Nach dem Ampel-Aus forderten wir: „Die nächste Regierungskoalition sollte Transparenz und wirkungsvolle Regeln für den Lobbyismus und zur Stärkung von Integrität oben auf die Prioritätenliste setzen“. Jetzt zum Ende der Koalitionsverhandlungen zeigt sich: Dem ist Schwarz-Rot nicht nachgekommen, im Gegenteil. Lobbykontrolle, Transparenz und Integrität sind nicht nur keine Priorität, sie spielen im Koalitionsvertrag gar keine Rolle.
Das ist enttäuschend und ein falsches Signal. Die letzte Koalition aus CDU/CSU und SPD führte unter dem Druck der Masken- und Aserbaidschan-Affären noch das verpflichtende Lobbyregister ein und verschärfte die Regeln für Abgeordnete. Die Ampel ging diesen Weg durchaus entschieden weiter und verbesserte unter anderem das Lobbyregister entscheidend. Davon scheint man insbesondere in der Union nun nichts mehr wissen zu wollen – und die SPD hat diese Themen in den Koalitionsverhandlungen offenbar nicht mit dem nötigen Nachdruck vertreten.
Leerstelle bei Regeln und Schranken für den Lobbyismus
Dabei steht unsere Demokratie derzeit von außen wie von innen stark unter Druck. Gerade deshalb setzen Union und SPD völlig falsche Prioritäten, wenn Themen wie illegitime Einflussnahme, Integrität und Transparenz in ihrem Koalitionsvertrag nicht vorkommen.
In diesem Wahlkampf war Einmischung von außen sichtbarer denn je – etwa durch Tech-Milliardär Elon Musk. Außerdem gab es mehrere fragwürdige Parteispenden in Millionenhöhe. Das zeigt deutlich: Es braucht dringend eine Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Wir hatten uns für einen Parteispendendeckel als wichtigste Maßnahme starkgemacht.
Aus der SPD erhielten wir dafür durchaus auch Zuspruch, etwa bei Unterschriftenübergaben an den Bundesschatzmeister Dietmar Nietan oder den Rechtspolitiker Johannes Fechner. Gerade mit Blick auf die nächsten Wahlkämpfe ist es fatal, dass der Parteispendendeckel als Instrument zum Schutz der Demokratie gemäß dem Willen der Koalition weiterhin fehlen wird.
Das gilt ebenso für weitere Vorschläge zur Stärkung unserer Demokratie wie eine verlängerte Karenzzeit bei Wechseln aus der Regierung zu Unternehmen, Verbänden – oder ausländischen Regierungen. Aktuell gilt lediglich eine Abkühlphase von maximal 18 Monaten und es fehlt an Sanktionen, wenn sich ein ehemaliger Minister oder eine ehemalige Staatssekretärin nicht an die Regeln hält.
Keine Verbesserung beim Lobbyregister
Auch beim Lobbyregister oder der halbherzigen Regelung der Ampel für eine Lobby-Fußspur für Gesetze wird es laut Koalitionsvertrag keine Verbesserung geben. Während die EU-Kommission ihre Transparenz über Treffen mit Lobbyist*innen nach den Europawahlen noch ausweitete, bleibt in der Bundesrepublik alles beim Alten - heißt: undurchsichtig.
Vor diesem Hintergrund erwarten wir von der neuen Bundesregierung bedauerlicherweise auch keine fortschrittliche Position bei der gerade zwischen EU-Parlament, Kommission und Rat verhandelten EU-Antikorruptionsrichtlinie. Dabei wäre es eine große Chance, europaweit und auch in Deutschland den Kampf gegen Korruption zu stärken und Vorbeugung zu verbessern. Warum das nötig ist, zeigen die schleppenden Ermittlungen im Fall Katargate, beim Huawei-Skandal und auch bei den AfD-Politikern Maximiliam Krah und Petr Bystron. Gegen Bystron ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Bestechlichkeit. Ein ehemaliger enger Mitarbeiter Krahs steht dagegen unter Spionageverdacht im Auftrag Chinas, bei Krah selbst gab es ebenfalls auffällige Verbindungen zu prorussischen Akteuren. Insbesondere für grenzüberschreitende Ermittlungen wäre eine gute Richtlinie hilfreich.
