Update, 16.2.2024: Am 15.2. räumte das Verkehrsministerium ein, dass es "Ungereimtheiten und Widersprüche" bei der Vergabe der Fördergelder im Rahmen des hier beschriebenen Netzwerks ging. Verkehrsminister Volker Wissing entließ Abteilungsleiter Klaus Bonhoff und versetzte den Referatsleiter Wasserstoff in eine andere Abteilung. Auslöser waren Mails zwischen dem Verkehrsministerium und Werner Diwald vom Wasserstoff-Lobbyverband DWV, die den Verdacht der Vetternwirtschaft weiter erhärteten. Aus diesen hatte der Spiegel zitiert. Unser Kommentar dazu.
Schon seit mehreren Monaten steht Volker Wissings Verkehrsministerium in der Kritik. Es geht um ein Lobby- und Freundschaftsnetzwerk rund um die Vergabe von Fördergeldern für den Einsatz von Wasserstoff zum Tanken. Das ist brisant, weil zahlreiche Fachleute die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle für teuer und ineffizient halten.
Es besteht der Verdacht, dass diese Gelder einseitig vergeben werden. Unsere neue Recherche zeigt nun, dass die Kontakte zwischen Geldgebern und Geldempfängern aus dem Freundschafts- und Lobbynetzwerk enger sind als bislang bekannt. Dabei wird auch deutlich: Die Compliance-Regeln im zuständigen Verkehrsministerium sind völlig unzureichend.
Zusammenfassung
- Abteilungsleiter Klaus Bonhoff aus dem Verkehrsministerium hat bei der Vergabe von Fördergeldern nicht sauber zwischen privaten und dienstlichen Kontakten getrennt: Er war in die Kommunikation zu einer Fördermittelzusage involviert – und zwar an einen Lobbyverband, mit dessen Führungspersonal er sehr eng befreundet ist.
- Dabei ging es um Gelder für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge im Straßenverkehr. Fachleute kritisieren schon länger, dass Wasserstoff-Autos wenig effizient sind und gleichzeitig übermäßig subventioniert werden. Nun verdichten sich Hinweise, dass dabei ein enges Freundschafts- und Lobbynetzwerk eine Rolle gespielt hat.
- Bonhoff hätte sich aus unserer Sicht für befangen erklären und vollständig von dem Vorgang fern halten sollen. Dass dies nicht geschehen ist und das Ministerium offenbar kein Problem in dem Interessenkonflikt sieht, ist fragwürdig – und zeigt, dass bestehende Compliance-Regeln nicht ausreichen.
- Über die Vorwürfe gegen Abteilungsleiter Bonhoff hatte das Handelsblatt bereits im Sommer 2023 berichtet. Das Verkehrsministerium hat seitdem immer wieder abgewiegelt und die Vorgänge für unproblematisch erklärt. Damit sendet es ein völlig falsches Signal.
- Fragwürdige Freundschafts- und Lobbynetzwerke sorgen zurecht für viel Empörung. Schon der Anschein, dass solche Netzwerke im Verkehrsministerium bei der Vergabe öffentlicher Gelder eine Rolle gespielt haben, ist schädlich für die Demokratie. Es braucht deswegen dringend modernisierte Compliance-Regeln für die Bundesregierung.
- Update 6.2.24: Neue Spiegel-Recherchen belegen, was wir schon vermutet hatten: Bonhoff war in die Förderentscheidung deutlich stärker involviert, als das Ministerium bisher zugeben wollte. Der nun bekannt gewordene Mailwechsel bringt das Verkehrsministerium in Erklärungsnot. Das Ministerium hatte bisher darauf bestanden, Bonhoff hätte lediglich eine Mail seines Freundes aus dem Wasserstoffverband an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet. Der Mailwechsel belegt nun, dass das nicht den Tatsachen entspricht. Damit müssen sich nun auch Bonhoffs Vorgesetze für die lückenhafte Aufklärung und den mangelhaften Umgang mit Interessenkonflikten verantwortlich zeigen. Unsere Pressemitteilung zu den neuen Enthüllungen ist hier.
