Seit Anfang des Jahres ist das neue Lobbyregister auf Bundesebene online. Bis Ende Februar läuft noch die Übergangsfrist, bis dahin müssen sich alle registrieren, die regelmäßig Einfluss auf die Willensbildung und Entscheidungsfindung von Bundesregierung und Bundestag nehmen wollen oder dies im Auftrag für Dritte tun. Zeit für eine Zwischenbilanz und erste Eindrücke: Wie macht sich das neue gesetzliche Lobbyregister in Deutschland?
Wenn man die Startseite des neuen Portals betrachtet, fällt sogleich eines auf: Die Zahl der eingetragenen Lobbyakteure ist noch sehr überschaubar. Stand 18. Februar haben sich erst 650 Lobbyakteure registriert. Die allermeisten davon sind erwartungsgemäß juristische Personen, also Verbände, Unternehmen und Organisationen. Aber auch rund 50 Einzellobbyist:innen haben sich eingetragen.
Nur ein Bruchteil hat sich bisher eingetragen
Klar ist aber, dass das Register bis zum Ende der Übergangsfrist in zwei Wochen deutlich wachsen muss. Allein in der bisherigen Verbändeliste des Bundestag gab es zuletzt 2.238 Eintragungen. Da der Kreis der registrierungspflichtigen Akteure nun sehr viel größer ist, rechnen wir mindestens mit einer Verdreifachung dieser Zahl. Insofern müsste das Register in den kommenden Tagen sehr schnell anwachsen.
Große Verbände und Unternehmen muss man daher derzeit noch mit der Lupe suchen. Ganz frisch hat sich der Bundesverband der deutschen Industrie, der BDI, registriert, auch der Verband der chemischen Industrie VCI sowie der Handelsverband Deutschland HDE sind dabei. Aber viele weitere fehlen noch.
Zwischenstand: Die Chemie-Lobby führt bei den Lobbyausgaben
Einige Informationen, die so bislang in Deutschland nicht verfügbar waren, lassen sich nun gut ablesen, zum Beispiel wer wie viel für Lobbyarbeit ausgibt: Derzeit führt mit dem VCI die Chemie-Lobby die Rangliste derjenigen mit den höchsten Lobbyausgaben an. Im Jahr 2021 wendete der Verband 8,2 Mio. Euro dafür auf und beschäftigte zwischen 80 und 90 Mitarbeitende im Bereich der Interessenvertretung. Auf Platz 2 folgt der Verband kommunaler Unternehmen VKU mit 7,9 Mio. Euro Lobbyausgaben vor dem BDI, der mit 7,4 Mio. Euro auf Platz 3 liegt.
Bei den Unternehmen führt derzeit Philip Morris die Rangliste bei den Lobbyausgaben mit 1,2 Mio. Euro an. Aber die meisten großen Unternehmen haben sich noch nicht registriert.
Ein weiteres Beispiel für relevante Informationen, die nun sichtbar werden: Eingetragene Akteure müssen angeben, bei welchen Verbänden sie Mitglied sind. Die Verbände selbst geben auf ihren Webseiten oft keine Auskunft über ihre Mitglieder. Durch die im Vergleich zum EU-Transparenzregister deutlich umfangreichere Suchfunktion lässt sich so leicht herausfinden, welche der bisher eingetragenen Unternehmen und Verbände zum Beispiel Mitglied im Lobbyverband „Wirtschaftsrat der CDU“ sind.
Recherchen anregen, Interessenverflechtungen sichtbar machen
Ein Zweck erfüllt: In manchen Fällen reicht schon der einfache Eintrag ins Lobbyregister, um weitere Recherche anzuregen. So löste der ehemalige Inspekteur der Luftwaffe, Karl Müllner, Nachfragen von T-online.de aus, als er sich als Lobbyist im Bereich Bundeswehr- und Rüstungsangelegenheiten sowie Verteidigungspolitik eintrug.
Genau das ist eine zentrale Funktion eines Lobbyregisters: Für Öffentlichkeit und Politik transparent machen, wer in wessen Auftrag welche Interessen vertritt. Bei ehemals hohen Beamten oder Politiker:innen ist eine solche Information besonders wichtig, da sie oft über besonders gute Zugänge zu Entscheidungsträger:innen verfügen und eine erhöhtes Risiko für Interessenkonflikte besteht. Die neue Transparenz schafft erste Möglichkeiten, ihnen auf den Grund zu gehen.
Wird endlich sichtbar, wer für wen Lobbyarbeit betreibt?
