Man kann die jüngste Debatte um Vorläufer des Slogans „Du bist Deutschland“ im Dritten Reich als Erfolg für „die Blogger“ sehen, die das Thema aufgebracht und vom Internet in die Massenmedien gebracht haben. Man kann das aber auch anders sehen. Auf dem Politikkongress, dem Branchen-Treff der PR- und Lobby-Szene, erzählte Andreas Fischer-Appelt letzte Woche in Berlin seine Version. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur fischerAppelt Kommunikation, die das Pressebüro für „Du bist Deutschland“ organisiert.
Er berichtete, dass die Kampagne die Blogs genau beobachten würde und das Auftauchen des Fotos mit dem Hitler-Bild und dem Transparent „Denn Du bist Deutschland“ (ca. 1935) früh registriert habe. Während sich das Thema in der Blogosphäre entwickelte, habe die Kampagne ihre Allianzen mobilisiert und Historiker angefragt, die das Foto einordnen sollten. Das Ganze sei dann in den Medien sehr gut gelaufen.
Erfolgreiches Agenda-Cutting
Tatsächlich verschwand das Thema schnell wieder aus den Medien – oft mit dem Hinweis, dass namhafte Historiker die Kampagne entlasten würden (insbesondere Hans Mommsen und Hans-Ulrich Wehler, siehe Netzeitung, N24 – beide mit Rückgriff auf eine dpa-Meldung). Bereits frühzeitig gab es außerdem eine „Du bist Deutschland“-Stellungnahme in dem Blog Spreeblick, das eines der zentralen Foren für die Diskussion über „Du bist Deutschland“ war. Darin grenzt sich der Leiter des Kampagne-Büros, Lars Cords, von jeglicher Nähe zu NS-Gedankengut ab.
Allerdings blieb es bei dieser einzelnen Stellungnahme. Der Kommentar kann kaum als erster Schritt hin zur „Anerkennung der Blogs als Diskursmedium“ gesehen werden. Er ist eher Teil der Krisenkommunikation der Kampagne, um den Diskurs einzudämmen. Bei genauerer Betrachtung ist die Diskussion um „Du bist Deutschland“ auch nicht Jamba 2.0, sondern eher das Gegenbeispiel zum Jamba-Fall. Damals kochte (auch über Spreeblick) die Kritik am Klingelanbieter Jamba hoch, als auf einen kritischen Artikel hin plötzlich viele Pro-Jamba-Kommentare auftauchten, deren Schreiber sich als Jamba-Mitarbeiter herausstellten. „Du bist Deutschland“ reagierte geschickter und zeigte die Einflussgrenzen von Bloggern auf. Sie haben es geschafft eine Debatte anzustoßen. Aber durch das „Agenda Cutting“ der Kampagne ist sie schnell aus den Medien verschwunden. Allerdings haben nicht alle die gleiche Medienmacht hinter sich wie „Du bist Deutschland“. Zudem ist tatsächlich die Frage, was sich aus dem alten Foto real ableiten lässt.
DbD, die BürgerInnen und die Politik
Was nicht heißt, dass die Kampagne nicht fragwürdig ist, in der Art der (nationalen) Ansprache und ihrer Top-Down-Massenkommunikation. Warum nutzt die Kampagne z.B. selbst keine Blogs? Andreas Fischer-Appelt erklärte dazu, dass der Einsatz von Blogs für die Kampagne unmöglich sei. Denn die Gefahr inhaltlicher Entgleisungen wäre bei dem Thema mit nationalen Anklängen zu groß. Die Kampagne kontrolliere auch alle Aussagen, die Besucher der Kampagnen-Webseite zusammen mit einem Foto posten können. Die nationale Ausrichtung führt bei „Du bist Deutschland“ also zu rigider Inhaltskontrolle und zu der absurden Situation, dass eine Muntermacher-Kampagne top-down und ohne echte Beteiligungsmöglichkeiten des Publikums stattfindet.
Fischer-Appelts Präsentation zeigte zudem, wie eng der Kontakt der Medienunternehmen über die Partner für Innovation zur Regierung Schröder war (über regelmäßige Treffen im Kanzleramt). Abwarten, wie sich das unter Merkel entwickelt… Leider fehlt dieser Aspekt in der Debatte um die Kampagne bislang: auf der einen Seite gibt es die Partner für Innovation, die ihren Elitendiskurs mit der Politik führen, und auf der anderen Seite wird die Öffentlichkeit mit einer Top-Down-Kampagne beglückt, die die Menschen zu mehr Eigeninitiative ermuntern soll.
PS: Fischer-Appelt sagte noch, dass „Du bist Deutschland“ auf andere Weise ähnliche Ziele verfolge wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) der Arbeitgeberverbände. Allerdings ist unklar, wie ernst man diese Aussage nehmen kann. Vielleicht war das nur als freundschaftliches Schulterklopfen für Tasso Enzweiler gemeint, der im gleichen Workshop auf dem Politikkongress die INSM vorgestellt hatte.
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