Ski-Connection mit Faible für Brennstoffzellen
Im Zentrum der Vorwürfe rund um das Verkehrsministerium steht ein enger Freundeskreis, der regelmäßig zusammen in den Ski-Urlaub fährt, aber auch dienstlich Kontakt pflegt. Es geht um Oliver Weinmann und Werner Diwald, die beide Spitzenfunktionen im Deutschen Verband für Wasserstoff- und Brennstoffzellen (DWV) inne haben: Weinmann ist dort ehrenamtlicher Präsident, Diwald hauptamtlicher Vorstandsvorsitzender.
Der DWV ist der zentrale Lobbyverband für die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle, die nach Wünschen des Verbands vor allem im Verkehrssektor zur Anwendung kommen soll. Die dritte Person aus der Skifahrergruppe ist Klaus Bonhoff, Abteilungsleiter Grundsatzfragen im Verkehrsministerium.
Die drei Personen eint das Interesse am Thema Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Alle drei sind seit vielen Jahren in diesem Bereich beruflich engagiert und in Netzwerke eingebunden. Dabei haben sie allerdings unterschiedliche Rollen. Weinmann und Diwald profitieren auf mehrere Weise von den hohen Fördersummen, die in diesem Bereich vergeben werden. Bonhoff dagegen ist für die Fördermittelvergabe mitverantwortlich.
Er ist schon länger als „Mister Wasserstoff“ bekannt, weil er sich beruflich ganz der Brennstoffzelle verschrieben hat. Genau diese Konstellation aus Geldempfängern und Geldgebern macht den Freundeskreis so problematisch. Dokumente, die der Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Linke) vom Verkehrsministerium angefordert hat, zeigen, dass Abteilungsleiter Bonhoff sich offenbar für Fördersummen für den Lobbyverband seines Skifreundes eingesetzt hat.
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Bonhoff leitet Mail seines Skikumpels weiter: „Wie besprochen“
Im Frühjahr 2021 trafen sich Bonhoff und sein Skifreund und Brennstoffzellen-Lobbyist Diwald in dienstlicher Funktion auf einer Veranstaltung. Damals sprachen die beiden darüber, ob das Verkehrsministerium eine Kommunikations- und Vernetzungsplattform fördern könnte, die beim Brennstoffzellen-Lobbyverband angesiedelt ist. Dabei ging es ganz explizit um Gelder aus einem Förderprogramm des Verkehrsministeriums.
Als Vorbild diente die Plattform HySteel, die aus dem selben Programm bereits bei dem Verband gefördert wurde. Wenig später schickte Diwald „erläuternde Unterlagen“ zu dem geplanten Projekt an Bonhoff - mit der Anrede "lieber Klaus". Bonhoff wiederum leitete diese Mail an das zuständige Fachreferat im Verkehrsministerium weiter.
Der Begleittext von Bonhoff an seinen Referatsleiter lautete wörtlich: „Wie besprochen - können wir analog zu BMU Vernetzung/Kommunikation fördern?“ Laut den uns vorliegenden Unterlagen hatte Bonhoff das Projekt bereits zuvor mündlich befürwortet. Nur rund ein Jahr später startete tatsächlich das Projekt „HyMobility“, das mit 1,4 Millionen Euro aus einem Fördertopf vom Verkehrsministerium ausgestattet war.
Ziele des Projekts sind Netzwerken und Lobbyarbeit zur Wasserstoff-Mobilität. Dass Bonhoff hierbei einen Interessenkonflikt im besonders korruptionsgefährdeten Verfahren der Geldervergabe hatte, kam ihm dabei offenbar gar nicht in den Sinn. Sonst hätte er sich aus dem Verfahren von Beginn an zurückziehen sollen - und die Mail gar nicht erst weiterleiten sollen. Stattdessen hielt Bonhoff in Vertretung seines Staatssekretärs zum Programmbeginn sogar die Eröffnungsrede.
Reaktionen aus dem Verkehrsministerium
Das Handelsblatt hatte bereits im Juli 2023 auf Bonhoffs Netzwerke zur Wasserstoffwirtschaft hingewiesen. Damals waren einige Details der Kommunikation zwischen Bonhoff und dem Brennstoffzellen-Lobbyverband noch nicht bekannt. Dennoch hatte das Verkehrsministerium damals eine Untersuchung eingeleitet und Ende August 2023 einen ersten Zwischenbericht vorgestellt.