Angriffe auf zivilgesellschaftliche Instrumente
„Eine starke Zivilgesellschaft stärkt die Demokratie und ist ein Korrektiv zu finanzstarken, vorrangig wirtschaftliche Interessen vertretenden Lobbygruppen. Entsprechend sollte sich die nächste Regierungskoalition entschieden gegen Versuche wenden, den Handlungsraum zivilgesellschaftlicher Organisationen einzuschränken“, schrieben wir noch im Dezember in unser Forderungspapier.
Stattdessen haben CDU und CSU in den letzten Monaten immer wieder die Rolle von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Frage gestellt und zum Teil Einschüchterungsversuche unternommen, wie man sie sonst nur aus autoritären Staaten kennt. Erinnert sei an die 551 Fragen unter anderem zu den „Omas gegen Rechts“. Dabei ging es kaum um Erkenntnisgewinn, sondern darum, zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen mit Unterstellungen und Suggestivfragen zu diffamieren.
Informationsfreiheitsgesetz unter Druck?
Dies gipfelte darin, dass die Unionsparteien während der Koalitionsverhandlungen Einschränkungen für das Informationsfreiheitsgesetz und Klagerechte im Umwelt- und Verbraucherschutz forderten – wesentliche Instrumente einer kritischen Zivilgesellschaft.
Starke Proteste vieler Organisationen – allen voran Frag den Staat, aber auch von uns – haben immerhin erreicht, dass das Informationsfreiheitsgesetz nicht abgeschafft, sondern reformiert werden soll. Nun kommt es darauf an, wie eine solche Reform aussieht. Die Koalition sollte das Gesetz zu einem umfassenden Transparenzgesetz weiterentwickeln, statt es einzuschränken. Immerhin betont der Koalitionsvertrag an anderer Stelle die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft für eine wehrhafte Demokratie. Zugleich ihre Handlungsspielräume zu beschneiden, ist widersprüchlich und falsch.
Lichtblick: Macht von Big Tech begrenzen
„Digitalpolitik ist Machtpolitik“ heißt es im Koalitionsvertrag. Das ist ein Lichtblick. Die Koalition will die EU-Plattformregeln, die die Macht von Big Tech beschränken sollen, konsequent durchsetzen. Explizit erwähnt werden der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA). Deren wirksame Durchsetzung hatten wir bereits während der Koalitionsverhandlungen gefordert. Es ist gut, dass die Koalition die problematische Machtkonzentration bei den vorrangig US-amerikanischen und chinesischen Plattformen ernst nimmt.
Enttäuschend beim Thema Digitalisierung ist jedoch, wie die Koalition bei anderen Digitalregeln, insbesondere auch bei Künstlicher Intelligenz und Datenschutz, vorgehen will:
- Statt Datenschutz will die Koalition künftig von Datennutzung und einer Datennutzungsbeauftragten sprechen.
- Die Lockerung beim Datenschutz zielt gerade auf die Anwendungsbereiche Künstlicher Intelligenz ab.
- Sie will sich zudem für eine „innovationsfreundliche“ und „bürokratiearme“ nationale Umsetzung der KI-Regeln der EU starkmachen. Das kommt einer Abschwächung des EU-KI-Gesetzes gleich. Hauptprofiteure dieser Lockerungen dürften wiederum US-Tech-Konzerne sein. In dieser Hinsicht ist der Koalitionsvertrag also mindestens widersprüchlich.
Lobbygeschenke für fossile Konzerne
Der Koalitionsvertrag deutet außerdem an, welche Interessen die neue Bundesregierung in den nächsten Jahren besonders bedienen wird. Beispiel Gaslobby: Der Koalitionsvertrag sieht einen massiven Ausbau von Gasinfrastruktur vor – ganz im Sinne der Geschäftsinteressen der Gaskonzerne, der energieintensiven Industrie und deren Lobbyverbänden. Es sollen viele neue Gaskraftwerke gebaut werden – deutlich mehr als die Kraftwerksstrategie der Ampel-Regierung vorgesehen hatte. Dafür hatte u. a. der Verband der Chemischen Industrie geworben, der energieintensive Konzerne wie BASF vertritt. Expert*innen wie Prof. Dr. Claudia Kemfert warnen dagegen vor Überkapazitäten.
