Der Seitenwechsel, auch Drehtür-Effekt (Revolving door) genannt, ist ein häufig auftretendes und typisches Phänomen in der Welt des Lobbyismus: Politiker oder hochrangige Mitarbeiter von Ministerien wechseln aus ihrem Amt oder Mandat zu Unternehmen oder Interessenverbänden, und übernehmen dort lukrative Lobbytätigkeiten. Häufig werden sie dabei in Bereichen tätig, für die sie zuvor in ihrer politischen Funktion auch zuständig waren. Sie wechseln quasi auf die andere Seite des Verhandlungstisches und sitzen dort ihrem jeweiligen Nachfolger im Amt gegenüber. Diese Wechsel erfolgen oftmals unmittelbar nach Beendigung der politischen Funktion oder nur kurz darauf („fliegend“).
Die wichtigsten Seitenwechsler auf einen Blick
Das lobbykritische Online Lexikon Lobbypedia hat nun eine aktualisierte Liste ehemaliger deutscher Politiker veröffentlicht, deren Seitenwechsel den Verdacht eines Interessenkonflikts zumindest nicht vollkommen ausschließen. Der übersichtlichen Tabelle sind nicht nur die Namen betroffener Politiker zu entnehmen, sondern auch deren wichtigsten früheren Positionen und Funktionen in der Politik sowie die Tätigkeiten, die die Seitenwechsler im Anschluss an ihre politischen Karrieren übernommen haben. Bislang hat LobbyControl auf deutscher Ebene 72 solcher Fälle dokumentiert und, nach dem Jahr der Aufnahme der neuen Tätigkeit geordnet, in der Lobbypedia aufgelistet. Da prominente Seitenwechsel nach wie vor ein gravierendes Problem darstellen, wird diese Liste ständig ergänzt und erweitert.
Kritik am Drehtür-Effekt
Vor allem fliegende Seitenwechsel hält LobbyControl aus folgenden Gründen für hoch problematisch:
- Mit kürzlich ausgeschiedenen politischen Entscheidungsträgern sichern sich Interessengruppen nicht nur deren Insider-Wissen, sondern auch ihre noch frischen Kontakte in Ministerien und/oder Parlament. Auf diese Weise erhalten sie einen privilegierten Zugang zur Politik und können Entscheidungen leichter zu ihren Gunsten beeinflussen.
- Dies kommt vor allem finanzkräftigen Akteuren zugute, die ehemaligen SpitzenpolitikerInnen attraktive Jobs anbieten können. In der Regel handelt es sich dabei um große Unternehmen oder Wirtschaftsverbände. Die bestehenden Machtstrukturen werden so nicht nur gefestigt, sondern oftmals weiter ausgebaut.
- Die Aussicht auf lukrative Jobs nach dem Ende der Politiker-Karriere schafft Anreize, politische Entscheidungen zu Gunsten späterer potentieller Arbeitgeber zu treffen – oder jene zumindest nicht gegen sich aufzubringen. So können spätere Jobchancen bei wichtigen Entscheidungen zu einem durchaus bedeutenden Faktor werden und somit zu Interessenkonflikten führen. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn Verhandlungen über eine Folgeanstellung bereits während der Amtszeit eines Ministers oder leitenden Beamten geführt werden.
Weitere Informationen: Liste aller Seitenwechsler auf einen Blick
Bleiben Sie informiert über Lobbyismus.
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.
Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.