Zahlungsdienste). Erst wenn der Zugang zu und die Interoperabilität auch für zentrale Plattformdienste gewährleistet wird, können sich Alternativen zu den bestehenden Plattformen entwickeln.
Eine sinnvolle Regel ist außerdem das Verbot der Selbstbevorzugung. So sollen Amazon und Google dazu gebracht werden, ihre eigenen Angebote nicht zu bevorzugen. Etwa die Produkte, die Amazon als Eigenmarke verkauft.
Die EU-Kommission behält sich in Artikel 10 vor, zusätzliche Verhaltensvorgaben zu ergänzen sowie bestehende Vorgaben und Verbote nachzuschärfen. Das ist ein wichtiger Punkt, ermöglicht er doch, dass die EU-Kommission auf die dynamischen Entwicklungen bei der Digitalisierung reagieren kann.
Knackpunkt: Die Umsetzung der Regeln
Gute Regeln stehen und fallen mit ihrer konsequenten Umsetzung. Eine ausreichende Personalausstattung und zügige Verfahren sind deshalb in unseren Augen entscheidend für den Durchgriffserfolg des DMA. Die vorgesehenen 80 Vollzeitstellen werden bei weitem nicht ausreichen. Die EU-Kommission tut sich keinen Gefallen damit hier konkrete Zahlen für Personal zu nennen. Sie sollte stattdessen das notwendige Personal für die Umsetzung der neuen Regeln zum Maßstab für das benötigte Personal erklären.
Eine weitere Gefahr liegt zudem darin, dass sich die Prozesse zwischen Kommission und Gatekeepern über Jahre ziehen können. Aus unserer Sicht wird Fehlverhalten insgesamt zu nachgiebig behandelt. Die Fristen sollten hier deutlich verkürzt werden, und zwar sowohl aufseiten der Gatekeeper wie auf Seiten der EU-Kommission.
Diese Verfahren sollten zudem nicht nur zwischen Gatekeepern und der EU-Kommission stattfinden, sondern auch weitere Akteuere, etwa von der Gatekeepermacht betroffene Unternehmen oder ExpertInnen aus der Zivilgesellschaft zulassen.
Ein zentraler Streitpunkt ist zudem die Zuständigkeit bei der Durchsetzung des DMA. Die Wettbewerbsdirektion der EU-Kommission würde durch den DMA neue und weitreichende Kompetenzen erhalten, um gegen den Missbrauch von Marktmacht durch digitale Plattformen vorzugehen. Dass sie sich vorbehält den Maßnahmenkatalog gegen Gatekeeper zu ergänzen, erweitert zusätzlich ihre Kompetenzen.
Manche Kommentatoren vergleichen die EU-Kommission bereits jetzt mit der US-Federal Trade Commission. Das trifft insofern zu, als der DMA die führende Rolle der EU-Wettbewerbsdirektion bei wettbewerbspolitischen Fragen bestätigt und neue Befugnisse für sich schafft.
Hier deutet sich jedoch bereits Widerstand der Mitgliedsstaaten an, die eine stärkere Rolle der nationalen Kartellbehörden fordern.
Weitere Maßnahmen gegen die Macht der Digitalkonzerne
Der Digital Markets Act (DMA) ist ein wichtiger Baustein, um den Missbrauch der Gatekeeper-Macht durch Amazon, Apple, Facebook und Google zu verhindert. Weitere Bausteine sind jedoch nötig, um Machtkonzentration im Tech-Sektor zu verringern. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Gatekeeper versuchen werden, die Verhaltensregeln zu ihren Gunsten auszulegen und nur lückenhaft umzusetzen. Die große Macht der Internetplattformen macht eine Durchsetzung der verhaltensbezogener Maßnahmen zu einer Herausforderung.
Wir glauben deshalb, dass eine Ergänzung der Verhaltensregeln um strukturelle Maßnahmen nötig ist, um das Problem der Monopolstellung von digitalen Plattformen in den Griff zu bekommen. Eine solche strukturelle Maßnahme könnte die Entflechtung von Unternehmen sein. Beispielsweise die Abspaltung von Instagram und Facebook.
Ein weiterer Baustein ist die Kontrolle von Zusammenschlüssen von Unternehmen, die sogenannte Fusionskontrolle. Laut DMA werden Gatekeeper nur zur Mitteilung aller geplanten Zusammenschlüsse verpflichtet. Das allein verhindert jedoch keine Killer-Akquisitionen (Facebook/Instagram/Whatsapp) oder eine übermäßige Konzentration von Daten (Google/Fitbit). Es sollten deshalb Maßnahmen verabschiedet werden, mit denen die EU-Kommission oder nationale Wettbewerbsbehörden solche Übernahmen effektiv unterbinden können.
Warum fehlt das neue Wettbewerbsinstrument?
Der Ball liegt jetzt beim Parlament und beim Rat
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Regeln stellen einen entscheidenden Fortschritt gegenüber der aktuellen Gesetzgebung dar. Darunter sind begrüßenswerte neue Ansätze für die Wettbewerbspolitik, die endlich in die Macht der digitalen Gatekeeper eingreifen und deren Geschäftsgebaren in Teilen infrage stellen sowie Konsumenten vor dem Missbrauch der Marktmacht schützen könnten.
Jetzt kommt es auf das EU-Parlament und den Rat, das Gremium der Mitgliedstaaten, an. Beide müssen sich dafür einsetzen, dass an entscheidender Stelle nachgebessert wird. Von mächtigen Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich und den Niederlanden gab es schon erste positive Signale in diese Richtung. Gerade das Parlament muss allerdings auch verhindern, dass die Regeln durch den Lobbyeinfluss der Digitalkonzerne wieder aufgeweicht werden. Und es sollte sich für weitere Bausteine stark machen (Entflechtung, Fusionskontrolle), um die Macht der Digitalkonzerne umfassend zu beschränken.
Weitere Infos zum DMA:
• Offener Brief an Berichterstatter*innen zum DMA im Europäischen Parlament.
• DMA-Auswertung des Europäischen Verbraucherschutzverbands BEUC.
• DMA-Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverband VZBV.
• DMA-Entwurf der EU-Kommission.
• DMA-Bewertung des Europäischen Datenschutzbeauftragten.
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