In diesem Rahmen hatte der zuständige Staatssekretär Stefan Schnorr bereits öffentlich zugegeben, dass der enge Freundeskreis um Bonhoff und den Vertretern vom Brennstoffzellen-Lobbyverband tatsächlich bestehe. Die Freundschaft zwischen Bonhoff und dem Führungspersonal des Wasserstoff-Lobbyverbands war bekannt. Zugleich räumte Schnorr ein, dass Klaus Bonhoff eine an ihn persönlich gerichtete Mail des Brennstoffzellenverbands mit der Anrede „lieber Klaus“ zu einer Förderbitte direkt an das zuständige Fachreferat weitergeleitet habe.
Auf Nachfrage der Unions-Bundestagsfraktion schrieb das Verkehrsministerium, dass Bonhoff mit dem darauf folgenden Bewilligungsverfahren nicht weiter befasst war. Vor allem darauf begründet es seine Einschätzung, dass das Verfahren regelkonform gewesen sei. Doch das ist fragwürdig: Schließlich hatte Bonhoff ja offenbar im Vorfeld bereits der Förderung zugestimmt, worauf er in der Mail offenbar noch einmal hinweist. Es liegt nahe, dass das Auswirkungen auf die Förderentscheidung des Referats gehabt hat, das Bonhoff untergeordnet ist.
Das Verkehrsministerium schreibt auf Anfrage von LobbyControl selbst, dass „Fördermaßnahmen“ ein besonders korruptionsgefährdetes Arbeitsgebiet seien und Beschäftigte des Verkehrsministeriums darum hier besonders geschult und sensibilisiert werden.
"Private Verbindungen bei Geldervergabe tunlichst vermeiden"
Wichtig ist vor allem: Selbst wenn es kein Fehlverhalten im juristischen Sinne gab, bleibt der Umgang mit privaten Freundschaften rund um die Vergabe von Fördergeldern im Verkehrsministerium problematisch. Der Vorgang unterstreicht deswegen umso mehr, dass es einen angemessenen Umgang mit Interessenkonflikt braucht und entsprechend auch modernisierte Compliance-Regeln (mehr dazu in unserem früheren Blogbeitrag).
Professor Manuel Theisen, renommierter Compliance-Experte, sagte gegenüber dem Handelsblatt: „Private Verbindungen im Umfeld der Vergabe öffentlicher Gelder sollten tunlichst vermieden werden“. Dies werfe zurecht Fragen auf.
Problematisch ist auch, dass das Ministerium nur Vorgänge bis August 2019 untersucht hat und selbst schreibt, dass es „bislang“ keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten gebe. Warum wurden die Jahre 2020 bis 2023 nicht untersucht? Zudem waren offenbar einige weitere Verbindungen – wie etwa verwandtschaftliche Verbindungen – gar nicht oder nur zum Teil bekannt.
Weder der Zwischenbericht noch der Abschlussbericht sind öffentlich einsehbar. Das kritisieren auch die Oppositionsparteien Linke und CDU. Der Bundestagsabgeordnete Ulrich Lange (CDU) sagte gegenüber TableMedia, dass das Ministerium bei der Aufarbeitung des Falls „sehr intransparent“ agiere.
Wasserstoff-betriebene PKWs? Perspektiven der Wissenschaft und Lobbyinteressen
Das Verkehrsministerium fördert sowohl batterieelektrische Antriebe als auch wasserstoffbetrieben Brennstoffzelle. Dennoch hat sich mit einem Marktanteil von 99,9 Prozent das batterieelektrische Fahrzeug im Markt der Fahrzeuge ohne CO2-Emissionen ganz klar durchgesetzt. Laut einer Studie des Borderstep-Institut, die vom Bundesforschungsministerium beauftragt und finanziert wurde, wird sich an diesen Marktanteilen auch in den nächsten Jahren nichts wesentlich ändern.