Außerdem kündigt der Koalitionsvertrag „langfristige Gaslieferverträge“ mit „internationalen Anbietern“ an. Davon könnten Unternehmen wie die staatseigene SEFE (früher Gazprom Germania) weiter profitieren. SEFE hat erst kürzlich einen Liefervertrag zur Lieferung von jährlich 1,5 Millionen Tonnen Flüssiggas aus den USA abgeschlossen – und biedert sich gleich Trump an, indem es auf seiner Webseite vom „Golf von Amerika“ statt vom „Golf von Mexiko“ schreibt.
Auch die Abschaffung des sogenannten „Heizungsgesetzes“ ist ein Geschenk an die fossile Lobby – wenn auch möglicherweise eher ein symbolisches. Die neue Bundesregierung muss sich nun die Mühe machen, ein neues Heizungsgesetz auszuarbeiten, um EU-Recht und Klimaziele einzuhalten. Es bleibt abzuwarten, wessen Interessen dabei bedient werden.
Skandalös ist zudem, dass Union und SPD das gerade erst geschaffene deutsche Lieferkettengesetz abschaffen und das EU-Lieferkettengesetz aussetzen und dann abschwächen wollen. Die Gesetze verpflichten Unternehmen dazu, die Einhaltung der Menschenrechte in ihren globalen Lieferketten sicherzustellen. Dem vorausgegangen waren massive Lobby-Kampagnen sämtlicher Wirtschaftsverbände in Deutschland und der EU gegen das Lieferkettengesetz.
Besteuerung von Reichtum fehlt
Auch bei der Besteuerung von Reichtum zeigt sich klar, dass sich die Lobby der Reichsten und finanzstarker Unternehmen durchgesetzt hat. Der Koalitionsvertrag kündigt Steuergeschenke für einzelne Branchen, Vermögende und Unternehmen an. Maßnahmen, die die Ungleichheit reduzieren würden, findet man kaum.
Der Vorschlag, eine Vermögensteuer wieder einzuführen, kam von der SPD, landete am Ende aber nicht im Koalitionsvertrag. Besonders überraschend ist das nicht: Im Wahlkampf und seit vielen Jahren wettert eine Lobby aus Konzernen und Superreichen stets vehement dagegen – für sie ist es daher ein Erfolg, wenn die Vermögenssteuer im Koalitionsvertrag nicht auftaucht. Ganz ähnlich sieht es bei der Erbschaftssteuer aus.
Statt Vermögende mehr in die Pflicht zu nehmen, sollen laut Koalitionsvertrag Steuern für eine einzelne Branche, die Gastronomie, gesenkt werden. Davon profitieren vor allem umsatzstarke Fast-Food-Ketten, für sie ist das ein milliardenschweres Steuergeschenk, wie die Organisation Foodwatch kritisiert. Für die Absenkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie hat sich der Gastro-Lobbyverband Dehoga starkgemacht. Außerdem flossen sehr hohe Parteispenden von einem Gastronomie-Unternehmer an die CDU. Auch die angekündigte Senkung der Körpersschaftsteuer ist ein Steuergeschenk von über 15 Milliarden Euro im Jahr. Dieses macht zunächst vor allem die Reichsten der Reichen reicher, so DIW-Ökonom Stefan Bach.
Fazit: Lobbygeschenke statt Lobbyregulierung
Die neue Bundesregierung sollte sich davor hüten, einseitige Lobbygeschenke zu verteilen. Das erzeugt Frust, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Demokratie weiter gefährdet. Außerdem muss sie dringend unsere Demokratie weiter stärken – durch wirksame Lobbyregulierung und indem sie zivilgesellschaftliches Engagement stärkt. Daran werden wir die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren immer wieder erinnern.
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