Eine Delegation des Europarats, genauer: der Staatengruppe gegen Korruption, stattet Deutschland aktuell einen Besuch ab. In dieser Woche trafen wir uns mit den Expert*innen aus mehreren europäischen Ländern im Bundesinnenministerium in Berlin. Vertreter*innen von Transparency International und Abgeordnetenwatch.de waren ebenfalls mit dabei.
Bundesregierung im Fokus
Im Fokus der diesjährigen Untersuchung durch die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) stehen Korruptionsrisiken bei der Bundesregierung und bei Polizeibehörden. Entsprechend tauschten wir uns über eine Reihe von Themen aus, darunter:
Mangelhafte Transparenz im Gesetzgebungsprozess: Fast alle Gesetzentwürfe werden in den Ministerien der Bundesregierung erstellt. Doch welche Lobbyisten daran genau beteiligt waren, welche Gutachten und welche Expertise den Entwürfen zugrunde liegen, darüber fehlen bislang genauere Informationen. Zwar veröffentlichen die Ministerien inzwischen Stellungnahmen von Verbänden und Unternehmen zu einzelnen Gesetzentwürfen. Aber das ist nicht ausreichend, da so nur die formale Beteiligung teilweise sichtbar wird. Zudem werden die Stellungnahmen nicht veröffentlicht, wenn die Urheber dem nicht zustimmen. Wir setzen uns daher seit langem für eine Legislative Fußspur ein, die umfassend und detailliert offenlegt, wer in welcher Weise an der Entstehung von Gesetzen beteiligt war. Damit würde auch der Bundestag, der die Gesetze schließlich verabschiedet, eine bessere Entscheidungsgrundlage bekommen. Mehr darüber, wie eine Legislative Fußspur aussehen sollte, ist im letzten Lobbyreport (pdf) zu Deutschland nachzulesen.
Interessenkonflikte bei Mitgliedern der Bundesregierung: Im Gegensatz zu EU-Kommissar*innen oder zu Regierungsangehörigen in Frankreich müssen Mitglieder der Bundesregierung kaum Angaben zu ihren privaten Interessen und Vermögensverhältnissen machen. Hier besteht Handlungsbedarf, denn Interessenkonflikte, etwa durch Beteiligungen an Unternehmen, können so weder thematisiert noch ausgeschlossen werden.
Seitenwechsel: Zwar gibt es seit einigen Jahren endlich ein Karenzzeit-Gesetz, das den nahtlosen Wechsel von der Regierungsbank in Tätigkeiten bei Unternehmen und Verbänden zumindest ein Stück weit erschwert. Doch auch hier gibt es noch viele Lücken. Zum Beispiel ist nicht klar geregelt, dass es innerhalb der Abkühlphase grundsätzlich keinen Wechsel in explizite Lobbytätigkeiten geben darf. Auch gilt das Gesetz nur für die Kanzlerin, die Minister sowie Parlamentarische Staatssekretäre. Für hochrangige Beamte in den Ministerien, also für beamtete Staatssekretäre und Abteilungsleiter*innen gelten lediglich die noch schwächeren Regeln des Beamtengesetzes. Auch hier sollte nachgebessert werden. Mehr Details dazu finden sich ebenfalls im Lobbyreport (pdf).
Wie geht es nun weiter?
Die GRECO-Expert*innen führen viele Gespräche mit Behörden, der Zivilgesellschaft und anderen Akteuren. Auf dieser Grundlage wird im nächsten Jahr ein sogenannter Evaluationsbericht erstellt und veröffentlicht. Der Bericht wird eine Reihe von Empfehlungen an Deutschland enthalten, wie Korruptionsrisiken verringert werden können und welche Maßnahmen die deutsche Politik ergreifen sollte. Die Empfehlungen haben zwar keinen bindenden Charakter. Dennoch sind sie wichtig, um Handlungsbedarfe klar zu identifizieren und einen Prüfstein für das Handeln (oder die Untätigkeit) der Bundesregierung zu haben. Setzt Deutschland die Empfehlungen nicht um, wird ein Mahnverfahren eingeleitet, sodass die Bundesregierung sich in jedem Fall erklären muss.
In der Vergangenheit hat GRECO bereits mehrere Untersuchungen durchgeführt. Darin ging es unter anderem um die Regeln zur Parteienfinanzierung in Deutschland sowie zuletzt um Korruptionsprävention bei Abgeordneten, Richtern und Staatsanwälten.
Mehr Informationen:
- "Bei der Korruptionsbekämpfung sind wir noch in der Steinzeit" - LobbyControl-Interview mit Christophe Speckbacher von GRECO (März 2019)
- Kritik vom Europarat: Deutschland setzt Empfehlungen zu Interessenkonflikten nicht um (September 2018)
- Europarat verwarnt Deutschland erneut wegen schwacher Regeln zur Parteienfinanzierung (Februar 2018)
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