Zahlreiche Lobbytreffen haben in den vergangen Monaten zum Digital Markets Act (DMA) stattgefunden. Eine Auswertung der Lobbytreffen der 9 Berichterstatter:innen zeigt ein gemischtes Bild. Gegenüber anderen EU-Prozessen sind die Treffen vergleichsweise ausgewogen.
Die EU will mit dem Digital Markets Act (DMA) neue Regeln zur Begrenzung der Macht von Internetplattformen auf den Weg bringen. Darum tobt eine riesige Lobbyschlacht. Gestern stimmte das Parlament über seine Position ab. Auch dort versuchen Google & Co Einfluss zu nehmen und die Regeln abzuschwächen. Bislang mit wenig Erfolg. Der Vorschlag des Parlaments ist der ambitionierteste Vorschlag der drei EU-Institutionen.
Apple & Google führen bei Lobbytreffen
Zahlreiche Lobbytreffen fanden mit den Abgeordneten im Parlament zum Digital Markets Act statt. Wir haben uns die Lobbytreffen der 9 Berichterstatter:innen zum DMA angeschaut. Berichterstatter sind im Europäischen Parlament die Abgeordneten, die in der EU für einen bestimmten Gesetzesvorschlag zuständig sind. Sie haben eine federführende Rolle.
Dabei fällt auf: die meisten Lobbytreffen hatten die Berichterstatter:innen mit Apple (12 Treffen) und Google (10 Treffen), zwei der größten Internetplattformen, die beide stärker durch den DMA reguliert werden sollen und sich für schwächere Regeln einsetzen.
Es folgen mit BEUC, der europäischen Verbraucherschutzorganisation, und der Electronic Frontier Foundation (EFF) zwei zivilgesellschaftliche Organisationen mit jeweils 8 Treffen. Beide machen sich für strengere Regeln für Apple, Google & Co stark.
Die übrigen Lobbyakteure unter den Top 5 nach Lobbytreffen sind Plattformen und ihre Verbände, darunter Facebook und der Techlobbyverband Computer and Communications Industry Association (CCIA) mit jeweils 6 Treffen. Unter den Top 5 sind aber auch Wettbewerber von Google wie DuckDuckGo mit 5 Treffen, so dass die Interessen der Plattformen sicherlich nicht einheitlich sind.
Was umgekehrt heraussticht: Treffen mit Verbänden kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) hatte keiner der 9 Berichterstatter:innen. Das ist bedauerlich, zumal sich etwa KMU-Verbände wie Digital SME EU durchaus zum DMA positionieren.
Berichterstatter Andreas Schwab: Lobbytransparenz erst auf Anfrage
Der führende Berichterstatter zum DMA ist der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab. Er ist Berichterstatter im Binnenmarktausschuss, der Ausschuss wiederum hat die Federführung bei den neuen Regeln für Google & Co.
Während alle anderen Berichterstatter:innen ihre Lobbytreffen auf ihren Parlamentswebseiten dokumentieren, hatte dies Andreas Schwab zunächst nur bis zum Zeitpunkt seines Berichts im Juni 2021 getan. Auf Anfrage von LobbyControl reagierte er jedoch sofort und trug seine Treffen bis zum jetzigen Zeitpunkt nach.
Das begrüßen wir ausdrücklich und hoffen, dass er diese Transparenz auch während des anstehenden weiteren Prozesses zum DMA aufrechterhält.
Ab Januar beginnt der ohnehin undurchsichtige Trilog zwischen den drei EU-Institutionen Parlament, Rat und Kommission, in dem das finale Gesetz ausgehandelt wird. Da wird Lobbytransparenz eine entscheidende Bedeutung haben, um zu verhindern, dass Apple & Co einseitig Einfluss nehmen.
Ausgewogenheit bei Lobbytreffen? Ein gemischtes Bild
Wenn man sich die Lobbytreffen der Berichterstatter:innen zum DMA anschaut, dann fällt auf, dass insbesondere drei davon sich bevorzugt mit großen Internetplattformen treffen: Stephanie Yon-Courtin (Liberale Renew Fraktion), Andrus Ansip (Liberale Renew Fraktion) und Carlos Zorrinho (Sozialdemokraten S&D Fraktion). Zwei davon sind liberale Abgeordnete. Ansip traf sogar jeweils gleich zweimal Apple und Google. Die Liberalen gelten als Zünglein an der Waage bei der Frage, wie weit die Regeln im DMA gehen werden. Deshalb ist der Lobbydruck auf sie wohl besonders hoch.