Doch wie gut ist das Register bisher dabei, Auskunft über die zentrale Frage zu geben, wer in wessen Auftrag Interessen vertritt?
Gleich vorweg: Richtig gut klappt das bisher nicht. Die Probleme dabei liegen teils in der Anwendung des Registers, teils in der gesetzlichen Grundlage selbst.
Lobbyarbeit im Auftrag, das betrifft vor allem Lobbyagenturen, Anwaltskanzleien und selbstständige Einzellobbyist:innen. Bislang haben 67 eingetragenen Akteure angegeben, im Auftrag Interessenvertretung zu betreiben (Stand 16. Februar).
Doch schaut man sich die Liste genauer an, wird schnell deutlich, dass sich darunter bislang nur sehr wenige juristische Personen, also Beratungsunternehmen/Agenturen und Kanzleien finden, nämlich genau acht.
Der Rest setzt sich zusammen aus Einzelberater:innen und -Anwält:innen (natürliche Personen) sowie einer ziemlich großen Gruppe an Akteuren, die irrtümlich angeben, im Auftrag Interessenvertretung zu betreiben. Tatsächlich scheint es bei Verbänden und Vereinen ein recht verbreiteter Irrtum zu sein, entweder die eigenen Mitglieder oder auch sich selbst als Auftraggeber zu nennen. Hier braucht es noch bessere Hinweise der Bundestagsverwaltung im Online-Formular, was genau unter Auftraggebern im Sinne des Gesetzes gemeint ist, nämlich die Interessenvertretung im Auftrag von Dritten. Die eigenen Mitglieder oder man selbst ist kein Dritter.
Lobbyagenturen und Kanzleien: Nur wenige der Großen haben sich bisher eingetragen
Unter den acht bislang eingetragenen Agenturen und Kanzleien finden sich noch wenige der ganz großen Namen. Aber zumindest funktioniert es mit der Transparenz über Auftraggebende hier dem ersten Augenschein nach. Alle geben wenigsten einen Kunden an. In den meisten Fällen dürften es noch deutlich mehr Kunden sein, aber womöglich füllen sich die Listen noch, das Jahr hat schließlich gerade erst begonnen.
Zu den acht Agenturen/Kanzleien kommen 35 natürliche Personen, die als selbstständige Berater:innen oder Anwälte tätig sind (Stand 16.2.). Die meisten davon machen plausible Angaben zu ihren Auftraggebern und in einigen Fällen auch zum Thema oder Ziel ihrer Tätigkeit.
Da ist zum Beispiel Dr. Ditmar Staffelt, der früher einmal für die SPD als parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und als Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt tätig war. Seit 2013 ist er als selbstständiger Lobbyist unterwegs. Laut Lobbyregister ist er aktuell für den britischen Vermögensverwalter DWS sowie zwei Technologieunternehmen tätig, wobei die Lobbyarbeit sich auf die Bereiche Erneuerbare-Energie-Gesetz und Emissionszertifikatshandel bezieht. Soweit, so transparent.
Versteckspiel um die Auftraggeber
Da ist aber auch der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Leo Dautzenberg und die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Christine Scheel. Beide geben als einzigen Auftraggeber die EUTOP GmbH an – und hier wird es weniger transparent. Wenn man nun weiß, dass EUTOP selbst eine Lobbyagentur ist, dann lässt sich daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen, dass Dautzenberg und Scheel nicht die ureigenen Interessen der Agentur EUTOP vertreten, sondern eigentlich im Auftrag eines EUTOP-Kunden tätig sind. Insgesamt wird EUTOP von fünf Einzelberater:innen aber auch zwei Beratungsfirmen als Auftraggebende genannt.
Die tatsächlichen Auftraggebenden bleiben so zunächst unsichtbar. Um solche Auftragsketten zu verhindern, sieht das Lobbyregister-Gesetz vor, dass auch Auftraggebende sich registrieren müssen und ihrerseits ihre Auftraggebenden nennen müssen. Noch ist EUTOP selbst allerdings nicht eingetragen und ganz gelöst wird das Problem damit nicht: Denn sichtbar werden auch dann nur die Lobbykunden von EUTOP insgesamt, nicht aber, welche für die Agentur tätigen freien Berater:innen nun für welchen dieser Kunden tätig sind.
