Aus der Lobbywelt

Aus dem Kanzleramt zur Energielobby – und andere Seitenwechsel

Hildegard Müller, bislang Staatsministerin im Bundeskanzleramt, soll laut Handelsblatt ab Oktober den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) führen. Am 25. Juli soll der BDEW-Vorstand darüber entscheiden. Eine offizielle Bestätigung gibt es noch nicht. Das ist nur der neueste Drehtür-Fall. Rechtlich interessant ist insbesondere der Wechsel von Joachim Wuermeling zur Versicherungslobby (unten).
von 15. Juli 2008

Hildegard Müller, bislang Staatsministerin im Bundeskanzleramt, soll laut Handelsblatt ab Oktober den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) führen. Am 25. Juli soll der BDEW-Vorstand darüber entscheiden. Eine offizielle Bestätigung gibt es noch nicht. Das ist nur der neueste Drehtür-Fall. Rechtlich interessant ist insbesondere der Wechsel von Joachim Wuermeling zur Versicherungslobby (unten).

Deutsche Bank holt Bankenaufseher
Für Wirbel sorgte in den letzten Wochen der Wechsel des obersten Bankenaufsehers der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zur Deutschen Bank (via Nachdenkseiten und Handelsblatt). Nachdem der Wechsel öffentlich wurde, wird der bisherige BIZ-Generaldirektor Malcolm Knight seinen mit rund 720.000 $ dotierten Spitzenjob bei der “Notenbank der Notenbanken” vorzeitig aufgeben. Ab 6. Oktober wird er dann als Vice-Chairman für die Deutsche Bank tätig sein und u.a. die Kontakte zu seinem Arbeitgeber BIZ pflegen. Er bring dabei seine Einblicke in die Geschäfte der Konkurrenz und in staatliche Finanzpolitiken mit, sein Insiderwissen wird der Deutschen Bank sicher zu Gute kommen. Mit Helmut Bauer holte sich die Deutsche Bank schon im Februar den obersten Bankenaufseher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die neue Abteilung „Aufsichtsangelegenheiten”. Weil sich die BIZ wegen des Seitenwechsels um ihren guten Ruf sorgt, möchte sie laut eines Artikels des Handelsblattes sogar ihre Statuten ändern, um zukünftige Interessenkonflikte zu vermeiden.

Sperrfristen nötig
Beide Beispiele zeigen die Notwendigkeit Sperrfristen für hochrangige Entscheidungsträger einzuführen, damit sich besonders finanzstarke Unternehmen oder Lobbygruppen nicht brisantes Insiderwissen und Kontakte einkaufen können – während finanzschwächere Interessen benachteiligt werden. In Deutschland ist die Debatte über Karenzzeiten wieder in den Schubladen des Bundestages verschwunden, nachdem die Aufregung über Schröders Wechsel zu Gasprom abgeklungen war (siehe für mehr Details unsere Studie von letztem Herbst „Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist. Zwei Jahre danach – Was macht die Ex-Regierung Schröder II heute?

Der Fall Wuermeling
Nur für Beamten aus der Ministerialbürokratie gilt, dass sie ihrer bisherigen Dienststelle neue Tätigkeiten bis fünf Jahre nach Ende ihrer beamteten Tätigkeit mitteilen müssen (Beamte im Altersruhestand nur drei Jahre). Die Dienststelle hat die Möglichkeit, die neue Tätigkeit zu untersagen, wenn dadurch „dienstliche Interessen“ gefährdet sind.

Aktuell betrifft diese Regel Joachim Wuermeling, der von 1999 bis 2005 Mitglied des Europaparlaments war und bis Anfang des Jahres beamteter Europastaatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Ende Januar hatte ihn Wirtschaftsminister Glos aufgrund persönlicher Spannungen in den einstweiligen Ruhestand versetzt (siehe u.a. Frankenpost). Seit Juli arbeitet er nun als Lobbyist für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) – offizieller Titel ist „Bevollmächtigter für europäische und internationale Angelegenheiten“. Die neue Stelle ist eine Reaktion auf die wachsende Bedeutung des EU-Rechts für die Versicherungswirtschaft und verbunden mit dem Ziel den GDV als politischen Akteur stärker in Brüssel zu etablieren (siehe GDV). Auch hier kauft sich die Versicherungswirtschaft gute politische Verbindungen ein.

Wir versuchen gerade vom Wirtschaftsministerium und vom GDV die Auskunft zu bekommen, ob Wuermeling seine Tätigkeit wie vorgesehen angezeigt hat und wie das Ministerium darüber entschieden hat. Noch haben wir keine Antwort bekommen, im Ministerium werde die Anfrage geprüft. Wir liefern die Ergebnisse so bald wie möglich nach.

Für uns ist interessant, wie eng das Ministerium die Frage der „dienstlichen Interessen“ auslegt. Betrifft es das „dienstliche Interesse“, wenn eine Lobbygruppe sich wertvolles Insiderwissen einkauft und damit gegenüber anderen Interessen wie Verbraucherinteressen im Vorteil ist? Oder ist das egal? Bislang sind kaum Fälle bekannt, in denen ein Ministerium einem ehemaligen Beamten neue Tätigkeiten untersagt hätte. Ein Ausnahme war der Fall Volker Halsch, dem das Finanzministerium 2006 für ein Jahr untersagte, zur Telekom-Tochter Vivento zu wechseln. Halsch saß zuvor für das Finanzministerium im Telekom-Aufsichtsrat (siehe Drehtür-Studie). Der Staatssekretär Caio Koch-Weser konnte dagegen 2006 problemlos vom Finanzministerium zur Deutschen Bank wechseln, obwohl er zuvor Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) war. Aus unserer Sicht ist die bisherige Regel deshalb zu schwach – nötig wäre eine generelle dreijährige Sperrfrist vor dem Wechsel in Lobby-Tätigkeiten.

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