Wenn weiter die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle im Verkehrssektor gefördert wird, führe dieses zu negativen Lock-in-Effekten und sei dies insgesamt ineffizient – gerade auch angesichts der weiter bestehenden Knappheit von grünem Wasserstoff. Die Entwicklung und Markteinführung alternativer effizienter Alternativen werde so ausgebremst. Die Bundesregierung scheine hier einem „Hype zu erliegen, der zwar richtigerweise die sehr wichtige Rolle von Wasserstoff für die Dekarbonisierung anerkennt, jedoch die nutzbaren Mengen in naher und mittelfristiger Zukunft deutlich überschätzt.“
Fachleute weisen schon länger darauf hin, dass Wasserstoff zum Tanken nur sehr eingeschränkt sinnvoll sein könnte. Dass sich die Erzählung von der Zukunft des Wasserstoffautos weiter hält, liegt auch an mächtigen Lobbyinteressen. Die Aussicht auf Wasserstoff oder auch E-Fuels verspricht eine Zukunft für bestehende Tankstelleninfrastrukturen und Lieferketten. Deswegen sind es vor allem die großen Mineralöl- und Gaskonzerne, die über den Verband für Wasserstoff- und Brennstoffzellen (DWV) für den Einsatz von Wasserstoff beim Tanken lobbyieren. Diese Argumente seien laut Borderstep-Institut „analog zu den Argumenten der Gasindustrie, was die Nutzung von Wasserstoff im Heizungsbereich angeht.“
Ähnliche Kritik kommt auch von Umweltverbänden. Jens Hilgenberg, Verkehrsreferent beim Umweltverband BUND, hält es für „auffällig“, wie stark das Bundesverkehrsministerium „an der Vision von wasserstoffbetriebenen Pkw“ festhält. „Obwohl nur wenige Konzerne mit einigen Kleinserien in diesem Segment tätig sind, werden hohe Fördersummen in diesem Bereich gewährt und über Subventionen für Produkte gesprochen, die es nicht gibt und mit hoher Wahrscheinlichkeit nie geben wird,“ so Hilgenberg.
Bonhoff: „Mister Wasserstoff“ im Verkehrsministerium
Ein genauerer Blick auf das Verkehrsministerium, die bundeseigene NOW GmbH und den Brennstoffzellen-Lobbyverband führt zu einem ganzen Geflecht aus Lobbyverbindungen bis hin zu familiären Verbindungen – und einer einseitigen Förderpolitik. Bonhoffs Abteilung im Bundesverkehrsministerium ist für die Vergabe hoher Fördersummen verantwortlich – so etwa über das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP). Allein zwischen 2017 und 2022 wurden im Rahmen dieses Programm fast 1,7 Milliarden Euro Fördergelder für Wasserstoff-Projekte bewilligt. Solche hohen Summen wecken Begehrlichkeiten in der Branche.
Schon als Bonhoff vom damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eingestellt wurde, war er als „Mister Wasserstoff“ bekannt. Sein gesamtes Berufsleben war auf die Förderung der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie ausgerichtet. Zu diesem Thema forschte er zunächst, später leitete er die bundeseigene NOW GmbH, die die Fördermittelvergabe in diesem Bereich koordiniert. Über seine Mitgliedschaft im Beirat des Gaslobbyverbands Zukunft Gas pflegt er außerdem enge Kontakte zu großen Öl- und Gaskonzernen wie Shell oder VNG. Als Scheuers Nachfolger im Amt des Verkehrsministers übernahm Volker Wissing (FDP) Bonhoff, obwohl ein Personalaustausch auf dieser Ebene nach Regierungswechseln nicht unüblich ist.
Bonhoffs spezielles Profil auf diesem Posten ist durchaus problematisch. Denn die Frage, welche Technologien im Verkehrssektor gefördert werden, ist immer wieder umstritten. Laut Handelsblatt regt sich im Verkehrsministerium schon länger Kritik, dass ein Abteilungsleiter, der sich ganz der wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle verschrieben hat, nicht unabhängig über die Vergabe von Fördergeldern in diesem Bereich entscheiden könne. Laut Spiegel sei außerdem schon lange bekannt gewesen, dass Bonhoff bei der konkurrierenden batteriebetriebenen E-Mobilität „kräftig auf der Bremse gestanden“ habe.
NOW: mächtiger Akteur bei der Vergabe von Fördergeldern
Auch die NOW – Bonhoffs vorheriger Arbeitgeber – ist klar auf die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Förderung ausgerichtet. Sie wurde 2008 eigens von der Bundesregierung eingerichtet, um die Gelder aus dem Wasserstoff-Förderprogramm NIP zu koordinieren. Wichtig zu wissen: Die NOW hat dafür deutlich mehr Kapazitäten als die zuständigen Referate im Verkehrsministerium selbst und ist deswegen ein mächtiger Akteur bei der Vergabe. Die NOW trifft gemeinsam mit dem Projektträger Jülich die relevanten Vorentscheidungen, wer welche Gelder bekommt.
