Aus der Lobbywelt

Die gesponserte Republik und Merkels Versagen

Sponsoring verbinden wir allgemein mit Sport. Aber auch in der Politik sind Sponsorenzahlungen an der Tagesordnung – ohne Transparenz und klare Regeln. Und trotz aller Skandale wollen Union und FDP daran nichts ändern. Das ist der Skandal hinter den Skandalen. Christian Wullf hat die Kosten für seine Wahlparty zum Bundespräsidenten nicht selbst getragen, sondern sich […]
von 15. Februar 2012

Sponsoring verbinden wir allgemein mit Sport. Aber auch in der Politik sind Sponsorenzahlungen an der Tagesordnung – ohne Transparenz und klare Regeln. Und trotz aller Skandale wollen Union und FDP daran nichts ändern. Das ist der Skandal hinter den Skandalen. Christian Wullf hat die Kosten für seine Wahlparty zum Bundespräsidenten nicht selbst getragen, sondern sich und 80 weitere Personen vom Event-Manager und Lobbyisten Manfred Schmidt einladen lassen. Ähnliche Party-Angebote nahmen Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit und die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt an.

Sponsoring ist ein strukturelles Problem

Wer denkt, es handle sich hierbei um Einzelfälle, der täuscht sich. Wir haben es mit einem strukturellen Problem zu tun. Der Zugang zu Politikern und Entscheidungsträger dient als Treibstoff für Partys, Einladungen und Sponsoring-Aktivitäten, von denen Veranstalter wie Manfred Schmidt, Unternehmen und Lobbyisten profitieren wollen – aber eben auch Parteien und Politiker. Sponsoring ist in der Politik keine Ausnahme mehr, sondern längst Teil des Geschäfts.

Der Außenminister Guido Westerwelle nahm auf seinen Auslandsreisen Manager mit, welche zuvor an die FDP gespendet haben. Und das Bundespräsidialamt erhielt von Unternehmen wie Daimler, Air Berlin, der Deutschen Telekom oder Vattenfall für die Sommerfeste 2009 / 2010 Geld- und Sachzuwendungen über drei Millionen Euro.

Skandale ohne Folgen: NRW und Sachsen

In Nordrhein-Westfalen und Sachsen bot die CDU Gespräche mit ihren Ministerpräsidenten gegen Geld an. In NRW konnten Sponsoren des Landesparteitages für 14.000 Euro ein Partnerpaket erwerben. Enthalten waren ein Stand im Foyer plus Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen. Ein privates Einzelgespräch mit Jürgen Rüttgers konnte für weitere 6.000 Euro erkauft werden. In Sachsen warb die CDU zu der Veranstaltung „Denkfabrik Sachsen“ mit einem Vier-Stufen-Angebot für Sponsoren. Von einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten über einen Banner auf der CDU Internetseiten bis zur Erwähnung in der Rede des Generalsekretärs war für Beträge zwischen 500 und 8000 Euro alles zu haben.

Dieser Skandal sorgte 2010 für große Aufregung – aber hatte keine Konsequenzen. Union und FDP verweigern sich jeglicher Regelverschärfung. Mit dieser Politik des Nichtstun vermitteln sie den Eindruck, dass Skandale folgenlos bleiben und fördern die Verantwortungslosigkeit im Geschäft mit politischen Kontakten.

Hintergrund: Parteispenden vs Sponsorenzahlungen

In Deutschland finanzieren sich die Parteien zu etwa 15 Prozent aus Parteispenden. Diese müssen ab 10.000 Euro im Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden, welche erst etwa eineinhalb Jahre nach der Spende veröffentlicht werden. Parteispenden über 50.000 Euro müssen hingegen unverzüglich beim Bundestagspräsidenten angezeigt werden. Juristische Personen können Parteispenden nicht steuerlich absetzen.

Anders verhält es sich beim Parteisponsoring. Wenn Unternehmen Anzeigen in Parteiblättern schalten oder Ausstellungsflächen auf Parteitagen mieten, spenden Sie das Geld nicht einfach, sondern sie erhalten eine entsprechende Gegenleistung. Hierbei stoßen wir allerdings schon auf das erste Problem. In viele Fällen entspricht die erhaltene Gegenleistung nicht der gezahlten Summe und es handelt sich somit um verdeckte Parteispenden.

Die Unternehmen erhoffen sich durch diese Art von Zuwendung einen privilegierten Zugang zu den Politikern einer Partei. Sie können darüber hinaus Sponsorenzahlungen steuerlich absetzen. Die Kosten für die Lobbytätigkeiten trägt also die Allgemeinheit. Diese wiederum erfährt davon aber nicht. Denn Sponsoren werden in den Rechenschaftsberichten der Parteien nicht namentlich genannt.  Die so erzielten Einnahmen tauchen dort nur gesammelt unter „Einnahmen aus Veranstaltungen“ oder „Sonstige Einnahmen“ auf.

Neben Parteiveranstaltungen sind es vor allem Sommerfeste und andere Veranstaltungen von staatlichen Behörden die durch Unternehmen finanziert werden. Hierzu existiert zumindest eine allgemeine Verwaltungsvorschrift, welche unter anderem eine Offenlegung der Geld-, Sach- und Dienstleistungen aus Sponsoring in einem zweijährigen Bericht des Bundesministeriums des Inneren vorsieht, welcher online eingesehen werden kann.

