Demokratie lebt von Transparenz – doch in Deutschland gibt es keinerlei Transparenzpflicht für Lobbyisten. Ungefähr bekannt ist nur, wie viele Lobbyisten über einen Hausausweis für den Bundestag verfügen. Immer noch weigern sich CDU/CSU offenzulegen, wer genau über ihre Fraktion einen Ausweis bekommen hat. Gegen das Gerichtsurteil, das die Veröffentlichung dieser Daten verlangt, ging der Bundestag nun letzte Woche sogar in Berufung. Das ist einer Demokratie unwürdig. Union und SPD sollten die Chance der aktuellen Debatte nutzen, um endlich für umfassende Transparenz bei Lobbyisten zu sorgen. Daher fordern wir gemeinsam mit Campact: Legen Sie offen, wem Hausausweise ausgestellt wurden und schaffen Sie ein verpflichtendes Lobbyregister!
Update (Februar 2016): Ein Teil unserer Forderung ist inzwischen erfüllt, allerdings auf andere Weise als erwartet: Statt nun ein transparentes System für die Vergabe der Hausausweise einzuführen hat der Ältestenrat des Bundestags im Februar 2016 beschlossen, künftig gar keine über die Fraktionen beantragten Ausweise mehr auszustellen. Zugleich wird die Zahl der Hausausweise, die Verbände über den Eintrag in die Verbändeliste bekommen können von fünf auf maximal zwei reduziert. Es ist gut, dass damit der völlig intransparenten Praxis ein Ende gesetzt ist. Zugleich ist in Sachen mehr Transparenz aber nicht viel gewonnen. Nach wie vor bleibt der Öffentlichkeit verborgen, wer in Berlin in wessen Auftrag und mit welchen Mitteln was für Interessen vertritt. Der Bundestag hat die Chance verpasst, die Neuregelung bei den Hausausweisen für die Einführung umfangreicher Transparenzregeln zu nutzen. Damit bleibt unsere Forderung aktuell: Ein verpflichtendes Lobbyregister, in das sich alle Lobbyisten gleichermaßen eintragen müssen und alle Lobbyarbeit erfasst wird und zwar sowohl gegenüber Bundestag als auch gegenüber der Bundesregierung!
Fordern Sie mit uns ein aussagekräftiges Lobbyregister, in das sich alle Lobbyisten eintragen müssen.
Update 23.5.2017: Die Online-Aktion wurde beendet. Über eine Viertelmillion Menschen haben den von LobbyControl und Campact gestarteten Appell unterzeichnet – doch die Führung der Unionsfraktion war trotz mehrfacher Anfragen nicht bereit, die Unterschriften entgegenzunehmen. Wir haben deshalb die bei uns direkt eingegangenen Unterschriften heute per Post an Michael Grosse-Brömer, den parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, verschickt.
Hintergrund zur Aktion
Wer macht eigentlich in Berlin Lobbyarbeit für TTIP, CETA und Co. und wie viel Geld wird dafür aufgewandt? Welche Organisationen engagieren sich bei der Erbschaftssteuerreform und wie viel Geld gibt die Finanzbranche aus, um auf Entscheidungen zur Finanzmarktregulierung Einfluß zu nehmen? Wie viele Lobbyisten arbeiten überhaupt in Berlin tagtäglich daran, politische Netzwerke zu knüpfen und Entscheidungen zu beeinflussen? Zu Fragen wie diesen ist es derzeit praktisch unmöglich, verlässliche Informationen zu bekommen. Die Lobbyszene Berlins ist vielfältig, unübersichtlich und schwer zu durchschauen.
Wer mitmischen will, muss das Visier hochklappen!
Eine demokratische Öffentlichkeit hat das Recht zu wissen, wer in wessen Auftrag zu welchen Themen und mit welchen eingesetzen Budget Lobbyarbeit betreibt. Deswegen brauchen wir ein verpflichtendes Lobbyregister auf gesetzlicher Grundlage. Eintragen müssen sich dort alle, die professionell Lobbyarbeit gegenüber Parlament und Regierung betreiben und politische Entscheidungen wie Gesetze beeinflussen wollen. Dazu gehören Lobbyisten, die als Selbstständige, für eine Agentur oder Kanzlei arbeiten, ebenso wie die, die bei Unternehmen, Verbänden und NGOs für den Zweck der politischen Interessenvertretung angestellt sind. In anderen Ländern wie USA und Kanada sind solche Register seit Jahren etabliert.
Im Bundestag sperrt sich nur noch die Union gegen ein solches Register. Linke, Grüne und SPD zeigen sich offen dafür und brachten in der letzten Legislaturperiode auch Anträge dazu ein. Die SPD hat ihrer Forderung in den Koaltionsverhandlungen allerdings nicht so viel Gewicht gegeben, dass das Lobbyregister im Koalitionsvertrag auftauchen würde. Weil ein solches verbindliches Register fehlt, kocht die Debatte über Lobbytransparenz nun anlässlich des Skandals um die Lobby-Hausausweise wieder hoch.
Debatte um Hausausweise
Es gibt für Lobbyisten zwei Wege, um an einen Jahresausweis für die Liegenschaften des Deutschen Bundestags zu kommen. Der erste, transparentere Weg führt über die sogenannte Verbändeliste des Parlaments. Alle dort aufgelisteten Verbände können bis zu fünf Ausweise beantragen, die nach einer Sicherheitsprüfung ausgestellt werden.
Unternehmen, Lobbyagenturen und andere Lobbyakteure, die keine Verbände sind, steht dieser Weg nicht offen. Daher ist für sie der zweite, deutlich intransparentere Weg interessant. Er führt über die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen, die mit ihrer Unterschrift die Ausstellung eines Hausausweises befürworten können. Die Öffentlichkeit erfährt dann nicht, welchen Organisationen Ausweise ausgestellt wurden. Dies ist Gegenstand der aktuellen Klage von abgeordnetenwatch.de. In erster Instanz hat das Verwaltungsgericht Berlin geurteilt, dass die Fraktionen offenlegen müssen, wem sie Ausweise ausgestellt haben. Dagegen ist der Bundestag nun in Berufung gegangen. Linke und Grüne hatten ihre Hausausweis-Listen schon vor dem Urteil freiwillig veröffentlicht, die SPD zog in der letzten Woche nach. Die Union weigert sich weiterhin.
Lobbytransparenz jetzt auf neue Füße stellen
Die Debatte um die Hausausweise ist nur die Spitze eines Eisbergs der Intransparenz. Es ist Zeit, endlich für umfassende Transparenz beim Lobbyismus zu sorgen. Mit einem verpflichtenden Lobbyregister wäre für alle klar, wer in wessen Auftrag und mit welchem eingesetzten Lobbybudget Politik beeinflussen möchte. Daher fordern wir die Union auf: Legen Sie jetzt offen, für welche Organisationen Sie Hausausweise befürwortet haben und machen Sie den Weg frei für ein verpflichtendes Lobbyregister!
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