Nach den Berichten über Filz im Verkehrsministerium in den vergangenen Wochen bestätigte Staatssekretär Stefan Schnorr am letzten Donnerstag auf einer Pressekonferenz, dass es tatsächlich gemeinsame Urlaubsreisen des Abteilungsleiters Klaus Bonhoff mit Lobbyvertretern und Empfängern von Fördergeldern gab – und Bonhoff zugleich an Kommunikation zu Förderanliegen beteiligt war. Es ist daher äußerst fragwürdig, dass das Ministerium die Vorwürfe trotzdem komplett zurückweist und keinerlei Problem in der Verstrickung sieht.
Wir erläutern, warum sich die Filz-Vorwürfe im Fall Bonhoff nun tatsächlich erhärtet haben und der Umgang des Ministeriums mit dem Fall ungenügend und problematisch ist.
Ministerium bestätigt brisantes Netzwerk
Das Ministerium räumte nun ein, dass Abteilungsleiter Bonhoff tatsächlich mit den beiden Chefs des Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes DWV gemeinsam in den Skiurlaub fuhr, wie Recherchen zuvor nahelegten. Das belegt, dass es sich hier nicht um beiläufige Bekanntschaften handelt, sondern dass es unverkennbar eine enge private Verbindung zwischen den Dreien gibt.
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Zum anderen bestätigte das Ministerium, dass die Skifreunde aus dem Verband sich in Bezug auf Förderanliegen persönlich an Bonhoff wandten und dieser die Anfragen dann auch weiterleitete (Quelle). Das belegt, dass Bonhoff an der Kommunikation zur Vergabe von Fördergeldern beteiligt war und sich nicht auf Grund der privaten Verbindung vollständig aus der Angelegenheit heraushielt. Nach Angaben des Ministeriums erhielt der Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband 1,4 Mio. Euro aus dem von Bonhoff verantworteten Fördertopf.
Fragwürdige Argumentation des Ministeriums
Aus Sicht des Ministeriums seien die Vorgänge aber völlig unproblematisch, da Bonhoff die Förderanliegen „zur Prüfung in die Fachebene gegeben“ weitergegeben habe und keinen Einfluss auf das Verfahren genommen habe. Das überzeugt nicht. Denn schließlich gab Bonhoff das Anliegen auch in seiner Rolle als Vorgesetzter an die zuständigen Referate weiter. Er hätte seinem Freund, dem Vorstandsvorsitzenden Werner Diwald, vielmehr mitteilen müssen, sich direkt an die zuständige Stelle direkt zu wenden. So wäre gar nicht erst der Anschein entstanden, dass die persönliche Freundschaft irgendeine Rolle hätten spielen können.
Der Fall zeigt, dass die Compliance-Regeln und Verfahren in den Ministerien offenbar nicht ausreichen, um den Anschein von unzulässiger Vermischung von Privatem und Dienstlichem zu verhindern.
In einem von internationalen Expert:innen für die EU-Antibetrugsbehörde OLAF erarbeiteten „Leitfaden für Verantwortungsträger“ zur Aufdeckung von Interessenkonflikten in Vergabeverfahren wird der hier vorliegende Sachverhalt fast exakt als ein Beispiel aufgezählt:
Die problematische Rolle von Interessenkonflikten auf Grund persönlicher Beziehungen spielt das Ministerium dagegen auf fragwürdige Weise herunter. Das ist unangemessen und zeugt von mangelndem Problembewusstsein.
Kein angemessener Umgang mit Interessenkonflikten
Weiterhin argumentiert Staatssekretär Schnorr, die Freundschaft und die gemeinsamen Urlaube mit den Verbandsvertretern seien im Ministerium ja bekannt gewesen. Unklar bleibt dabei, was das genau heißt: Hat Bonhoff aktiv Vorgesetzte darüber informiert, um den möglichen Interessenkonflikt offenzulegen, oder waren die Freundschaft bzw. die Urlaube im Ministerium nur vom Hörensagen bekannt?
Wenn aber Bonhoffs Vorgesetzten – d.h. zunächst der damalige Minister Andreas Scheuer und jetzt Volker Wissing und ihre Staatssekretäre – die Freundschaften bekannt waren, wurde darauf wohl nicht angemessen reagiert. Es gab anscheinend keine Anweisung an Bonhoff, sich von jedem Vorgang fernzuhalten, der auch nur den Anschein erwecken könnte, dass die persönliche Beziehung dem Verband zu irgendeiner Art von Vorteil gereicht.
Es braucht endlich klare Compliance-Regeln!
Der Zwischenbericht der Prüfung durch die interne Revision des Ministeriums ist nicht öffentlich einsehbar. Deswegen lässt sich nicht nachvollziehen, was dort genau untersucht wurde und was wem wann bekannt war.
Von Minister Wissing und seinem Haus erwarten wir weitere rasche Aufklärung in der Sache. Bevor Bonhoff Abteilungsleiter im Ministerium wurde, war er Chef der bundeseigenen NOW GmbH, die eine zentrale Rolle bei der Fördergeld-Bewilligung spielt und Bonhoffs jetziger Abteilung unterstellt ist. Auch hier stellen sich Fragen, ob mit Interessenkonflikten auf Grund enger privater Kontakte angemessen umgegangen wurde.
Das Ministerium sendet das völlig falsche Signal, wenn es jede Kritik an den privaten Verbindungen im Zusammenhang mit öffentlichen Fördergeldern rundheraus zurückweist. Der Vorgang bleibt fragwürdig und unterstreicht den Bedarf, die Compliance-Regeln und -Verfahren gründlich zu überarbeiten und zu modernisieren.
Auch die Debatte im Frühjahr um die Staatssekretäre Patrick Graichen und Udo Philipp im Wirtschaftsministerium unterstreicht den Handlungsbedarf. Im Fall von Philipp ging es um mögliche Interessenkonflikte auf Grund von Unternehmensbeteiligungen. Er hat diese Beteiligungen freiwillig angezeigt, die geltenden Regeln hätten das gar nicht verlangt. Diese Lücken in den Compliance-Regeln müssen geschlossen werden, dazu haben wir bereits im Mai einige Vorschläge gemacht. Ähnlich wie schon in der Causa Graichen sollten sich auch die zuständigen Ausschüsse im Bundestag mit dem Sachverhalt befassen und zur zügigen Aufklärung beitragen.
Weitere Informationen
- Umgang mit dem Fall Bonhoff weiterhin unzureichend (25.8.2023)
- Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium? (24.8.2023)