Aus der Lobbywelt

Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks

Die tageszeitung (taz), der Freitag, die Frankfurter Rundschau, der Tagesspiegel, das European Center for Constitutional and Human Rights und Perlentaucher.de haben gestern zusammen eine Erklärung „Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks“ veröffentlicht. Wir schließen uns dem Appell gerne an. Er wendet sich gegen Zensur, fordert den Schutz der Publikationsfreiheit auch für das Internet und formuliert […]
von 17. Dezember 2010

Die tageszeitung (taz), der Freitag, die Frankfurter Rundschau, der Tagesspiegel, das European Center for Constitutional and Human Rights und Perlentaucher.de haben gestern zusammen eine Erklärung „Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks“ veröffentlicht. Wir schließen uns dem Appell gerne an. Er wendet sich gegen Zensur, fordert den Schutz der Publikationsfreiheit auch für das Internet und formuliert offensiv ein Recht der Öffentlichkeit auf Kontrolle des Staates (siehe Volltext unten).

Tatsächlich liefern die von Wikileaks veröffentlichten US-Depeschen interessante Einblicke in staatliche Politik und das Zusammenspiel von Staat und Unternehmen. Man darf sich dafür nur nicht mit der Boulevard-artigen Berichterstattung über Beurteilungen deutscher Politiker aufhalten, sondern sollte sich lieber mit den Informationen zum Verhalten des Ölkonzerns Shell oder des Pharmariesen Pfizer in Nigeria beschäftigen (ausführlicher zu Shell siehe den englischen Guardian)

Hier der Appell in ganzer Länge – unterschreiben kann man unter bewegung.taz.de.

Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks

1. Die Angriffe auf Wikileaks sind unangebracht

Die Internet-Veröffentlichungsplattform Wikileaks steht seit der
Veröffentlichung der geheimen Botschaftsdepeschen der USA unter großem Druck. In den USA werden die Wikileaks-Verantwortlichen als „Terroristen“ bezeichnet, es wird sogar ihr Tod gefordert. Große internationale Unternehmen wie MasterCard, PayPal und Amazon beenden ihre Zusammenarbeit mit Wikileaks – ohne dass eine Anklage gegen die Organisation vorliegt, geschweige denn eine Verurteilung. Gleichzeitig wird die technische Infrastruktur von Wikileaks anonym über das Internet attackiert. Dies sind Angriffe auf ein journalistisches Medium als Reaktion auf seine Veröffentlichungen. Man kann diese Veröffentlichungen
mit gutem Grund kritisieren, ebenso die mangelnde Transparenz, welche die Arbeit der Plattform kennzeichnet. Aber hier geht es um Grundsätzliches: die Zensur eines Mediums durch staatliche oder private Stellen. Und dagegen wenden wir uns. Wenn Internetunternehmen ihre Marktmacht nutzen, um ein Presseorgan zu behindern, käme das einem Sieg der ökonomischen Mittel über die Demokratie gleich. Diese Angriffe zeigen ein erschreckendes Verständnis von Demokratie, nach dem die Informationsfreiheit nur so lange gilt, wie sie niemandem weh tut.

2. Publikationsfreiheit gilt auch für Wikileaks

Die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verbriefte Publikationsfreiheit ist eine Grundlage der demokratischen Gesellschaften. Sie gilt nicht nur für klassische Medien wie Zeitungen oder Fernsehanstalten. Das Internet ist eine neue Form der Informationsverbreitung. Es muss den gleichen Schutz genießen wie die klassischen Medien. Längst hätte es einen weltweiten Aufschrei gegeben, wenn die USA ein Spionage-Verfahren gegen die New York Times, einen finanziellen Kreuzzug gegen den Spiegel oder einen Angriff auf die Server des Guardian führen würden.

3. Recht auf Kontrolle des Staates

Die Kriminalisierung und Verfolgung von Wikileaks geht über den Einzelfall hinaus. Die Veröffentlichung als vertraulich eingestufter Informationen in solchen Mengen soll verhindert werden. Denn die Menge an Dokumenten liefert der Öffentlichkeit einen weit tieferen Einblick in staatliches Handeln als bisherige Veröffentlichungen in klasssischen Medien. Der Journalismus hat nicht nur das Recht, sondern die Aufgabe, den Staat zu kontrollieren und über die Mechanismen des Regierungshandelns aufzuklären. Er stellt Öffentlichkeit her. Ohne Öffentlichkeit gibt es keine Demokratie. Der Staat ist kein Selbstzweck und muss eine Konfrontation mit den eigenen Geheimnissen aushalten.

Wir, die Initiatoren und Unterzeichner, fordern, die Verfolgung von Wikileaks, die dem Völkerrecht zuwiderläuft, zu stoppen. Wir fordern alle Staaten und auch alle Unternehmen auf, sich diesem Feldzug gegen die bürgerlichen Rechte zu widersetzen. Wir fordern alle Bürger, bekannt oder unbekannt, in politischen Positionen oder als Privatpersonen, auf, für die Einstellung der Kampagne gegen die Meinungs- und Informationsfreiheit aktiv zu werden. Wir laden alle ein, sich an dem Appell für die Medienfreiheit zu beteiligen.

PS: Es gibt auch Online-Aktionen von Campact und Avaaz gegen die aktuellen Angriffe auf Wikileaks. Aber die Texte dafür sind auf schnelle Online-Unterschriften optimiert und etwas dünner.

PPS: Wir freuen uns natürlich immer über Spenden an LobbyControl, weil auch wir nur mit einer unabhängigen Finanzierung durch Spenden und Förderbeiträgen arbeiten können. Angesichts der massiven Angriffe auf die Finanzierung von Wikileaks möchten wir aber den Hinweis nicht verschweigen, dass man in Deutschland über die Wau-Holland-Stiftung (Betreff „Wikileaks“) weiterhin an Wikileaks spenden kann. Dieser Kanal funktioniert unabhängig von Mastercard, Paypal oder Visa …

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