Die NOW kooperiert dabei eng mit den potentiellen Empfängern dieser Gelder. Einige davon sind sogar Mitglied in einem beratenden Beirat – so etwa Total, Shell und der Gaskonzern VNG. Diese Konzerne haben ein Interesse an der Fortführung ihrer fossilen Geschäftsmodelle. Das ist über die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle oder auch E-Fuels besser möglich, als über die effizientere batteriebetriebene Elektromobilität: Lieferketten und Tankstelleninfrastruktur könnten erhalten bleiben (vgl. Kasten).
Ende 2019 wurde auch die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur bei der NOW angesiedelt, so dass sich ihr Aufgabenbereich nun auch breiter auf den Ausbau der batteriebetriebenen Elektromobilität erstreckt. Doch genau wie Bonhoff ist auch dessen Nachfolger als NOW-Geschäftsführer Kurt-Christoph von Knobelsdorff ein klarer Befürworter der Brennstoffzelle. Knobelsdorff ist zudem Beiratsmitglied in der E-Fuels-Alliance, die im Auftrag von Porsche, ExxonMobil, Siemens Energy und anderen Konzernen Lobbyarbeit für E-Fuels betreibt. Das Verkehrsministerium bestätigte zudem auf Anfrage, dass Knobelsdorff ebenfalls mit Bonhoff „privat befreundet“ sei. Auch diese private Verbindung sei aber erst seit August 2023 im Ministerium bekannt.
Millionensummen für einen Lobbyverband
Bonhoffs Skifreunde – Weinmann und Diwald - eint ihr gemeinsames Engagement im Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband (DWV), dem zentralen Lobbyverband für die Brennstoffzelle. Pikant dabei: Der Verband bekommt Fördergelder aus dem Wasserstoff-Förderprogramm NIP, das die NOW koordiniert. 1,4 Millionen Euro gingen an die dortige Fachkommission HyMobility. Das ist das Projekt, für das Bonhoff seinem Freund Diwald bereits vor der Entscheidung über die Fördermittelvergabe Zustimmung signalisiert hatte und eine entsprechende Mail an das zuständige Referat weitergeleitet hatte (siehe oben).
Mitglied bei HyMobility sind u.a. BMW, Shell Hydrogen, Uniper Energy, Siemens Energy, das Fraunhofer-Institut und der Wasserstoff-Tankstellen-Betreiber H2Mobility, der später noch eine Rolle spielen wird. Die beteiligten Unternehmen haben ein klares eigenes Gewinninteresse bzw. sind im Bereich Brennstoffzellentechnologie sogar abhängig von öffentlichen Geldern. Auch die bundeseigene NOW ist an den Arbeitsgruppen von HyMobility beteiligt.
Das Projekt HyMobility hat das Ziel, einen regulatorischen Rahmen für die Förderung der Brennstoffzelle auszuarbeiten und dazu „in einen engen Austausch mit der Politik zu gehen.“ Anders formuliert: HyMobility ist ein Unternehmens-Netzwerk, dass Lobbyarbeit für die Brennstoffzelle betreibt. Es ist ungewöhnlich und fragwürdig, dass ein Wirtschaftslobbyverband wie der DWV einen staatlichen Zuschuss für Aufgaben bekommt, die er ohnehin tut: Netzwerke pflegen und Lobbyarbeit betreiben. Auch die Vorgaben des Förderprogramms sehen „grundsätzlich“ nicht vor, dass Verbände Gelder bekommen. Auf Nachfrage teilte eine Ministeriumssprecherin LobbyControl mit, dass Ausnahmen möglich seien, "wenn ein erhebliches Bundesinteresse" bestehe.
Es sollte die Aufgabe der Politik sein, im Austausch mit verschiedenen Akteuren – Wirtschaftsverbänden, Wissenschaft, aber etwa auch Umweltverbänden – Rahmenbedingungen für die Förderung von Technologien auszuarbeiten. Diese Aufgabe sollte nicht an einen Lobbyverband mit wirtschaftlichen Eigeninteressen ausgelagert werden.