Demnach unterstützten das Sommerfest des Bundespräsidenten 2010 unter anderem die AOK mit 90.000 Euro, Daimler mit 70.000 Euro, Deutsche Telekom mit 60.000 Euro, und Air Berlin mit 40.000 Euro. Besonders pikant: 2009 unter Bundespräsident Köhler trat Air Berlin, welche Wulff unter anderem ein kostenloses Upgrade auf einen USA-Flug und Manfred Schmidt Freiflüge und eine persönliche Freiflugkarte stellte, noch nicht als Sponsor in Erscheinung. Auch hier ist der Antrieb für Unternehmen natürlich ein Imagegewinn und ein leichter Zugang zu Politikern.

Politik der Untätigkeit

Bereits im Juli 2001 attestierte eine von Bundespräsident Johannes Rau nach der Spendenaffäre um die CDU unter Helmut Kohl eingesetzte Kommission zur Parteienfinanzierung einen Prüfungsbedarf in Sachen Sponsoring. Passiert ist danach erst einmal lange Zeit nichts.

Die Pläne verschwanden auch wieder in der Schublade, als im Dezember des gleichen Jahres die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarates zehn Empfehlungen für mehr Transparenz unter in der Parteienfinanzierung abgab, welche Deutschland bis Ende Juni 2011 rechtlich umsetzen und darüber an GRECO berichten sollte. Unter den Empfehlungen fand sich auch der Hinweis: „Klarstellung der Bedingungen, unter denen politische Parteien Sponsoringleistungen annehmen dürfen“.

Im März 2010 forderte dann auch Bundestagspräsident Norbert Lammert angesichts der Sponsoring-Skandale seiner Partei in NRW und Sachsen eine gründliche Prüfung des Parteiengesetzes, welches seiner Meinung nach bis dato keine ausdrückliche Regelung für Sponsoring vorsah, obwohl hier durchaus ein Transparenzbedarf bestünde. Und auch Angela Merkel äußerte sich damals kritisch:  „Ich darf (…) nicht das Amt des Ministerpräsidenten vermischen mit dem Sponsoring und den Eindruck erwecken, als würde mit diesem Amt geworben“. Bei Wulff schweigt sie nun zu diesem Thema.

Nachdem ein Jahr später immer noch nichts passiert war, überreichte im Juni 2011 LobbyControl zusammen mit Campact, Mehr Demokratie und Transparency International an Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien insgesamt über 22.000 Unterschriften, welche eine Reform der Parteienfinanzierung und insbesondere der Regelung zu Sponsoring forderten. Auch die Regierung schien das Thema nun ernst zu nehmen. So erklärte der Berichterstatter der FDP im Innenausschuss, Stefan Ruppert, dass seine Partei im Bereich des Sponsorings mehr Offenheit fordere: „Eine gesonderte Aufführung von Sponsoring-Einnahmen im Rechenschaftsbericht der Parteien steht für uns hierbei an erster Stelle.“

Doch in der mit den Stimmen von schwarz-gelb verabschiedeten Stellungnahme zu den GRECO-Empfehlungen klang alles wieder anders. Die Kritik zum Thema Sponsoring wird mit folgenden Worten zurückgewiesen: „Angesichts der vom deutschen Steuerrecht und von der klaren Systematik des Parteiengesetzes gezogenen eindeutigen Grenzen sieht der Innenausschuss allerdings keine Regelungslücke beim Parteisponsoring“. Wieder wurde eine Chance verpasst, die Praxis des Sponsorings neu zu regeln.

Fazit und Forderungen von LobbyControl

Politiker aus der Opposition fordern jetzt eine Reform des Parteiengesetzes. Nach Meinung der Grünen und der SPD sollen Sponsorenzahlungen in Zukunft wie Spenden behandelt und veröffentlicht werden. Die Linke fordert hingegen sogar Zuwendungen von Unternehmen an Parteien grundsätzlich zu verbieten. Nur die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP schweigen beharrlich zu diesem Thema und die Kanzlerin lobt die Transparenz des Bundespräsidenten. Die schwarz-gelbe Koalition setzt damit ihre bisherige Politik, wonach eine Regelungslücke beim Parteiensponsoring nicht vorhanden ist, fort.

Wir fordern Angela Merkel als Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin auf, endlich die Blockadepolitik der Union zu beenden und eine umfassende Regelung des Parteisponsoring voranzutreiben. Sponsoring muss in der Politik die Ausnahme bleiben. Wenn ein Event wie das Sommerfest des Bundespräsidenten wichtig ist, sollte es auch durch Steuermittel und nicht durch Unternehmen finanziert werden. Ferner müssen Sponsorenzahlungen wie Parteispenden behandelt werden. Sie sollten ab 10.000 Euro sofort und ab 2.000 Euro im Rechenschaftsbericht mit Nennung der Sponsoren offen gelegt werden. Außerdem halten wir eine Begrenzung von 50.000 Euro pro Jahr und Unternehmen, Verband bzw. Person für nötig. Die Einhaltung dieser Regeln sollte durch ein unabhängiges Gremium sicher gestellt werden.

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