Anders sieht es bei Andreas Schwab aus, der mit 83 Treffen mit Abstand die meisten Lobbykontakte hatte. Er traf sich zwar ebenfalls mit vielen der großen Techkonzerne, wie Google, Apple oder Facebook. Zugleich nahm er sich aber auch Zeit für deren Wettbewerber und auch zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Verlegerlobby kam mit 10 Treffen ebenfalls nicht zu kurz. Zudem ließ sich Schwab von unabhängigen Wissenschaftler:innen beraten. Auf den Vorschlag eines Treffens mit LobbyControl ging er auf Anfrage jedoch bedauerlicherweise nicht ein.
Umgekehrt muss man sagen, dass Berichterstatter wie Tiemo Wölken (Sozialdemokraten S&D Fraktion) und Martin Schirdewan (Die Linke, GUE/NGL) vorwiegend zivilgesellschaftliche Lobbyakteure trafen. 9 von Schirdewans 15 Treffen etwa waren mit der Zivilgesellschaft, keins davon mit größeren Plattformen oder deren Verbänden.
Insgesamt zeichnet sich ein gemischtes Bild bei den Lobbytreffen der Berichterstatter:innen beim DMA. Zwar trafen sich die Abgeordneten bei 280 Treffen ingesamt zu 77 Prozent mit Unternehmen und ihren Verbänden und nur zu 16 Prozent mit der Zivilgesellschaft. Die übrigen 7 Prozent der Treffen fanden mit staatlichen Akteuren und Wissenschaftler:innen statt. Dieses Verhältnis in der Beratung ist sehr unausgewogen zugunsten von Unternehmen .
Wenn man jedoch berücksichtigt, dass es unter den lobbyierenden Unternehmen erhebliche Interessenunterschiede gibt, dann verändert das nochmal das Bild. Während Google etwa möglichst schwache DMA-Regeln wünscht, will DuckDuckGo als Suchmaschine möglichst, dass der DMA die Monopolmacht von Google im Suchmaschinenbereich beschränkt. Auch die Verlegerlobby macht Druck für eine Begrenzung der Macht der Internetgiganten.
Da neben den Internetgiganten auch Wettbewerber und die Verlegerlobby zu Wort kamen und zivilgesellschaftliche Akteure bei einigen Abgeordneten dominieren, kann man von mehr Ausgewogenheit von Lobbytreffen als bei anderen politiscshen Prozessen auf EU-Ebene sprechen. Trotz der sicherlich größeren Anzahl von Treffen insgesamt mit Big Tech (insgesamt 33 Prozent der Treffen).
Was diese Zahlen jedoch nicht darstellen: Die Lobbytreffen stellen nur einen Teil der Lobbyarbeit der Internetplattformen dar. Mit Rekordausgaben für Lobbyarbeit sollen strengere gesetzliche Regeln auf allen Ebenen verhindert werden. Um ihrer Botschaft Gehör zu verschaffen, setzen Facebook, Google & Co u.a. auf ein besonders großes und intransparentes Lobbynetzwerk. Mehr zu den Lobbystrategien der Internetplattformen beim Digital Markets Act (DMA) in unserer Studie zur Lobbymacht von Big Tech.
EU-Parlament hält Lobbydruck weitgehend stand
Trotz der immensen Lobbymacht der großen Internetplattformen hat das Europäische Parlament einen ambitionierten Vorschlag zum DMA vorgelegt, der die Macht von Google & Co entscheidend begrenzen könnte. Das liegt sicherlich auch an den relativ ausgewogenen Lobbytreffen der Berichterstatter:innen und an den sich teils widersprechenden Interessen der Tech-Konzerne. Damit das so bleibt, brauchen wir dringend auch für die kommenden Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission umfassende Lobbytransparenz.
Wir bleiben dran – gemeinsam wollen wir die Lobbymacht von Google & Co zurückdrängen.
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