Beratungsfirmen für die Akquise öffentlicher Gelder
Ein weiterer fragwürdiger Zusammenhang: Die beiden Wasserstoff-Lobbyisten und Bonhoff-Skifreunde Diwald und Weinmann sind auch mit ihren eigenen Firmen Teil des Wasserstoff-Netzwerks. Diwald ist neben seiner Tätigkeit beim DWV geschäftsführender Gesellschafter der Firma PTXsolutions. Diese bietet „Politikberatung“ und „Akquise öffentlicher Gelder“ als Dienstleistung an. Als Referenzen gibt das Unternehmen unter anderem die NOW GmbH an.
Auch Weinmann hat sich im Wasserstoff-Sektor selbständig gemacht: Er gründete im Jahr 2023 die Firma HyAdvice, die ebenfalls Beratung zur Fördermittelakquise bei Wasserstoff-Projekten anbietet. Auch er gibt als Referenz und „Partner“ die NOW an. Bei der NOW sitzt er nebenbei auch dem Beirat vor. Sowohl Diwald als auch Weinmann streiten ab, dass sie durch ihre Beratungstätigkeit Interessenkonflikte gehabt hätten bzw. haben. Dennoch drängt sich der Verdacht auf, dass Weinmann und Diwalds Firmen von dem Insider-Wissen über die Fördermittelvergabe profitieren, das sie durch ihre Nähe zu Bonhoff erhalten.
Schwiegersohn profitiert von H2-Fördergeldern
Weinmann hat zudem auch noch weitere persönliche Verflechtungen: Sein Schwiegersohn kommt ebenfalls aus der Wasserstoffbranche. Lorenz Jung gehört seit 2021 der Geschäftsführung der Wasserstoff-Tankstellen Firma H2Mobility an. Seit April 2023 ist er dort einer von drei Geschäftsführern und Sprecher des Unternehmens. An H2Mobility sind u.a. die Unternehmen Daimler, Shell, TotalEnergies und BMW beteiligt.
Einen großen Teil seiner Fördermittel bekommt das Unternehmen aus dem Fördertopf NIP, den die NOW koordiniert. H2Mobility leitet zudem eine Arbeitsgruppe in der bereits erwähnten DWV-Fachkommission HyMobility, die ebenfalls Wasserstoff-Fördergelder über die NOW erhält. Auch hier drängt sich die Frage auf, ob Lorenz von den guten Kontakten seines Schwiegervaters Weinmann zur NOW und zum Verkehrsministerium profitiert. Nebenbei bemerkt: Jungs Frau, also Weinmanns Tochter, arbeitet bei der NOW als Teamleiterin in der Öffentlichkeitsarbeit.
Parallelen zum Fall Graichen
Der damalige Staatssekretär Patrick Graichen stolperte im Frühjahr 2023 über seinen Umgang mit familiäre Beziehungen im Amt. Er wurde damals zurecht entlassen, nachdem bekannt wurde, dass er die Vergabe von Fördergeldern für den BUND-Landesverband Berlin mitgezeichnet hatte. Im Vorstand saß zu dem Zeitpunkt seine Schwester. Auch H2Mobility mahnt in seinen Compliance-Vorschriften für seine Lieferanten an, dass Interessenkonflikte aufgrund von „Verwandtschaft oder Schwägerschaft, Partnerschaft“ vermieden werden sollten. Diese Compliance-Vorschriften scheinen für die Geldgeber von H2Mobility nicht gleichermaßen zu gelten.
Das Verkehrsministerium teilte LobbyControl gegenüber mit, dass die Beratungstätigkeiten von Weinmann und Diwald dort nicht bekannt gewesen seien. Auch die Personalie Lorenz Jung und dessen familiäre Beziehung zu einem der drei Skifreunde sei bei den zuständigen Fachreferaten auf Arbeitsebene nicht bekannt gewesen. In diesem Zusammenhang verwies das Ministerium darauf, dass Förderentscheidungen zugunsten der H2Mobility erst nach dem Geschäftsführerwechsel im April 2023 erfolgt seien. Mit dieser Aussage drückt das Ministerium aus, dass eine solche Konstellation problematisch hätte sein können. Tatsächlich gehört Jung der Geschäftsführung aber schon seit 2021 an, wenn auch noch in anderer Funktion.
