Die Bilderberg-Gruppe ist ein elitärer Zirkel, der seit 1954 Top-Eliten aus Europa und den USA zusammen bringt – Wirtschaftsbosse und Strategen treffen auf handverlesene Politiker und Journalisten. Vom 3.-6. Juni 2010 fand das Bilderberg-Jahrestreffen im spanischen Sitges statt.
Über diese Treffen kursieren wilde Vermutungen und Verschwörungstheorien, die häufig problematisch sind. Diese Spekulationen werden auch durch strukturelle Faktoren der Bilderberg-Treffen begünstigt:
- Es gibt kaum Medienberichterstattung über die Bilderberg-Gruppe. Öffentliche Aufmerksamkeit ist unerwünscht. Die eingeladenen Journalisten schweigen sich über die Treffen aus. Sourcewatch.org geht zudem davon aus, dass private Medien in den USA deshalb nicht berichten, weil maßgebliche Medienkonzerne mit den Mächtigen verwoben sind, die sich dort treffen.
- Es ist unklar, was auf den Bilderberg-Treffen eigentlich genau besprochen oder verabredet wird.
- Die Bilderberg-Gruppe ist weder demokratisch legitimiert, noch wird transparent, welche Politiker warum eingeladen werden.
Vereinzelte Medienberichte, wachsende Kritik …
Allerdings ist der mediale Schweige-Kokon in den letzten Jahren brüchig geworden. Nach und nach gab es einige Berichte in etablierten Medien. Ein lesenswerter Beitrag über Bilderberg und die Funktionsweise ähnlicher elitärer Zirkel erschien am 2. Juni 2010 im Deutschlandfunk. Dort konstatiert der Mediensoziologe Rolf Zumberger, es gäbe
„Tendenzen der Re-Feudalisierung. Das heißt, dass neben den offiziellen Strukturen, neben den demokratischen Strukturen, dass die inoffiziellen Strukturen zunehmend wieder an Gewicht gewinnen. Und diese Eliten, diese selbst ernannten Eliten, die oben sitzen, die schotten sich zunehmend ab.“
LobbyControl teilt im Kern Zumbergers Beobachtung:
„Dass praktisch zwischen die Welt der Wirtschaft und die Welt der Politik kein Blatt mehr passt. Also diese beiden Bereiche gehen zunehmend nahtlos ineinander über, wenn wir das an den Personen festmachen.“
In England hat der Guardian die letzten beiden Jahre die Bilderberg-Treffen stark thematisiert und den Komiker und gelernten Journalisten Charlie Skelton zu den Treffen geschickt (siehe sein Blog darüber). Von deutschen Reportern vor Ort ist uns nichts bekannt, aber dieses Jahr gab es auf einmal eine dpa-Meldung dazu, die sich u.a. auf Spiegel Online wiederfand und selbst Bild berichtete im Kontext der Euro-Krise.
… und zum ersten Mal eine Webseite
Wachsende Aufmerksamkeit und Proteste haben nun offensichtlich zu einer neuen Medienstrategie der Bilderberger geführt: es gibt nun eine eigene Webseite des Treffens, allerdings ohne offizielles Impressum. Sie nennt die Teilnehmer und Themen der Treffen (schlagwortartig) sowie die Mitglieder des Lenkungskreises der Bilderberger. Die zwei zentralen deutschen Säulen der Bilderberger sind dabei die Deutsche Bank (vertreten durch Josef Ackermann) und die Wochenzeitung „Die Zeit“ (vertreten durch den stellvertretenden Chefredakteur Matthias Nass). Die Webseite ist eine bemerkenswerte Veränderung, auch wenn es bereits früher Pressemitteilungen und Teilnehmerlisten gab – aber immer nur auf Anfrage von einem Büro in Holland, wo man niemand persönlich erreicht hat.
Laut dieser Webseite waren die deutschen Teilnehmer am Treffen 2010: Josef Ackermann (Deutsche Bank), Thomas Enders (Airbus), Peter Löscher (Siemens), Olaf Scholz (stellvertretender SPD-Vorsitzender), Dieter Zetsche (Daimler Benz). Scholz hat seine Teilnahme auf Abgeordnetenwatch bestätigt – mit Verweis auf andere europäische Sozialdemokraten, die teilnahmen.
Im Mai 2009 sind zum Treffen im griechischen Vouliagmeni- laut Bilderberg-Homepage – folgende Personen aus Deutschland angereist: Josef Ackermann (Deutsche Bank), Thomas Enders (Airbus), Eckart von Klaeden (außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion), Roland Koch (hessischer Ministerpräsident, CDU), Peter Löscher (Siemens), Matthias Nass (Chefredakteur Die Zeit).
Was geht da eigentlich vor sich?
Die Bilderberg-Gruppe ist nur einer von diversen Zirkeln, in denen sich die Mächtigen mit amtierenden oder aufstrebenden Politikern kurz schließen. Daneben gibt es z.B. die Atlantikbrücke, die Trilaterale Kommission, den Council on Foreign Relations, den European Council on Foreign Relations. Wesentlich präsenter in den Medien – dadurch aber keineswegs demokratischer legitimiert – sind etwa das Weltwirtschaftsforum in Davos und die Münchner Sicherheitskonferenz.
Was haben „unsere“ Politiker dort zu suchen?
Unklar bleibt, zu welchem Grad die Welt und ihre Probleme in Zirkeln wie diesen reflektiert werden, und zu welchem Grad die Welt und ihre Probleme dort aktiv gestaltet werden. LobbyControl sieht die Teilnahme demokratisch gewählter Vertreter und staatlicher Repräsentanten auf diesen Geheimtreffen als äußerst problematisch an. Die bescheidene Webseite der Bilderberg-Gruppe ändert wenig an der undemokratischen Konzeption solch verschwieger Eliten-Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Aber sie zeigt, dass der öffentliche Druck stärker wird.
Weitere Informationen:
LobbyControl zu den Bilderberg-Treffen 2009, 2008 (mit Nachtrag), 2007 .
Bilderberg in Online-Nachschlagewerken: Sourcewatch.org (USA) und spinwatch.org (GB).
Über den Council on Foreign Relations: Telepolis 2008 (deutsch), znet 2008 (Teil 2) (englisch).
Bildnachweis: 4. Juni 2010 – Das Hotel Dolce in Sitges, Ort des streng abgschirmten Bilderberg-Treffens. Foto: Raro42, Lizenz: Creative Commons 3.0.
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