Das deutsche Kartellrecht soll bis zum Januar 2013 überarbeitet werden. Während der frühere Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) auf eine Befugnis zur Entflechtung von marktbeherrschenden Unternehmen drängte, schwächt sein Nachfolger Philipp Rösler (FDP) diese Forderung nun ab. Damit stimmt er die Industrielobby zufrieden.
Bisher erlaubt es das Kartellrecht nicht, Großkonzerne, die eine Vormachtstellung auf dem Markt haben, zum Verkauf von Unternehmensanteilen zu zwingen, um so mehr Wettbewerb zu erzeugen. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag von 2009 wurde beschlossen, dies zu ändern. Als damaliger Bundeswirtschaftsminister schlug Brüderle schließlich Anfang 2010 vor, das Entflechtungsinstrument den Kartellbehörden als „ultima ratio“ an die Hand zu geben. Nach seinen Worten sollte die Entflechtungsbefugnis nur gestattet werden, wenn auf einem „Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung Unternehmen marktbeherrschend sind und auf absehbare Zeit das Fortbestehen dieser Marktbeherrschung zu erwarten ist, obwohl Wettbewerb wirtschaftlich und technisch möglich ist.“
Kritik des BDI an Brüderles Entflechtungsplänen
Damals gab es heftige Kritik von Seiten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Die Lobbyisten forderten, dass bei einer Entflechtung „auf jeden Fall auch ein Fehlverhalten des Unternehmens vorliegen muss.“ Handfeste Nachweise für Preisabsprachen oder der deutlichen Behinderungen anderer Marktwettbewerber sind jedoch oft schwer zu erbringen. Des Weiteren kann es auch stillschweigende Verständigungen der Oligopolen geben, die zu überhöhten Preisen für die Verbraucher führen, sowie zum Beispiel auf dem Tankstellenmarkt. Zudem wurde im Kontext der Finanzkrise deutlich, dass die Größe von Banken allein schon ein Problem sein kann („too big to fail“). Als Folge wurde die Schrumpfung oder Zerschlagung von Banken auch von Ökonomen wie etwa Nouriel Roubini gefordert.
Rösler schwächt den Entwurf ab
Am 2. August 2011 veröffentlichte der neue Wirtschaftsminister Rösler nun ein verändertes Eckpunkte-Papier (pdf). Darin ist zwar die Entflechtung als neues Instrument für die Kartellbehörden enthalten, sie ist jedoch in einem wesentlichen Punkt abgeschwächt worden. Bevor ein Großkonzern nun die Kartellwächter fürchten muss, ist es notwendig, dass ein Missbrauch der Marktmacht klar nachgewiesen werden kann. Die starke Marktdominanz Einzelner alleine reicht nicht aus.
Die Forderung der Industrielobby wurde somit von Rösler übernommen. In Deutschland wird insbesondere die Energie-, Mobilfunk- und Finanzbranche von einigen wenigen Firmen dominiert. Aber durch die vorgesehenen milden Änderung im Kartellrecht müssen etwa die vier marktbeherrschenden Energielieferanten in Deutschland (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) sich vorerst nicht um ihre Vormachtstellung sorgen. Gänzlich zufrieden sind die Lobbyisten des BDI allerdings noch immer nicht. Der Verband kritisierte den Vorschlag, den Kriterienkatalog der EU zur Zulassung von Firmenfusionen zu übernehmen. Fusionen könnten sich angeblich zu lange hinauszögern, so dass diese für die Unternehmen unrentabel werden. Das letzte Wort bei der Kartellrechtsnovelle ist also noch nicht gesprochen.
Weitere Quelle: Michael Bauchmüller: Groß soll groß bleiben. In: Süddeutsche Zeitung vom 3.8.2011 (nur Print-Ausgabe)
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