Verkehrsministerium nutzt teilweise Widerruf des Handelsblatt aus
Das Handelsblatt hatte als erstes bereits im Juli 2023 über problematische Netzwerke rund um die Fördermittelvergabe im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen-Technologien berichtet. Dabei hatte es auch über Verbindungen zu einem bayerischen Unternehmer hingewiesen. Auch hier wurde von einer angebliche Urlaubsfreundschaft berichtet. Letzteres musste das Handelsblatt allerdings widerrufen. Die Hinweise auf die problematische Geldervergabe an den Brennstoffzellen-Verband erhärteten sich jedoch, wie auch diese Recherche zeigt.
Das Verkehrsministerium forderte daraufhin mehrere Medien auf, ihre Berichterstattung zum Fall Bonhoff zu korrigieren. Auch wir passten unsere Berichterstattung entsprechend an. Allerdings entstanden auch mehrere Presseberichte und Social-Media-Posts, die suggerierten oder sogar explizit nannten, dass jegliche Hinweise auf problematische Verbindungen von Bonhoff sich als falsch erwiesen hätten. Das Ministerium verwies auch immer wieder auf die Korrektur des Handelsblatt. Doch das war irreführend und lenkte letztlich davon ab, dass sich die problematischen Verbindungen zum Wasserstoffverband DWV, über die das Handelsblatt erstmals berichtet hatte, sich letztlich immer weiter verdichteten. Das Handelsblatt berichtete in der Folge nicht weiter über den Fall.
Großer Bedarf an modernisierten Compliance-Regeln
Insidern sind die Wasserstoff-Netzwerke rund um die NOW und das Verkehrsministerium schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Schon länger berichten sie von einer relativ kleinen Gemeinschaft, die zu Wasserstoff und Brennstoffzellen forschen, arbeiten – und Fördergelder vergeben und beziehen. Tatsächlich sind die persönlichen und beruflichen Verflechtungen zwischen Abteilungsleiter Klaus Bonhoff, der NOW GmbH und Empfängern von Fördergeldern zahlreich.
Brisant sind diese Verflechtungen zum einen, weil es um Steuergelder in Milliardenhöhe geht – und der Anschein entsteht, dass eine umstrittene Technologie einseitig gefördert wurde und damit möglicherweise die Transformation des Industriestandorts Deutschland in Richtung Zukunftsfähigkeit ausgebremst wurde. Und schließlich sind die Vorgänge auch problematisch für die Demokratie: Schon der Anschein eines fragwürdigen und einflussreichen Netzwerks schadet dem Ansehen des Verkehrsministeriums und der bundeseigenen NOW GmbH.
Misst die Bundesregierung mit zweierlei Maß?
Es ist und bleibt fragwürdig, wenn bei der Vergabe öffentlicher Fördergelder der Anschein entsteht, dass nicht sauber zwischen privaten und dienstlichen Kontakten getrennt wird. Doch genau dieser Anschein hat sich sogar weiter erhärtet. Das Verkehrsministerium macht es sich zu einfach, wenn es die Vorwürfe einfach rundheraus zurückweist. Damit sendet es ein völlig falsches Signal. Es reicht nicht aus, sich auf bestehende Regeln zu berufen. Der Fall zeigt deutlich, dass die Compliance-Regeln im Ministerium unzureichend sind und dringend modernisiert werden müssen.
Zusätzlich entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung mit zweierlei Maß misst: Im Fall des mittlerweile entlassenen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium Patrick Graichen wurden vorab im Ministerium Regeln für den Umgang mit familiären Verbindungen aufgestellt. Als diese nicht eingehalten wurden, folgte die Entlassung. Die öffentliche Kritik an dem Vorgang war zurecht groß, die Entlassung folgerichtig. Der Fall Bonhoff hat auffällige Parallelen zur Causa Graichen – auch deswegen braucht es hier einen angemessenen Umgang. Der Bedarf an klareren Compliance-Regeln und -Verfahren für die Ministerien ist offenbar groß. Wir haben dazu schon im Mai Vorschläge ausgearbeitet. Minister Wissing täte gut daran, sich daran zu beteiligen, dass diese schnellstmöglich diskutiert und umgesetzt werden.
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