Konkreter Auftrag und konkretes Ziel der Lobbyarbeit bleiben im Unklaren
Eine Zuordnung wird durch eine große Schwäche in der gesetzlichen Grundlage verhindert: Alle im Auftrag arbeitenden Lobbyakteure, also auch Agenturen wie EUTOP, müssen auf Grund einer fehlenden Vorschrift im Gesetz keine weiteren Angaben zu ihren Kunden machen: So bleibt im Dunkeln, worum es bei dem Lobbyauftrag eigentlich geht und wie hoch das finanzielle Volumen ist. Das ist im EU-Transparenzregister deutlich besser gelöst
Auch beim erwähnten Dr. Ditmar Staffelt, der freiwillig angibt, zu welchen Gesetzen er tätig ist, lässt sich letztlich nicht sagen, ob sich das auf alle drei Kunden bezieht oder nicht. Weiteres Beispiel: Die Beratungsagentur Aspen Partners nennt – freiwillig – das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention, zu dem Lobbyarbeit im Auftrag betrieben wird. Doch für welchen der vier genannten Kunden die Arbeit zum Präventionsgesetz erfolgt, bleibt unklar, zumal einer der vier ebenfalls eine Lobbyagentur ist.
Nur freiwillig statt verpflichtend
Ein grundlegendes Problem des Lobbyregisters: es fehlen verpflichtende Angaben darüber welche Gesetze und Entscheidungen beeinflusst werden sollen.
Stattdessen begegnet uns bei vielen Einträgen der schon aus dem EU-Transparenzregister bekannte und beliebte Trend, einfach alle möglichen Interessengebiete anzuklicken: Demnach setzt sich einer der Einzelberater im Auftrag von EUTOP bzw. dessen nicht näher bekannte Kunden offenbar für ein breites Themenspektrum ein, das von „Vorschulischer Bildung“ über „Artenschutz/Biodiversität“ bis hin zu „Quantenmechanik“ reicht. Solche Click-all-Strategien tragen nicht zur Transparenz bei, im Gegenteil.
Zwischenfazit zur Frage, wer für wen wozu Lobbyarbeit betreibt: Es gibt zwar bereits einige interessante und relevante Informationen im Register zu finden. Es ist auch schön, dass in vielen Fällen tatsächlich ordentlich Auftraggeber benannt werden, Lobbyausgaben sichtbar werden und selbst die ersten Anwälte und Kanzleien sich unter Angabe von Kunden eingetragen haben. Doch selbst die einfache Frage, wer in wessen Auftrag tätig ist, bleibt zu oft unbeantwortet und wozu genau gearbeitet wird, in fast allen Fällen.
Hier würde immerhin die von der Ampel im Koalitionsvertrag angekündigte Lobby-Fußspur für Gesetze ein Stück weit helfen, mehr Licht zu bringen. Doch im Lobbyregister sollten ebenfalls konkrete Angaben zu Gesetzen und Vorhaben verpflichtend verlangt werden, damit die Informationen gebündelt vorliegen. Zudem zielt bei weitem nicht jede Lobbyaktivität auf Gesetzgebung.
Problematische Finanzangaben und die Verweigerungmöglichkeit
Diesen im internationalen Vergleich relativ laxen Offenlegungspflichten stehen – ebenfalls im internationalen Vergleich – sehr strenge Offenlegungsregeln für spendenfinanzierte Organisationen gegenüber. Grundsätzlich ist es richtig und wichtig, dass Verbände und Organisationen, gemeinnützig oder nicht, im Lobbyregister Angaben zu ihrer Finanzierung machen müssen. Doch die gesetzliche Grundlage nimmt nur zwei Formen der Finanzierung in den Blick: Öffentliche Zuschüsse sowie Schenkungen. Beides muss künftig ab einem Betrag von 20.000 Euro pro Jahr offengelegt werden. Wer die wesentlichen Geldgeber von Unternehmensverbänden sind, bleibt hingegen unsichtbar.
Zwar sind nicht nur spendenfinanzierte Organisationen der Zivilgesellschaft von den Schenkungs-Transparenzregeln betroffen, aber hier verursachen sie die größten Kopfschmerzen. Das Gesetz differenziert nämlich nicht, wofür eine Spende getätigt wurde. Das heißt beispielsweise: Eine Spende über 20.000 Euro an eine Naturschutzorganisation für die Renaturierung eines Moores muss ab nächstem Jahr im Lobbyregister unter Angabe des Spendernamens veröffentlicht werden. Gleiches gilt für eine Spende in entsprechender Höhe zu humanitären Zwecken nach einer Naturkatastrophe.
Die Sorge der Organisatonen: So mancher mag von der Absicht zu spenden absehen, wenn der eigene Name anschließend im Lobbyregister veröffentlicht wird. Das ist der Fall, da die meisten Organisationen wie SOS-Kinderdörfer, Brot für die Welt etc. in geringem Umfang auch auf Politiker:innen zugehen, um für ihre Anliegen zu werben – und somit im Lobbyregister stehen müssen.
