Mit dem Gesetz zur Regulierung der Internetplattformen geht es in die nächste Runde: Heute hat der Rat, das Gremium der Mitgliedstaaten der EU, seine Vorschläge für den sogenannten Digital Markets Act (DMA) verabschiedet.
Einzelne Regierungen haben in den weitgehend intransparenten Verhandlungen eindeutig die Interessen der bei ihnen ansässigen Techkonzerne vertreten und setzten sich dafür ein, die neuen Regeln aufzuweichen. Damit konnten sie sich jedoch nicht gegen einflussreiche Staaten wie Deutschland, Frankreich und die Niederlande durchsetzen. Doch leider sieht der Entwurf des Rates auch keine Verschärfung der Regeln vor.
Gute Vorschläge zur Verschärfung des Entwurfs der Kommission hatte Anfang der Woche hingegen der federführende Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlament vorgelegt. Für eine Verschärfung hatten wir uns in den vergangenen Monaten immer wieder eingesetzt, damit der Machtmissbrauch durch übergroße Plattformen wirksam verhindert werden kann.
Besonders Irland (Europa-Hauptsitz von Facebook, Apple und Google) und Luxemburg (Europa-Hauptsitz von Amazon) pflegen ein gutes Verhältnis zu den Internetplattformen. Ähnlich wie die Bundesregierung das zu enge Verhältnis zur Autoindustrie überprüfen sollte, gilt dasselbe auch für Irlands und Luxemburgs Verhältnis zu den Internetplattformen. Die beiden Staaten werden immer wieder zum Sprachrohr der Techkonzerne.
Sprachrohr der Techkonzerne
Denn die Internetplattformen wissen ihre engen Beziehungen zu einzelnen Regierungen zu nutzen. Vor allem Irland und Luxemburg stechen dabei heraus, wie Recherchen von Netzpolitik und dem Journalistenkollektiv Investigate Europe zeigen. Insiderinformationen verdeutlichen demnach, dass die beiden Staaten zahlreiche Änderungsanträge zur Abschwächung der Regeln eingebracht hatten.
Doch das gilt nicht nur für Irland und Luxemburg. Wie LobbyControl aus Kreisen der beteiligten Diplomaten erfuhr, schlossen sich auch skandinavische und osteuropäische Staaten den beiden Regierungen an und versuchten gemeinsam im Rat die Regelungen zu verwässern. Luxemburg drängte etwa gemeinsam mit Finland, Litauen und der Slowakei für einen Ausschluss von Cloud-Diensten aus den vom DMA erfassten Plattformen. Amazon gehört zu den führenden Cloudanbietern weltweit und würde massiv profitieren.
Gerade auch kleinere osteuropäische Staaten setzen sich für schwächere Regeln für die großen Internetplattformen ein. Estland etwa machte sich für eine Abschwächung der Pflichten für zu große Plattformen, sogenannte Gatekeeper, stark. Dabei zeigen unsere Recherchen, dass das für den DMA zuständige Justizministerium in Estland in erster Linie mit den Gatekeepern selbst sprach. Sechs der sieben Lobbytreffen fanden mit Big Tech statt, darunter waren Google, Amazon, Facebook und dreimal Apple.
Apple und Google haben großes Interesse daran, dass Artikel 5c des DMA wegfällt. Genau darauf versuchte Estland im Rat hinzuwirken. Der Artikel verpflichtet App-Store-Anbieter dazu, es Endnutzer:innen zu ermöglichen, Software oder Leistungen auf der Plattform zu nutzen, die an anderer Stelle bereits erworben wurden. Man müsste dann ggf. die App über den Store des Plattformbetreibers nicht erneut kaufen. Das gilt etwa, wenn man die Süddeutsche Zeitung im Digitalabo hat und sie über die App lesen will.
Interessant ist der Fall Estland auch deshalb, weil er zeigt, dass die Lobbyarbeit der Internetplattformen vielfach über kleinere Mitgliedstaaten läuft. Die Lobbyarbeit dort ist dominiert von den großen fünf Plattformen, andere Akteure können sich die Einflussnahme nicht leisten.
Deutschland, Frankreich und die Niederlande machen Druck für starken DMA
Doch Irland und Luxemburg sowie andere Bremser bei starken Regeln für digitale Plattformen konnten sich offenbar nicht durchsetzen, wie der Kompromissvorschlag des Rats zeigt. Einflussreiche Mitgliedstaaten, wie Deutschland und Frankreich hielten dagegen und verhinderten größere Abschwächungen. Gleichzeitig konnten Deutschland und Frankreich die Regeln auch nicht entscheidend verschärfen, wie das der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments aktuell fordert.
Wer das Geld hat, geht in die Hauptstädte der Mitgliedstaaten
Die Rolle des Ministerrates im Rechtsetzungsprozess der EU wird häufig stark kritisiert, weil er im Vergleich zu den anderen Institutionen so intransparent arbeitet. Er gilt als sogenannte ‚black box‘ der EU. Für die Öffentlichkeit ist kaum nachzuvollziehen, wer die eigene Regierung zu EU-Gesetzgebung zu beeinflussen versucht oder welche Verhandlungsposition sie im Rat eingenommen hat.
Hinzu kommt, dass Lobbyarbeit in den Mitgliedstaaten erhebliche finanzielle Mittel und gute Beziehungen erfordert. All das stärkt eine unverhältnismäßige Einflussnahme von finanzstarken Lobbyakteuren. Google & Co gehören zu den mächtigsten Lobbyakteuren in Europa und nur deshalb können sie es sich überhaupt leisten, ihre Lobbyarbeit auf die Regierungen einzelner, kleinerer Mitgliedstaaten, wie Luxemburg, Irland oder Estland auszuweiten. Umso begrüßenswerter ist, dass sich der Rat bislang für eine effektive Begrenzung der Macht von Big Tech stark macht.
Nachdem Rat und Parlament ihre Positionen zum Kommissionsvorschlag festgelegt haben, steht nun das Trilogverfahren zwischen den drei EU-Institutionen. Das Verfahren ist berüchtigt für seine Intransparenz. Einmal mehr ist hier entscheidend, dass sich die Lobbymacht von Google & Co hier nicht durchsetzt. Eine wichtige Grundvoraussetzung dafür ist, dass der Prozess transparenter wird.
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