Sorgen in der Zivilgesellschaft
Es besteht damit bei vielen Organisationen die Befürchtung, dass künftig weniger Spendengelder für Brunnen in Burundi, Regenwaldschutz im Amazonas oder Menschenrechtsarbeit zur Verfügung steht. Diese Sorgen drückten der Deutsche Naturschutzring DNR als Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen sowie der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe VENRO diese Woche in einer Pressemitteilung aus.
Fürchten Organisationen in diesen Bereichen wegbrechende Spendeneinnahmen, bleibt ihnen nach derzeitiger Rechtslage die Option, Angaben zu den Finanzen zu verweigern. Diese Option räumt das Lobbyregister-Gesetz ein, wenn es um Informationen zur Herkunft und zur Verwendung von Geldern geht, sprich wie hoch die Lobbyausgaben sind. Wer aber Angaben verweigert, muss unter Umständen Nachteile befürchten, etwas wenn es um die Einladung zu Anhörungen in Ministerien oder Parlament geht.
Diese Situation ist unbefriedigend: In Sachen Transparenz ist wenig gewonnen, wenn Angaben verweigert werden können. Zugleich sind die Offenlegungspflichten in Bezug auf Finanzen zu einseitig auf Schenkungen und öffentliche Zuschüsse ausgerichtet und hier nicht passgenau. Ein Betrag von 20.000 Euro ist für eine kleine Organisation viel Geld, bei den ganz großen fällt das kaum ins Gewicht. Ähnlich verhält es sich mit den Bußgeldern, die bei Verstößen gegen das Gesetz verhängt werden können. Ein maximales Bußgeld von 50.000 Euro kann existenzbedrohend sein, dürfte bei finanzstarken Akteuren aber kaum ein Schulterzucken auslösen.
In dieser Hinsicht ist die von DNR und VENRO formulierte Sorge vor einer Benachteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen durchaus zum Teil berechtigt. Ziel eines Lobby-Transparenzregisters ist es, auch im Sinne einer kritischen Zivilgesellschaft eine transparente und lebendige Demokratie zu ermöglichen, in der Beteiligungsmöglichkeiten gemeinwohlorientierter Akteure ausgebaut werden und eine privilegierte und unausgewogene Einbindung von Unternehmensverbänden und Konzernen verhindert werden. Auf der anderen Seite ist klar: Alle Akteure sollten aussagekräftige Angaben zu Auftraggebenden und finanziellen Hintergründen machen, auch die Zivilgesellschaft. Nur so lässt sich verdeckte Lobbyarbeit verhindern und der politische Einfluss von Geldgebenden sichtbar machen – nur so ist das Lobbyregister ein echter Gewinn für die Demokratie.
Nachbesserungen nötig
Entsprechend sollte der Gesetzgeber hier nachbessern und eine verpflichtende, aber verhältnismäßige Regelung einführen. Zentrales Erkenntnisinteresse ist dabei die Antwort auf die Frage, wer die wesentlichen Geldgebenden sind. Eine Reform sollte in den Blick nehmen, was tatsächlich relevante Angaben sind, um die Interessenhintergründe von Lobbyakteuren sichtbar zu machen und nicht, wer im Einzelfall über einem bestimmten absoluten Betrag gespendet hat. Dabei ist es unerheblich, ob die Finanzierung über Spenden, Mitgliedsbeiträge oder andere Formen der Zuwendung erfolgt. Bei Verbänden und Vereinen wäre beispielsweise eine Information über die Zusammensetzung der Mitgliedschaft relevant. Sind das vor allem Unternehmen oder andere Verbände oder Einzelpersonen? Und wie setzen sich die Einnahmen zusammen?
Im Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien Nachbesserungen bereits angekündigt, was wir sehr begrüßen. So sollen u.a. die Ausnahmen von der Registrierungspflicht deutlich eingedampft werden und der Anwendungsbereich auf die Lobbyarbeit auch gegenüber den Fachreferaten in den Ministerien ausgeweitet werden. Wichtig ist nun außerdem zum Beginn der Legislaturperiode die Ergänzung des Lobbyregisters um eine Lobby-Fußspur für Gesetze.
Weitere Aspekte des neuen Lobbyregisters werden wir in den kommenden Wochen beleuchten. Mehr zu den guten Seiten und den Schwächen lesen Sie auch im Lobbyreport 2021
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